Klein aber oho!

Das forum anders reisen bringt die Branche auf Trab

Der Begriff des Nachhaltigen Tourismus wird immer geläufiger. Viele große Unternehmen beginnen nun, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Doch was dort langsam anrollt, ist bei vielen kleineren Reiseveranstaltern Programm. Die Mitglieder von forum anders reisen möchten wirklich nachhaltige Reisen anbieten und haben die Entwicklung vom ersten Moment an mit geprägt. forum Redakteurin Kirstin Abitz sprach mit Johannes Reißland, dem Geschäftsführer von forum anders reisen.

Zeit für das Wesentliche: Begegnungen auf Augenhöhe sind ein Merkmal nachhaltiger Reisen.
Foto: © One World Reisen mit Sinnen, Dortmund

Herr Reißland, Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein sehr geläufiges Wort, welches immer öfter "verwaschen" wird. Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit im Tourismus?
Das stimmt leider: Alles scheint heutzutage nachhaltig zu sein. Für unseren Verband und unsere Mitglieder bedeutet Nachhaltigkeit, dass Reisen angeboten werden, welche langfristig ökologisch tragbar, ethisch und sozial verträglich konzipiert sind und bei denen ein wesentlicher Teil des Reisepreises bei den Gastgebern ankommt. In unserem Kriterienkatalog, der schon 1998 definiert wurde, sind all diese Grundsätze ausführlich beschrieben.

Wie wird Nachhaltigkeit in Ihrem Verband umgesetzt?
Wir bieten umweltfreundliche Aktivitäten wie Radfahren und Wandern an und geben der Begegnung mit Einheimischen viel Raum. Die lokale Bevölkerung wird zudem möglichst stark in die Planung und Umsetzung der Reisen involviert. So werden etwa einheimische, inhabergeführte Hotels und Restaurants vor internationalen Ketten bevorzugt. Die besondere Nähe zum Reiseziel ist auch deshalb möglich, weil unsere Veranstalter in der Regel auf bestimmte Destinationen spezialisiert sind und die Inhaber in den jeweiligen Ländern gelebt haben. So ist ein lokales Netzwerk vorhanden. Darüber hinaus durchlaufen alle forum anders reisen-Veranstalter den CSR-Prozess von TourCert, in dem es u m Unternehmensverantwortung geht. Inhalt dessen ist es u.a., die Leistungsträger vor Ort dazu anzuhalten, hohe Umweltstandards zu setzen und die Mitarbeiter fair zu bezahlen.

Ein schönes, aktuelles Beispiel für Nachhaltigen Tourismus sind die Reisen einiger unserer Veranstalter zu WWF-Projekten. Diese tragen dazu bei, dass Naturschutzgebiete erhalten oder sogar erweitert werden können und dass die biologische Vielfalt erhalten bleibt. Urlauber können bei diesen Reisen Biber in der Uckermark, Steinadler in Georgien oder Orang-Utans auf Borneo beobachten und aus erster Hand erfahren, wie sich der WWF für den Naturschutz vor Ort einsetzt.

CSR im Tourismus bedeutet: Mit den Ausgaben im Reiseland den Wohlstand und langfristige Entwicklung fördern
Foto: © KATE

Wie sehen Sie die Entwicklung des Nachhaltigen Tourismus und was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Meilensteine auf diesem Feld?
Die Entwicklung des Nachhaltigen Tourismus ist ein dynamischer Prozess. Ein wichtiger Punkt war für mich die Gründung von atmosfair im Jahr 2003, an der das forum anders reisen beteiligt war. Die Etablierung des CSR-Siegels von TourCert ist für mich ein Meilenstein der letzten Jahre, da Nachhaltigkeit dadurch transparent, überprüfbar und vergleichbar wird. Ganz wichtig dabei ist: Die Nachhaltigkeit bezieht sich bei dieser Zertifizierung auf die Kernaktivitäten des Veranstalters und nicht auf einzelne Projekte vor Ort. Obwohl diese gut sind soll der Kunde dadurch nicht geblendet werden.

