inFARMING

Landwirtschaft auf dem Dach der Forschung

Die Zahl dicht besiedelter Ballungszentren wächst. Weltweit lebt mehr als die Hälfte aller Menschen in Städten. Unbebaute Flächen und Grün sind hier rar. Fassaden und Dächer können in Städten als landwirtschaftliche Nutzflächen dienen. »inFARMING« heißt das Konzept, das Landwirtschaft in urbane Räume integriert und für das Fraunhofer UMSICHT Konzepte, Materialien und Anbauprozesse entwickelt. Im Fraunhofer-inHaus-Zentrum in Duisburg soll dazu ein Prototyp entstehen.

Im Gebäudekomplex »Blue Sea Developments«, New York City, wird zurzeit ein Modell der integrierten Landwirtschaft umgesetzt.
Foto: © BrightFarm Systems
Die Stadtfarm der Zukunft: Auf dem Flachdach des fünfgeschossigen Bürogebäudes steht ein Gewächshaus zur Gemüsezucht. Die Gebäudefassade ist vollständig mit Moos bewachsen, um Feinstaub zu binden. Das Wasser wird in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwertet, der pflanzliche Abfall und die überschüssige Wärme, z. B. aus den Gebäuden als Energie genutzt. Das Haus steht mitten in der Großstadt. - Noch nicht real, aber reales Ziel der gebäudeintegrierten urbanen Landwirtschaft, dem »inFARMING«. Eine mögliche Antwort auf den Mangel an Ressourcen und ländlicher Anbauflächen infolge der schnell wachsenden Weltbevölkerung und zunehmenden Verstädterung. Fraunhofer UMSICHT hat sich zum Ziel gesetzt, Konzepte für gebäudeintegrierte Landwirtschaft auf Gebäudedächern zu entwickeln und entsprechende Techniken und Anbauprozesse zu optimieren. Auf der Konferenz »Greener Cities« in Vietnam stellte das Institut das Thema kürzlich vor.

In Deutschland gibt es rund 1 200 Millionen Quadratmeter an Flachdächern von Nicht- Wohngebäuden. Rund 360 Millionen Quadratmeter können davon für den Anbau von Pflanzen in Gewächshäusern genutzt und so rund 28 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gebunden werden. Das entspricht etwa 80 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen von industriellen Betrieben in Deutschland. Von den 11,2 Millionen. Hektar Ackerfläche in Deutschland werden rund 120 000 Hektar (2008) für den Gemüseanbau verwendet. Dies entspricht einer Produktion von 3,5 Millionen Tonnen Gemüse. In Deutschland sind laut Angaben des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung und des Umweltbundesamtes bereits 50 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsfläche versiegelt. Täglich kommen etwa 110 Hektar dazu.

Die herkömmliche konventionelle Landwirtschaft ist sehr ressourcenintensiv, neben der benötigten Fläche werden weltweit rund 70 Prozent des verfügbaren Trinkwassers verbraucht. Darüber hinaus trägt der Energieverbrauch in der Landwirtschaft mit etwa 14 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Aus heutiger Sicht ist auch kein plausibler Weg zu sehen, um zukünftig potentiell zehn Milliarden Menschen auf den Ernährungsstand zu bringen, auf dem sich heute die reiche Welt, und damit circa 1,5 Milliarden Menschen, befindet.
inFARMING bietet Ideen und Wege an, deren konkrete Vorteile in weniger Treibhausgasemissionen, einem geringeren Flächenverbrauch und -versiegelung durch Landwirtschaft, minimierten Transportkosten, innerstädtischen Grünflächen und frischeren Produkte, regional und kontrolliert direkt beim Verbraucher erzeugt, liegen.

Prototyp für das InFarming entsteht in Duisburg

Das Fraunhofer-inHaus-Zentrum in Duisburg ist die in Europa führende Innovationswerkstatt für intelligente Raum- und Gebäudesysteme. Hier wird gerade zusammen mit dem amerikanischen Partner BrightFarm Systems ein Prototyp für das inFARMING entwickelt. Die Forscher arbeiten an langfristigen Entwicklungsstrategien für die vertikale Landwirtschaft.

Als eines der an diesem Thema forschenden Fraunhofer-Institute optimiert UMSICHT Prozesse bei der Wasser- und Energieversorgung. Im Fokus stehen die integrierte Energieversorgung durch Abwärmenutzung, Photovoltaik oder auch Kleinstwindkraftanlagen auf den Dächern. Im Bereich der Wasserversorgung werden die Wasserkreisläufe geschlossen, Schmutzwasser wird mittels Pflanzen gereinigt und wieder genutzt.»Zudem entwickeln wir passende Materialien und Werkstoffe zur Isolierung und zum Brandschutz oder besonders leichte Materialkomponenten. Ebenso integrieren wir vermehrt Biokunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Weitere Schwerpunkte werden Konzepte zur optimalen Flächennutzung und Ernteunterstützung sowie zur Nachhaltigkeitsbewertung sein. Gerade für Supermarktbetreiber kann das inFARMING-Konzept ein interessanter Ansatz für die Planung zukünftiger Filialen sein«, beschreibt Projektleiter Volkmar Keuter die Aktivitäten des Instituts.

Aber auch international stößt das Konzept auf breites Interesse. Bei der Konferenz »Greener Cities« in Vietnam (Saigon, Hanoi) im Dezember 2010 im Rahmen der Deutsch-Vietnamesischen Zusammenarbeit präsentierte Fraunhofer UMSICHT sein Know-how in diesem Bereich. »Gerade in den entstehenden Megacities in Asien spielt die urbane Landwirtschaft unter dem Aspekt der Ernährungssicherheit und -gesundheit eine immer größere Rolle, die integrierte Nutzung der Ressourcen eines Gebäudes führen zu neuen Ideen und Möglichkeiten «, erklärt Simone Krause, Projektmitarbeiterin bei UMSICHT. Rund 120 Teilnehmer aus Forschungsinstituten, öffentlichen Einrichtungen und Universitäten nahmen an den Konferenzen teil. Stadtentwicklung, Umweltschutz in Städten, soziale Aspekte von Grünflächen und städtische Nutzungskonzepte waren Themen dieses erfolgreichen Austauschs mit dem Land Vietnam.

Wissenschaftler aus den Bereichen Ernähung, Energie- und Wasserwirtschaft, Ingenieure und Architekten haben bereits verschiedene Ansätze der gebäudeintegrierten Landwirtschaft umgesetzt wie zum Beispiel in Greenpark Venlo (Venlo), Science Barge (Hudson River), Green Port (Shanghai) oder Greenport India (Bangalore). Projektpartner oder Wirtschaftsunternehmen, die Interesse an der Gestaltung innovativer Lösungen für das inFARMING haben, sind eingeladen, sich dem Projekt anzuschließen und es mitzugestalten.

Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 01.03.2011

     
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