Hydrogen Dialogue 2024

Grüne Ladehemmungen?

Einsparpotenzial von 220.000 Euro pro Unternehmen und Jahr nutzen

Auch wenn viel über Umweltschutz und Ressourceneffizienz gesprochen wird, fallen die Erfolge eher mager aus. In sehr vielen mittelständischen, aber auch in großen Betrieben werden die Chancen einer ressourceneffizienten Prozessoptimierung nicht ausgereizt - doch es gibt Lösungsansätze.

Die Chancen für ressourceneffizientes Handeln und Umweltschutz sind bekannt.
© istockphoto.comhans slegers
Die Chancen für ressourceneffizientes Handeln und Umweltschutz sind bekannt. Zahlreiche Projekte wurden schon von Bundes- und Landesministerien für Wirtschaft und Umwelt ins Leben gerufen, um die Wirtschaft beratend und finanziell zu unterstützen, beispielweise durch die Deutsche Materialeffizienzagentur (demea), die Effizienzagenturen oder KfW-Programme. Auch die Arbeitnehmerinitiativen werden z.B. durch Projekte der Gewerkschaften - IG Metall und andere - sowie durch das Projekt KoReBB (Kooperationsprojekt Ressourceneffizienz für Beschäftigte und Betriebsräte) des DGB Bildungswerkes gefördert.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer Material und Energie effizienter einsetzt, spart unmittelbar Kosten und senkt die CO2-Bilanz. Laut einem aktuellen Ergebnis der demea aus den bisherigen Potenzialanalysen liegt das durchschnittliche Einsparpotenzial bei 220.000 Euro pro Unternehmen und Jahr. Das heißt, Unternehmen können Kosten in Höhe von durchschnittlich 2,5 Prozent ihres Umsatzes einsparen. Das große Einsparpotenzial erklärt sich daraus, dass im produzierenden Gewerbe Material- und Energiekosten mit über 50 Prozent den größten Kostenblock darstellen, weit vor den Personalkosten mit knapp 20 Prozent (basierend auf Daten des statistischen Bundesamtes 2008). Ein Blick auf die Produktivität bringt es auf den Punkt: Seit den 1960er Jahren sind die Materialproduktivität nur um den Faktor 2 und die Energieproduktivität sogar nur um 1,5 gestiegen. Die Arbeitsproduktivität wuchs dagegen um den Faktor 4. Die Prognosen lauten: Unternehmen aus Industrie und Gewerbe könnten den Energieverbrauch innerhalb der kommenden Jahre um bis zu 20 Prozent senken - und das ohne Einbußen von Produktivität.

Die Sicht der Beschäftigten
Aus Sicht von Betriebsräten, Personalräten und Mitarbeitervertretungen arbeiten erst 65 Prozent der Betriebe strategisch daran, einen kostengünstigen Einkauf von Energie und Ressourcen zu realisieren, erst 36 Prozent der Betriebe arbeiten systematisch daran, die Produktionsmittel energieeffizienter einzusetzen. Das sind Ergebnisse einer 2010 bei Akteuren in der DGB Region Ostwestfalen-Lippe durchgeführten Umfrage, die von der TBS NRW in Kooperation mit dem DGB-Bildungswerk und dem Projekt KoReBB durchgeführt wurde. An welchen Schrauben muss man drehen, damit Umweltschutz mit einer größeren Akzeptanz und damit Nachhaltigkeit gelebt wird? Wo sind die Probleme und Zielkonflikte zwischen Betriebsrat und Beschäftigten, Umweltbeauftragten und Geschäftsführung?

Fachliche Probleme
Diese resultieren hauptsächlich aus den zahlreichen und hochkomplexen Rechtsvorschriften des Ordnungs- und Umweltrechtes, zum anderen aus persönlichen Qualifizierungsdefiziten. Ein Beispiel: Ist eine Anlage im produzierenden Gewerbe nicht mehr ausreichend, muss entschieden werden, ob eine neue Anlage angeschafft wird oder ob die alte ausgeweitet wird. Beides macht aufgrund von Umweltauflagen ggf. Genehmigungsverfahren notwendig, die bis zu fünf Jahre dauern können. Der Betriebsrat ist über den § 89.2 Betriebsverfassungsgesetz dazu aufgefordert, bei der Entscheidung mitzuwirken. Voraussetzung ist die fachliche Qualifikation des Betriebsrates, um die Nachhaltigkeit in Sachen Umwelt und Energie, Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung sowie zukünftige Arbeitsplatzbedingungen und -sicherung beurteilen zu können.

Lösungsansätze: Aufgabe ist erstens, dass sich der Betriebsrat innerhalb des langen Planungszeitfensters überhaupt mit der Umwelt-Problematik im Vorlauf auseinandersetzt und gegebenenfalls auch weitere sinnvolle Maßnahmen beim Anlagenbau einfordert - beispielsweise Regenwassernutzung oder alternative Dachnutzungen vorschlägt. Zweitens kann es für die Mitglieder des Betriebsrats aufgrund der Aufgabenkonzentration sinnvoll sein, sich in Form von Qualifizierungsmaßnahmen zu Umweltexperten weiterzubilden, um sich produktiv und bereits in der Planungsphase an technischen Effizienzverbesserungsprojekten zu beteiligen.

Bewusstsein aufdrehen, Verschwendung abdrehen: Durch die starke Einbeziehung von Mitarbeitern lassen sich Material- und Energieeffizienz erheblich verbessern.

