Nachhaltige Führung

Ein wesentlicher Teil nachhaltiger Unternehmensführung

Negativ-Schlagzeilen über Verfehlungen exponierter Führungskräfte in Wirtschaft, Verwaltung, Politik und anderen Bereichen schaden dem Standort Deutschland. Im Geschäftsleben führen sie zu einer seit Jahren steigenden Flut von gesetzlichen Regelungen zur Unternehmenskontrolle und -überwachung (z.B. KonTraG, COSO, BilmoG) und fördern weiter den bereits beträchtlichen Vertrauensverlust in die Führungseliten. Zweifelhafte Millionenzahlungen schüren die Neiddebatte und bringen extremen Gruppierungen Zulauf. Vorstände und Aufsichträte müssen zunehmend fürchten, in die persönliche Haftung genommen zu werden.

Emotionale Faktoren haben einen starken Einfluss auf den Umgang untereinander.
Foto: © Marko Greitschus / pixelio.de
Jost Wellensiek sagt als Insolvenzverwalter: "60 % aller Insolvenzen beruhen auf Fehlern des Managements". Dies ist nur die Spitze des Eisberges, da nicht jeder Fehler diese fatale Folge hat. Nur: Wie groß ist die unsichtbare Zone, und dies trotz bester Qualifikation, vielseitiger Erfahrung, hervorragender Beratung durch in- und externe Spezialisten?

Günther Fleig, bis 2009 Personalvorstand der Daimler AG, führt uns auf die Spur zu des Rätsels Lösung: "Die meisten Manager scheitern an verhaltensorientierten Themen". Wer also versucht, die Qualität des unternehmerischen Handelns und Entscheidens zu verbessern - und dies muss das Ziel aller Bemühungen um nachhaltige Führung sein - wird nicht umhin kommen, die wahren Ursachen für das Fehlverhalten von Führungskräften zu ergründen. Unter dem Begriff Fehlverhalten verstehen wir im weitesten Sinne die beiläufige Geste oder das der Situation nicht angemessene Wort im täglichen innerbetrieblichen Umgang, ebenso wie in der externen Öffentlichkeit, die angeblich harmlosen Kavaliersdelikte, vor allem aber kostenträchtige Fehlentscheidungen und fahrlässige oder gar vorsätzliche Rechtsverletzungen. Sogar der private Bereich bleibt nicht ausgespart und sorgt wie etwa im Falle Zumwinkel tagelang für hohe Aufmerksamkeit in den Medien.

Was also bewegt hochrangige Führungskräfte, derart risikoreiches Verhalten zu zeigen, dem oft auch die bislang so erfolgreiche eigene Karriere zu Opfer fällt, einmal ganz abgesehen von dem beträchtlichen Schaden für das Unternehmen mit all seinen Mitarbeitern? Muss nicht alles unternommen werden, um den im Spannungsfeld zwischen hohen Renditen und langfristigem wirtschaftlichem Erfolg verunsicherten Führungskräften zu helfen?
Die inzwischen von vielen Seiten beschworene Renaissance des "ehrbaren Kaufmanns" zeigt uns eine romantische Sehnsucht selbst der Profis nach Sicherheit gebender Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Die Realität sieht anders aus

Positiv-Potenzial und Negativ-Potenzial
Persönlichkeiten, die in exponierter Position Verantwortung wahrnehmen, verfügen in aller Regel über überdurchschnittlich hohe Kompetenzen u.a. in den Bereichen Intelligenz und Bildung, Gestaltungskraft und Leistungswillen, Ehrgeiz und Ambition sowie Dynamik und Standfestigkeit. Diese Eigenschaften und Merkmale bilden das Positiv-Potenzial als wichtige Voraussetzungen des Erfolges.

Längst bekannt ist, dass darüber hinaus emotionale Faktoren starken Einfluss auf unser Handeln und Entscheiden ausüben. Hier finden wir das latente Negativ-Potenzial etwa in Form von Angst, Maßlosigkeit, Engstirnigkeit, Unruhe, aber auch Eitelkeit und Misstrauen. Bereits der heilige Benedikt beschreibt in Abschnitt 16 des Kapitels 64 das Anforderungsprofil des Abtes als Führungskraft, das als Psychogramm verstanden werden kann wie auch als moralische Haltung, die ihm hilft, die Folgen seiner Entscheidungen und Handlungen auf Lebens- und Überlebensdienlichkeit, sprich Nachhaltigkeit, für sein Kloster und seine Mönche zu überprüfen.




Die Regel des Heiligen Benedikt Nr. 64,16

Er sei nicht stürmisch und nicht ängstlich, nicht maßlos und nicht engstirnig, nicht eifersüchtig und allzu argwöhnisch, sonst kommt er nie zur Ruhe.






Positiv-Potenzial und Negativ-Potenzial können äußerst unglückliche Symbiosen eingehen mit den bekannten und oft beklagten Folgen




Beispiele unglücklicher Symbiosen

  • Hohe Intelligenz und Bildung kombiniert mit Eitelkeit führt zu Überheblichkeit und Arroganz
  • Gestaltungskraft und Leistungswillen kombiniert mit Angst führt zu Machterhaltsstreben
  • Ehrgeiz und Ambition kombiniert mit Engstirnigkeit führt zu Kritikunfähigkeit
  • Ehrgeiz und Ambition kombiniert mit Maßlosigkeit führt zu Machtmißbrauch
  • Dynamik kombiniert mit Unruhe führt zu Aktionismus und Hektik





Verschärfend kommt bei exponierten Führungskräften als ein weiterer Faktor der Umfeldeinfluß hinzu. Sie stehen permanent unter hohem in- und externen Druck und entsprechender Beobachtung, seien es Organisations- und Ergebnisdruck, hohe Arbeitsintensität und zeitliche Beanspruchung, seien es Interessen der Shareholder, der Banken und Analysten, die Unwägbarkeiten der Märkte, sei es die interne wie externe Konkurrenz, um nur einige Beispiele zu nennen. Persönlich-private Belastungen wie ein Mangel an erholsamer Freizeit und entspannendem Familienleben, die sie sich um des Erfolges willen auferlegen, sorgen für zusätzliche Anspannung.