Ihre Mitglieder sind meist kleine bis mittelgroße Reiseveranstalter. Dies bedingt, dass der Großteil der Touristen nicht deren Angebote wahrnimmt, sondern meist große, konventionelle Reiseveranstalter wählt. Ist die Arbeit des forum anders reisen dann nicht lediglich "ein Tropfen auf dem heißen Stein"?
Wir sehen uns als Vorreiter für Nachhaltigen Tourismus und werden in der Tourismusbranche auch als solcher wahrgenommen. Der Markt verändert sich rasant - Nachhaltigkeit wird für viele Verbraucher immer wichtiger. Studien belegen, dass 20 bis 30 Prozent der Reisenden Nachhaltigkeit bei der Reiseentscheidung mit einfließen lassen. Wir sind auf einem guten Weg, was übrigens auch die Umsatzzuwächse unserer Veranstalter belegen.

Je stärker sich große Tourismusunternehmen nachhaltig ausrichten, desto mehr Konkurrenz entsteht für Ihre Mitgliedsunternehmen. Sehen Sie darin ein Problem?
Nein. Uns geht es in erster Linie um die Sache. Wenn große Veranstalter uns kopieren und die Branche dadurch insgesamt grüner wird, hat das für uns einen durchaus positiven Effekt. Leider ist das in der Realität seltener der Fall, als manch großer Konzern es den Kunden verkauft.


Foto: © Rucksack Reisen, Münster

Welche Herausforderungen birgt die Zukunft? Welche weiteren Ziele haben Sie sich gesteckt?
Wir wollen als Nächstes daran arbeiten, dass auch die Reiseverkäufer in den Reisebüros sich besser mit nachhaltigen Reisen und der Arbeit von nachhaltigen Reiseveranstaltern auskennen. Denn nur dann können sie die Kunden kompetent beraten und auch pro-aktiv nachhaltige Reisen anbieten - die nebenbei sehr oft einen viel höheren Erlebniswert beinhalten. Ziel ist es, analog zum CSR-Prozess für Reiseveranstalter ein CSR-Siegel für Reisebüros zu entwickeln.

Welche Rolle spielt die Ausbildung der Mitarbeiter beim CSR-System für Reisebüros?
Die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Reisebüros spielt die zentrale Rolle. Hinzu kommen Punkte wie die Büroökologie, wo es u.a. um Energiesparmaßnahmen und die Reduzierung des Papierverbrauchs geht. Die Schulungen sollen teilweise online erfolgen und TourCert wird als unabhängige Instanz für die Zertifizierung verantwortlich sein. Das forum anders reisen bringt sich als Impuls- und Ideengeber in die Entwicklung des Prozesses ein.

Dürfen ausgezeichnete Reisebüros auch noch konventionelle Reisen anbieten?
Ja. Nachhaltigkeit soll ein Schwerpunkt sein, der den Reisebüros neben dem Bewusstsein, etwas Gutes zu tun, auch eine Differenzierung von anderen Büros ermöglichen soll. Allerdings sind wir uns darüber im Klaren, dass die Büros von dem Verkauf von nachhaltigen Reisen alleine noch nicht existieren könnten.

Wenn Sie einen Wunsch für den Tourismussektor hätten, wie würde dieser lauten?
Auf Anbieterseite würde ich mir wünschen, dass Unternehmensverantwortung das Streben nach Gewinnmaximierung verdrängt. Aus meiner Sicht müssen nicht alle Angebote, die sich. verkaufen ließen, auch tatsächlich angeboten werden. Damit meine ich etwa Angebote wie kurze Flugreisen über das Wochenende nach Barcelona. Das ist ökologisch in keiner Weise zu vertreten. Auf Nachfrageseite wünsche ich mir aufgeklärte Verbraucher, die Reiseentscheidungen bewusst und verantwortungsvoll treffen.

Herr Reißland, wir bedanken uns für das Gespräch.

Quelle:
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 18.07.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2011 - Schöne Aussichten erschienen.
     
        
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