Organisatorische Probleme
Umweltbeauftragte stellen im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe das Bindeglied zwischen Geschäftsführung und Belegschaft dar. Die Realität zeigt aber, dass sich Umweltbeauftragte aufgrund mangelnder Kompetenzzuschreibung im Bereich der Produktions- oder Anlagenplanung oft in einer isolierten statt in einer integrativen Situation befinden. Eine angemessene innerbetriebliche Informationspolitik, die Barrieren abbaut, ist kaum möglich. Ein weiteres Hemmnis stellen die langen Genehmigungsverfahren dar - der Betriebsrat müsste sich frühzeitig fachlich in Kooperation und/oder Rücksprache mit dem betrieblichen Umwelt-/Energie-/Nachhaltigkeitsbeauftragten einbringen und permanent informiert sein. Nur so ist zeitgerechtes Handeln möglich - dazu bedarf es einer gegenseitigen Anerkennung vor den jeweils unterschiedlichen fachlichen und betriebsorganisatorischen Hintergründen. Letztlich ist auch der Beauftragte durch den Betriebsrat in Bereichen des Arbeitsrechts mit vertreten, ebenso wie der Betriebsrat und die Beschäftigten von den im Unternehmen umgesetzten Umweltschutzaspekten profitieren.

Lösungsansätze: Erhebliche Verbesserungen der Material- und Energieeffizienz lassen sich nur durch eine starke Einbeziehung von Beschäftigten erzielen - diese kennen ihren Arbeitsplatz am besten! Das erklärte Ziel ist, dass Betriebsrat, Umweltbeauftragte und Geschäftsführung gemeinsam erfolgreiche Strategien für eine effizientere Ressourcennutzung entwickeln.

Monetäre Probleme
Neben dem Verlust des Arbeitsplatzes sind auch finanzielle Einschnitte in der Belegschaft wenig erwünscht. Beispiel: Der Umbau einer Sandstrahlkabine für Stahlbearbeitung im Rahmen einer Umwelt- und Arbeitsschutzmaßnahme bedeutet möglicherweise, dass für die Beschäftigten Zulagen wegfallen. Gegen die Neuanschaffung der Anlage aufgrund von Umweltschutzauflagen besteht aufgrund persönlicher Nachteile im Einkommen daher oftmals Widerstand trotz möglicher allgemeiner Verbesserung des Umwelt- und Arbeitsschutzes.

Lösungsansätze: Alle Mitarbeiter sollten sich klar darüber sein, dass steigende Energie- und Rohstoffpreise Arbeitsplätze gefährden. Daher sichern zukunftsfähige Anlagen die Wettbewerbsfähigkeit und somit auch Arbeitsplätze. Gemeinsam mit der effizienten Nutzung von Materialien und Energie können Unternehmen Kosten sparen, dadurch Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig einen Beitrag zur Schonung der Umwelt und zur Bewältigung des Klimawandels leisten.

Psychologische Probleme
Jede Veränderung im Betrieb löst bei den meisten Menschen Verunsicherungen, Befürchtungen und Ängste vor personellen Auswirkungen und persönlichen Einschnitten aus. Verständlich: In Zeiten von Massenarbeitslosigkeit führen viele Maßnahmen zur Rationalisierung, sprich Arbeitsplatzverlust. Gerade wenn es sich um neue Arbeitsinhalte oder -aufgaben handelt, zeigt die Erfahrung, dass die Verweigerungsrate hoch ist. Aber durch die Krise wird deutlich, dass zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze die ökologische Modernisierung notwendig ist.

Lösungsansätze: Betriebsräte haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Möglichkeit, Einfluss auf die Gestaltung von Produktionsprozessen zu nehmen und sollten mehr Verantwortung auch im Umweltschutz übernehmen. Dadurch eröffnet sich die Chance, Ressourceneffizienz stärker im Sinne der Arbeitnehmer zu gestalten und als Beitrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung zu kommunizieren. Wichtige Voraussetzung ist, die Beschäftigten zu beteiligen und zu motivieren, um Arbeitsalltag und Prozesse ressourceneffizienter zu gestalten. Das macht einen Wandel der Unternehmenskultur notwendig.
 
 
 
Von Kirsten Reinhardt und Jürgen Hoffmann


Im Profil

Kirsten Reinhardt ist Fachjournalistin und Presseberaterin. Als Diplom-Kauffrau der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln sind Marketing und Handel ihre Profession.
presse@kirsten-reinhardt.de
Telefon +49 (0)221 / 2 61 18 17

Jürgen Hoffmann ist Leiter des Kompetenzzentrums Betrieblicher Umweltschutz, Umweltpolitik und Nachhaltige Entwicklung des DGB Bildungswerk e.V., Düsseldorf.
juergen.hoffmann@dgb-bildungswerk.de
Telefon +49 (0)221 / 43 01 - 3 29

Weiterbildung für mehr Ressourceneffizienz
Das DGB Bildungswerk e.V., Kompetenzzentrum Betrieblicher Umweltschutz, Umweltpolitik und Nachhaltige Entwicklung, Düsseldorf, bietet seit März 2009 im Rahmen des vom Umweltbundesamt geförderten Projektes KoReBB (Kooperationsprojekt Ressourceneffizienz für Beschäftigte und Betriebsräte) zahlreiche Seminare und Weiterbildungsmöglichkeiten an.
http://umwelt.betriebsratsqualifizierung.de/




Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 28.09.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2011 - Schöne Aussichten erschienen.
     
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