Tank vs. Teller?

"E10 kann Welthunger und Umweltzerstörung steigern"

Beim "Benzin-Gipfel" ging es vor allem um die Belange der Mineralölkonzerne und Endverbraucher. Umweltminister Röttgen sieht auf Nachfrage für Deutschland keine Gefahr, dass es zu einer Konkurrenz im Anbau von Pflanzen für die Ernährung und Treibstoffgewinnung kommen könnte. Dr. Detlef Virchow, Geschäftsführer des Food Security Centers der Universität Hohenheim nimmt dazu Stellung.

Mit E10 fahren wir riskant: Steigerung des Hunger- und Umweltproblems durch Tanken von Biokraftstoff.
Foto: © Gerd Altmann / Pixelio.de
Das Interview ist ein Beitrag im Rahmen des Themenjahrs 2011 "Universität Hohenheim - stark durch Kommunikation".

Herr Dr. Virchow, teilen Sie Umweltminister Röttgens Auffassung, wonach der neue Biokraftstoff in Deutschland zu keinem verstärkten Kampf zwischen Tank und Teller führen wird?

Ja und nein. Ich würde hier geographisch und von der Fristigkeit der Auswirkungen her unterscheiden. Sicherlich würde es in Deutschland oder den entwickelten Staaten auf der nördlichen Halbkugel zu keiner direkten Konkurrenz von Pflanzenanbau zur Ernährung und zur Herstellung von Ethanol kommen. Dafür hat Deutschland derzeit noch genügend brachliegende Flächen und kann momentan noch jederzeit auf dem Weltmarkt fehlende Nahrungsmittel einkaufen. Für die hiesigen Landwirte könnte zusätzlicher Anbau nachwachsender Energieträger neue Einkommensquellen erschließen. Auch erhöhte Preise für diese Pflanzen könnten einen weiteren positiven Effekt für die Landwirte mit sich bringen. Auch sehe ich kurzfristig keine dramatischen Auswirkungen.

Also keine Gefahr?

Keine unmittelbare. Mittelbar braucht jede Pflanze, die zur Ernährung der Weltbevölkerung dient, aber nicht bei uns angebaut wird, anderswo eine Anbaufläche. Hier sehe ich die Gefahr, dass sich das Problem in andere Länder verlagern wird. Das wären, wie schon bei bisherigen Problemen im Agrarsektor, vornehmlich die Entwicklungsländer. Die Tortilla-Krise in Mexiko bietet nur einen Vorgeschmack darauf, wie sich das Anbauverhalten der USA auf den amerikanischen Kontinent mittelfristig auswirken könnte.

Aber in diesem Fall gab es doch gar keinen echten Mangel an Mais für die Ernährung?

Richtig. Aber sie zeigt, dass jede Verknappung im Ernährungssektor die Spekulation auf den Märkten anfeuert - mit den bekannten Folgewirkungen für die Entwicklungsländer: Hunger und weitere Verarmung. Beispielsweise die Hungerrevolten auf Haiti auf Grund von explodierenden Preisen und einer tatsächlichen Verknappung der Nahrungsmittel zu Beginn des Jahres 2008 haben gezeigt, dass sich die Armen und Hungernden nicht mehr mit Vertröstungen abspeisen lassen.

Diese Gefahr besteht doch nicht für Deutschland?

Natürlich nicht. Aber ich empfehle zu bedenken, dass das Verhalten eines Global Players wie Deutschland Signalwirkung auf andere Länder hat. Entscheiden wir uns dafür, großflächig Ackerbauflächen für die Treibstoffgewinnung zu nutzen, dann werden andere Länder sich an unserem Beispiel orientieren und nachziehen. Und die Menschen mit schwächerer Kaufkraft, also die Armen vor allem in den Entwicklungsländern, werden ihren Bedarf an Lebensmitteln nicht mehr bzw. nicht mehr vollständig am Markt decken können.

Das heißt mit E10 fahren wir riskant?

Ja. Die deutschen Autobesitzer mögen zwar vor allem an ihre Motoren denken, aber gleichzeitig verursachen wir damit über verschiedene Wirkungsketten, dass Hunger und Armut in den Entwicklungsländern steigt - und in der Regel steigt damit auch die Umweltzerstörung. Da braut sich ein explosives Gemisch zusammen, welches nur in den seltensten Fällen so produktiv genutzt wird wie in Tunesien und Ägypten. Hinzu kommt der allgemeine Zweifel, ob mit E10 tatsächlich die Umweltbelastung hier in Deutschland reduziert werden wird. Meines Erachtens sollte es daher intelligentere Lösungen für unser Energieproblem geben als E10.

Quelle:



     
        
Cover des aktuellen Hefts

forum future economy

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.

  • Zukunft bauen
  • Frieden kultivieren
  • Moor rockt!
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
17
DEZ
2025
Lunch & Learn: Geschichten & Inspirationen zum Mitmachen
Impulse: Katrin Hansmeier, Basil Merk, Tina Teucher
online
17
JAN
2026
INNATEX
Internationale Fachmesse für nachhaltige Textilien
65719 Hofheim-Wallau
05
FEB
2026
Konferenz des guten Wirtschaftens 2026
Veränderung willkommen? Wie Wandel gelingen kann
90475 Nürnberg
Alle Veranstaltungen...
Anzeige

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Megatrends

Deutsche Einheit - deutsche Identität(en)
Christoph Quarch sieht die Zukunft in der Stärkung individueller Identitäten im Dialog mit anderen
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

FNG-Siegel: 25 Fonds der Erste Asset Management mit Bestnote ausgezeichnet

Vom Öko-Pionier zum chinesischen Familienalltag: SODASAN und Stakunft Home gestalten nachhaltiges Wohnen

So klappt's mit den Weihnachtsgeschenken – ohne Stress und Schulden

Deutschland hat kein Geldproblem, Deutschland hat ein Skill-Problem

Zuversicht und Inspiration schenken

Landesinnungsverband des Maler- und Lackiererhandwerks Berlin-Brandenburg und Zentek halten Kunststoffeimer im Kreislauf

Ab 14.12.2025 gilt der neue Fahrplan der Deutschen Bahn für 2026

Wie verbessern Skibrillen die Sicht und Sicherheit auf den Pisten

  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Global Nature Fund (GNF)
  • Engagement Global gGmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • toom Baumarkt GmbH
  • NOW Partners Foundation
  • circulee GmbH
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • TÜV SÜD Akademie
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG