Thomas Rühle
Gesellschaft | Green Cities, 20.05.2025
Warum wir anders bauen müssen
Ziele für klimagerechtes und klimaangepasstes Bauen
Der Klimawandel führt zu Veränderungen des Wetters mit zunehmenden Extremereignissen und zu neuen Anforderungen an Bauweise und Stadtstruktur. Bei der Planung müssen die Ziele für klimagerechtes und klimaangepasstes Bauen gleichzeitig verfolgt werden, um zukunftsfähige, d.h. nachhaltige und widerstandsfähige Gebäude und Quartiere zu realisieren.
Im Jahr 2015 haben fast 200 Staaten bei der UN-Klimakonferenz
in Paris ein Abkommen zum Klimaschutz unterschrieben.
Sie wollen die Erderwärmung auf deutlich unter 2° C begrenzen.
Aber die bisherigen Maßnahmen reichen wahrscheinlich
nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn sich nichts
ändert, wird die Erde laut IPCC-Bericht von 2023 bis zum Jahr
2100 um bis zu 3,5° C wärmer.
Die folgenden Bereiche werden sich in Zukunft stark verändern
und beeinflussen, wie wir Gebäude, Stadtteile und
Städte bauen:- Temperatur: Es wird immer heißer und es gibt mehr Hitzewellen und Trockenperioden.
- Niederschlag: Es regnet weniger, dafür gibt es aber mehr Überschwemmungen und Hochwasser oder große Hagel und Schneemengen.
- Wind: Es kommt zu Veränderungen der globalen Luftströmungen sowie stärkeren und häufigeren Extremereignissen wie Orkane oder Tornados.
Schon bei der Planung von Städten und Gebäuden müssen
wir darauf achten, dass die Versorgung, die Gesundheit der
Menschen und ihre Lebensqualität sicher sind. Wie sehr
das Klima in einer Stadt vom Grad der Urbanisierung beeinflusst
wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Das
Stadtklima wird beeinflusst durch die Baustoffe, wie sie Wärme
speichern und Sonnenstrahlung reflektieren. Auch die
Bodenversiegelung, der Mangel an Pflanzen und geringe
Windgeschwindigkeiten spielen eine Rolle. Für Bauwerke
und die Infrastruktur sind vor allem lang anhaltende Hitzewellen,
der urbane Wärmeinseleffekt sowie Starkregen und
Hochwasser eine Gefahr. Bestandsgebäude müssen an die zu
erwartenden Veränderungen angepasst und Sanierungs- und
Modernisierungsmaßnahmen darauf ausgerichtet werden.
Rechtliche Vorgaben und Forderungen
Die Stadtentwicklung muss so gestaltet werden, dass sie
dem Vorsorgeprinzip der Deutschen Anpassungsstrategie an
den Klimawandel entspricht. So müssen Schäden durch den
Klimawandel für Menschen und die Umwelt vermieden oder
reduziert werden. Im Juli 2023 hat das Bundeskabinett den
Entwurf eines Klimaanpassungsgesetzes verabschiedet. Die
Identifikation und Analyse von Risiken ist eine unabdingbare
Voraussetzung für die Planung konkreter Maßnahmen. Der
Prozess der Untersuchung von sich ändernden Klimarisiken
aufgrund des Klimawandels ist auch Bestandteil der EU-Taxonomie.
Diese definiert die Kriterien, zu denen im Rahmen
der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) eine
Berichtspflicht für große Unternehmen mit Analyse und Bewertung
der Klimarisiken gehört. Ein physisches Klimarisiko
kann für ein System auftreten, wenn das System einer Klimagefahr
ausgesetzt ist und dafür anfällig ist (Abb. 1).
In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Aktivitäten
konzipiert, um die Akteur:innen im Bereich der Planung
bei der Analyse potenzieller Gefahrensituationen zu unterstützen
und Instrumente sowie Orientierungshilfen für
die Implementierung in der Planung bereitzustellen. Diese lassen sich fünf Phasen zuordnen
(Abb. 2).
Wie Gefahren erkennen?