Im Zusammenwirken aller drei Faktoren ist Fehlverhalten programmiert, wie folgende Abbildung zeigen soll.




Es stellt sich die Frage, wie Führungskräfte mit diesem Dilemma umgehen. Im schlechtesten Falle gar nicht, d.h. es wird ignoriert und tabuisiert. Schwächen und Probleme dürfen Alpha-Persönlichkeiten nicht zeigen bzw. äußern. Über Merkwürdigkeiten im Verhalten wird hinweg gesehen oder sie werden geduldet, vielleicht insgeheim missbilligt, aber doch in Kauf genommen, solange die Person wirtschaftlich erfolgreich ist. Im zweitschlechtesten Falle nimmt man sich einen Coach oder Mentor, um mit Krisen zu Recht zu kommen. Coaching hat Hochkonjunktur und findet oft im Geheimen statt. Ein Coach aber hilft nur bei der Bewältigung des Dilemmas.

Echte Abhilfe schafft dagegen die Reduktion des Negativ-Potenzials, der inneren Fehlhaltungen, die im Laufe der Persönlichkeitsbildung, beginnend in der Kindheit, aber häufig auch erst im Laufe beruflichen Entwicklung (z.B. durch falsche Vorbilder) ihre Ausprägung erfahren haben. Einzig auf sie kann Einfluss genommen werden, der kontrollierte Umgang mit ihnen kann trainiert werden, sofern sie zuvor analysiert wurden. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Führung stehen wir vor drei Schritten:

  1. Sensibilisierung für das Risiko
    Natürlich dürfen und müssen erfolgreiche hochgestellte Persönlichkeiten zuweilen stürmisch - sprich: dynamisch - sein, gewiss schadet in manch schwierigen Entscheidungsprozessen auch ein wenig Ängstlichkeit nicht und bewahrt vor übereiltem Handeln. Gleiches gilt für alle anderen Merkmale. Anders verhält es sich jedoch, wenn sie zu bestimmenden Grundhaltungen werden bzw. im Rahmen der Sozialisation oder Karriereentwicklung geworden sind, sich also unterschwellig auf jedwedes Denken und Handeln der Person auswirken. Bewusstheit ist eine unabdingbare Voraussetzung, um eigenes Verhalten und das von anderen Menschen steuern zu können.

    "Hätte ich auch nur im Leisesten geahnt, dass ich morgens früh um 6:00 Uhr von der Polizei zu Hause abgeholt werde und in Untersuchungshaft komme, meinen Job verliere und noch Schadenersatzklagen meines Arbeitgebers ausgesetzt bin, hätte ich mit Sicherheit frühzeitig irgend etwas anders gemacht, d.h. rechtmäßige Problemlösungen gefunden", sagte ein Täter und zugleich Opfer des Siemens-Korruptionsskandals.
    "Er (Kai-Uwe Ricke, Ex-Telekom-Chef) selbst ...gibt zu, dass er lange geglaubt habe, das Anzapfen von Diensthandys ... sei schon in Ordnung", war in der Süddeutschen Zeitung vom 23./24.10.2010 zu lesen.
    Bedarf es weiterer Beispiele für den fehlenden, meist wohl abhanden gekommenen inneren Kompass?

  2. Analyse der inneren Fehlhaltungen
    Erfahrene Management-Diagnostiker sind hier die richtige Adresse. Mit fundierten Methoden wird ähnlich wie in Assessment Centern oder Management Audits herausgefiltert, ob und in welchem Masse die genannten Störfaktoren das Denken, Handeln und Entscheiden beeinflussen.

  3. Definition und Umsetzung individueller Maßnahmen
    Jede Persönlichkeit hat ihren eigenen Rhythmus, ihre zeitlichen Zwänge und persönlichen Vorlieben. Dem muss ein Trainingsplan Rechnung tragen, wenn er befolgt werden soll. Da es sich um erworbene Fehlhaltungen handelt, können sie auch wieder abgebaut werden (siehe Flugangst). In jedem Falle aber kann der kontrollierte Umgang mit ihnen erlernt werden, zuweilen mit viel, zuweilen mit recht wenig Aufwand. Auch hier sind die psychologisch geschulten Experten gefragt.


Fehler mit fatalen Folgen müssen nicht passieren. Nicht überall, wo gehobelt wird, fallen alle Späne auf den Boden. Es geht auch anders. Mit einer fundierten Analyse sind die oftmals extremen Risiken, die mit einer hohen Verantwortung verbunden sind, "in den Griff" zu bekommen. Zugleich werden Führungsqualität und Management-Effizienz des Einzelnen erheblich optimiert. Dies ist unter nachhaltiger Führung zu verstehen.

Führungskräfte können und sollten aus Selbstschutz und Eigennutzen lernen, mit ihren menschlich unvermeidbaren kleinen und großen Schwächen kontrolliert umzugehen. Gleichfalls sollten sie ihr nachgeordnetes Leitungspersonal hierzu motivieren, um selbst ruhiger schlafen zu können.
 
 
Von Klaus P. v. Schoenebeck

Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 09.11.2010

     
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