China nimmt ersten großen Natrium-Ionen-Speicher in Betrieb
Die logische Folge der ersten Autos mit Natrium-Batterien
China hat am 11. Mai einen 10-Megawattstunden-Batteriespeicher aus Natrium-Ionen-Akkus in Betrieb genommen. Die Speicheranlage in Nanning im autonomen Gebiet Guangxi im südwestlichen China enthält mehr als 22.000 Natrium-Ionen-Batteriezellen und ist laut heise.de der wohl erste größere Batteriespeicher aus Natrium-Ionen-Zellen weltweit. Das berichtete zuerst das Branchenmagazin "CnEVpost".
Fast 90 Prozent der Patente im Zusammenhang mit der Natrium-Technologie kämen bisher aus China, sagt Martin Oschatz vom deutschen Fraunhofer Institut für keramische Technologien und Systeme (IKTS). Das Land bei dieser Entwicklung einzuholen, liege kurzfristig nicht mehr drin.
Die Nachricht kommt nicht ganz unerwartet. Bereits im Februar 2023 hatte das chinesisch-deutsche Unternehmen JAC ein Auto vorgestellt, das mit Natrium-Ionen-Akkus fährt ("Infosperber" berichtete). Seit Ende 2023 wird das Modell in Serie gebaut. Auch andere chinesische Hersteller wie BYD und CATL arbeiten an Natrium-Akkus und planen Kleinwagenserien. Der Bau einer großen Speichereinheit war die logische Folge.
Es geht vor allem um den Preis
Natrium-Ionen-Akkus funktionieren wie gebräuchliche Lithium-Ionen-Akkus. Sie nutzen lediglich ein anderes Alkalimetall als Kathode, was sich vor allem auf den Preis auswirkt. Natrium ist günstig und kommt quasi überall vor, zum Beispiel in Kochsalz (Natriumchlorid) oder Soda (Natriumcarbonat).Das ist ein unbestreitbarer Vorteil bei steigender Nachfrage nach Speichertechnologien. Der europäische Markt für Batteriespeicher ist im vergangenen Jahr um mehr als 90 Prozent gewachsen. Unter anderem deshalb, weil mit dem Ausbau erneuerbarer Energien auch die Angst vor der Dunkelflaute kam (die bisher eher unbegründet war).
Weniger konfliktbeladen, sicherer und weniger brennbar
Natrium-Ionen-Akkus benötigen weniger heikle Materialien als Lithium-Akkus. Neben Lithium, das auf ökologisch fragwürdige Weise gewonnen wird, auch kein Kobalt und kein Mangan, die aus zweifelhaften Quellen stammen können. Nickel lässt sich durch Aluminium ersetzen. Laut dem deutschen Energieversorger EnBW sind Natrium-Ionen-Zellen auch einfacher zu recyceln.Ihr Makel ist die geringere Energiedichte. Was aber von einer anderen Eigenschaft wieder wettgemacht wird: Natrium-Akkus sind weniger temperaturempfindlich. Das heißt, sie bringen bei niedrigen und hohen Temperaturen eine höhere Leistung als ihre Lithium-Pendants. Die Gefahr, dass sie in Flammen aufgehen, ist ebenfalls geringer. Für große Energiespeicher, in denen es auf Sicherheit und Kosten eher ankommt als auf den Umfang, sind sie deshalb gut geeignet.
Ohne Klimamanagement, welches die Temperaturdifferenz zwischen den Zellen in Nanning auf drei Grad begrenzt, geht es aber auch in China nicht. Laut China Southwest Power Grid sind die 210-Ah-Batteriezellen in Nanning unter diesen Umständen in zwölf Minuten zu 90 Prozent aufgeladen. Die Pilotanlage in Nanning ist dabei noch eher klein. Sie soll in weiteren Schritten auf 100 Megawattstunden aufgestockt werden. Schlussendlich soll sie 73.000 Megawattstunden Strom im Jahr liefern, 35.000 Privatkunden versorgen und mit sauberem Strom jährlich 50.000 Tonnen CO2 einsparen.
Deutlich günstiger als Lithium-Batterien
Laut China Southwestern Power Grid könnten die Natrium-Zellen um 20 bis 30 Prozent günstiger sein als Lithium-Ionen-Akkus, wenn sie großtechnisch hergestellt würden. Die EnBW geht in ihrem Blog sogar von einem Natrium-Speicher aus, der um 40 Prozent weniger kostet als gängige Lithium-Einheiten.
Dennoch sieht das IKS gute Chancen für die europäische und deutsche Industrie. Grundlagenforschung, technisches Know-how sowie Infrastruktur für die Produktion und den Betrieb von Natrium-Ionen-Batterien seien in Europa vorhanden. In dem Projekt 4NiB (Vier-Volt-Na-Ionen-Batterie) arbeiten mehrere Partner an der Entwicklung von Natrium-Batterien, die auch ohne Kupfer und Grafit auskommen sollen. Stattdessen werden nachwachsende Rohstoffe oder Bioabfälle verbaut.
Wegen Energiewende dringend gesucht: Speicherkapazität
Der Bedarf jedenfalls ist da. Dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme zufolge sind allein in Deutschland Batteriespeicher mit einer Gesamtkapazität von fast 14 Gigawattstunden am Netz, mit einer Leistung von 9,5 Gigawatt – der Großteil davon Kleinspeicher für Privathaushalte. In der Schweiz wird laut Swissolar jede dritte PV-Anlage in einem Einfamilienhaus mit einem Batteriespeicher ausgerüstet. Das Verkaufsvolumen von Batteriespeichern stieg in den vergangenen Jahren stetig an.Nicht nur Einfamilienhäuser brauchen PV-Speichermedien, auch die Automobilindustrie braucht sie, Windparks brauchen sie und Kraftwerksbetreiber ohnehin. Finanziell ist es zudem verlockend, in windstillen Nächten Speicherstrom zu verkaufen.
Die Betreiber sollten sich aber wohl beeilen, denn Batteriestrom wird immer günstiger. 1991 habe eine Kilowattstunde Speicherkapazität noch mehr als 7500 US-Dollar gekostet, listet der Spiegel-Online-Kolumnist Christian Stöcker auf. 2018 seien es noch 181 Dollar gewesen, im November 2023 dann 139 Dollar. Eine Prognose von Goldmann Sachs Energy prognostiziere für 2025 einen Preis von 99 Dollar pro Kilowattstunde.
Intensive Forschung an Speichertechnologien
Stöcker weist auf mehrere Batterie-Großspeicher hin, die in Deutschland derzeit geplant oder gebaut werden. Vorzugsweise dort, wo Kraftwerke stehen oder standen, denn der Bau von Strominfrastruktur ist langwierig und teuer. Auch andere europäische Länder planen große Speichereinheiten. Fachleute der EU und die Internationale Energieagentur (IEA) drängen auf einen raschen Ausbau der Speicherkapazität.In der Schweiz wird intensiv an Speichertechnologien geforscht, zum Beispiel an den beiden ETH. Die Speicherseen allein können den zukünftigen Bedarf nicht decken. Im Fokus stehen Power-to-X-Technologien, bei denen Strom in lagerbare, energiereiche Stoffe wie Ammoniak oder Wasserstoff umgewandelt wird, und die Verbesserung der Lithium-Batterie. Bis zur Marktreife könne es allerdings noch Jahre dauern, berichtete "Watson" im vergangenen Jahr.
Daniela Gschweng
Quelle: Infosperber. Mit freundlicher Genehmigung.
Technik | Energie, 15.09.2024
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