Das GIS-ImmoRisk Naturgefahren ist ein geographisches
Informationssystem (GIS), das Immobilieneigentümer:
innen, Entwickler:innen und Kaufinteressierte
unterstützt, Naturgefahren wie Starkregen, Winterstürme,
Waldbrand, Erdbeben und Hitze an Immobilienstandorten
bundesweit zu bewerten. Es bietet qualitative und quantitative
Klimarisikoanalysen sowie Hintergrundinformationen
und Erläuterungen. Zusätzlich können Nutzer:innen Gefahren-
und Objektsteckbriefe erstellen sowie spezifische Informationen
und Vorsorgemaßnahmen abrufen. Das Online-Tool
wird durch den Bund unentgeltlich zur Verfügung gestellt und
ist bereits verpflichtend im Rahmen des Förderprogramms
„Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude" (QNG) anzuwenden.Die Gefährdungsanalyse hilft für die nachfolgend aufgeführten
klimatischen Veränderungen praktische Lösung
zu entwickeln.
Die Sicherstellung eines sommerlichen Wärmeschutzes
wird in Zukunft eine zunehmend signifikante Rolle spielen.
Dabei spielt der solare Wärmeeintrag durch die transparenten
Flächen des Gebäudes eine entscheidende Rolle.
Effektive Sonnenschutzmaßnahmen (z.B. Raffstores oder
Sonnenschutzverglasungen) in Kombination mit einer hohen
Speichermasse der Bauteile wie beispielsweise außen
gedämmter Massivwände reduzieren die sommerliche Hitzebelastung.
Die Verbindung von Außen- und Innenraum,
etwa durch die Nutzung von Bäumen zur Verschattung der
Fassade, bietet ein signifikantes Potenzial.
Zum Schutz vor Überflutungen bei Starkregen oder Flusshochwasser
müssen planerische, technische und konstruktive
Maßnahmen in Kombination ergriffen werden. Der
technische Hochwasserschutz auf dem Grundstück, z.B. die
Verwendung von Dammbalkensystemen, ist nur in Verbindung
mit konsequenten planerischen Maßnahmen erfolgreich.
Zu den relevanten Planungsschritten zählen beispielsweise
die Vermeidung von Geländeneigungen zum Gebäude
sowie die Vermeidung bodengleicher,
ebener Eingänge zum
Schutz vor Hochwasser infolge
Starkregens.
Synergetischer Effekt verschiedener
Maßnahmen
Die Kombination verschiedener Anpassungsmaßnahmen
führt zu einem synergetischen Effekt. So tragen Retentionsdächer
bei Starkregen nicht nur zu einer effektiven Wasserspeicherung
und Abflussverzögerung bei, sondern auch zur
Kühlung des Gebäudes und seiner Umgebung durch ihre
erhöhte Verdunstungsleistung. Gleiches gilt für die Entsiegelung
von Vegetationsflächen auf dem Grundstück.
Die konkreten Maßnahmen am Gebäude sind oftmals einfach
umzusetzen, insbesondere dann, wenn sie frühzeitig in
der Planung berücksichtigt wurden. So muss beispielsweise
die Konstruktion einer Außenwand so beschaffen sein, dass
sie den potenziellen Schaden, der durch erhöhte Lufttemperatur,
Sonneneinstrahlung, Schlagregen, Sturm und Hagel
verursacht werden kann, verhindert oder im Schadensfall
eine unkomplizierte und zeitnahe Reparatur ermöglicht. Die
Fassadenoberfläche muss einen adäquaten Hagelwiderstand
aufweisen, der beispielsweise bei einer Putzfassade durch
das Putzsystem (mit Putzdicke, Zugfestigkeit etc.) bestimmt
werden kann. Alternative Fassadenaufbauten wie etwa der
Einsatz einer widerstandsfähigen Vorsatzschale bieten in
diesem Zusammenhang einen Vorteil.
Thomas Rühle: Dipl.-Ing. Bauingenieurwesen, ist Prokurist im Öko-Zentrum NRW. Seine
Schwerpunkte sind die Entwicklung von Nachhaltigkeitskonzepten, Koordination
und Nachhaltigkeitszertifizierung nach DGNB/BNB, bau- und
materialökologische Beratung, Ökobilanzierung. Er ist DGNB-Senior-Auditor und Koordinator Nachhaltiges Bauen gem. BNB (Öko-Zentrum
NRW) sowie Mitglied des DGNB-Beirats für Schad- und Risikostoffe.
Jonas Rütter: B.Sc., Ing. Raumplanung, M.Sc., Ing. Stadt- und Regionalentwicklung,
ist Berater und Teamleiter im Öko-Zentrum NRW. Seine Schwerpunkte
sind Klimafolgenanpassung und kommunale Wärmeplanung. Er ist
Referent „Wärmewende in der Praxis" und Mitglied der Vereinigung
für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Dieser Artikel ist in forum 03/2025 - Der Wert der Böden erschienen.
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