Öko-soziale Beschaffung von Textilien im Gesundheitswesen
Im Gespräch mit Jil Carmen Holtbernd, Projektleiterin Nachhaltige Beschaffung bei FEMNET e. V.
Die Auswirkungen des deutschen Gesundheitswesens auf Ökosysteme, Klima und Gesellschaft rücken zunehmend in den Fokus von Politik, Wissenschaft und Praxis. Ein zentraler Ansatzpunkt, um Mensch und Umwelt zu schützen, ist eine nachhaltige Textilbeschaffung. Diese Praxis geht über die bloße Steigerung der Kosteneffizienz hinaus, indem sie wesentlich zur Implementierung des Planetary Health-Konzeptes beiträgt.
Frau Holtbernd, welche Rolle spielt die Textilbeschaffung im Rahmen des Planetary Health-Konzeptes?

Welche Risiken für Mensch und Umwelt birgt die Textilproduktion?
Die Textil- und Bekleidungsindustrie gilt als Hochrisikobranche. Das bedeutet, dass ökologische wie soziale Probleme auf sämtlichen Stufen der textilen Lieferkette relevant werden. Der konventionelle Herstellungsprozess ist mit einem hohen Wasser- und Energieverbrauch, dem Ausstoß von CO?-Emissionen sowie dem Einsatz von Chemikalien verbunden. Hinzu kommen soziale Herausforderungen wie prekäre Arbeitsbedingungen in der Konfektion. Besonders betroffen von den Folgen der Textilproduktion sind Frauen, da diese den Großteil der Beschäftigten ausmachen.
Inwiefern kann eine nachhaltige Textilbeschaffung zu einer öko-sozialen Transformation des Gesundheitswesens beitragen?
Ökologisch nachhaltige Textilien demgegenüber reduzieren Umweltbelastungen und zeichnen sich durch eine umweltschonende Produktion aus. Aus ökologischer Perspektive empfiehlt es sich, Naturfasern aus kontrolliert biologischem Anbau und Chemiefasern aus recycelten Materialien zu bevorzugen. Materialien wie Bio-Baumwolle, recycelte Polyesterfasern oder Lyocell minimieren den Einsatz von Pestiziden sowie den Verbrauch von Wasser und fossilen Ressourcen. Die soziale Dimension nachhaltiger Textilien umfasst existenzsichernde Löhne, verbesserte Arbeitsbedingungen und den Gesundheitsschutz von Arbeiter*innen entlang der Lieferkette. Als grundlegender Standard sollten in diesem Zusammenhang die ILO-Kernarbeitsnormen berücksichtigt werden.
Nicht nur bedarf es jedoch der Minimierung produktionsbedingter Auswirkungen, auch die Nutzungs- und Nachnutzungsphase von Textilien muss in den Blick genommen werden. So haben bspw. die Art und Weise, wie und wo Textilien gewaschen werden, einen erheblichen Einfluss auf die Langlebigkeit und damit den ökologischen Fußabdruck des Produkts. Länder wie Dänemark, Schweden oder Norwegen gehen bereits mit gutem Beispiel voran und verdeutlichen, dass eine umweltfreundliche Waschung nicht unbedingt in Konkurrenz zu Mindesthygienestandards stehen muss. Zudem sollte bei Textilien auf Recyclingfähigkeit gesetzt werden, da derzeit lediglich ein Prozent aller Textilien in der Europäischen Union wieder in den Textilkreislauf zurückgeführt werden. Gründe dafür sind neben einer geringen Haltbarkeit, die Vielfältigkeit der Fasermischungen und fehlende Technologien.
Welche weiteren Vorteile bietet die Verankerung ökologischer wie sozialer Kriterien im Beschaffungsprozess?
Durch die Bereitstellung nachhaltiger Textilien können Einrichtungen des Gesundheitswesens Mitarbeitenden darüber hinaus ihre Wertschätzung entgegenbringen. Denn in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels kann die Wahl nachhaltiger Berufsbekleidung zuverlässig vor Hitze und UV-Strahlung schützen. Auch fördert eine nachhaltige Beschaffung von Flachwäsche Vertrauen gegenüber Patientinnen wie Patienten und stärkt die unternehmerische Reputation. Krankenhäuser, ambulante Pflegeeinrichtungen oder Arztpraxen können eine öko-soziale Beschaffung folglich nutzen, um sich über das eigene Kerngeschäft hinaus wirkungsvoll für eine öko-soziale Transformation im Sinne der planetaren Gesundheit einzusetzen.
Danke für das Gespräch!
Aufruf:
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Jil Carmen Holtbernd unterstützt im Rahmen des Projektes Fair Wear Works bei der Frauenrechtsorganisation FEMNET e. V. Gesundheitseinrichtungen auf ihrem Weg zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Textileinkauf.
Kontakt: FEMNET e.V., Sabine Kaldonek | sabine.kaldonek@femnet.de | www.femnet.de
Umwelt | Ressourcen, 28.02.2025

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