Grüne Logistik ist Kopfsache

Schritt für Schritt zur Nachhaltigkeit


Heike Flämig, TU Hamburg-Harburg
Klimawandel, Ressourcenendlichkeit und sozial verträgliche Arbeitsbedingungen entwickeln sich immer mehr zu wichtigen Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns. Gesetzliche Vorgaben, ein verändertes Konsumverhalten und die Forderung nach mehr Transparenz des Wirtschaftens durch Kunden, Finanzmärkte und Versicherer verlangen von den Unternehmen, sich verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Als Treibhausgas Nummer eins beschäftigt derzeit insbesondere CO2 die Unternehmen. Allein auf den Verkehrssektor entfallen rund 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland. Vor dem Hintergrund des erwarteten weiteren Anstiegs des globalen Welthandels und damit des Transportaufwandes im Güterfernverkehr mit den entsprechenden Umweltfolgen besteht hier erheblicher Handlungsbedarf.

Die Politik hat bereits die Probleme erkannt, die der Transportsektor hervorruft, und eine Vielzahl von legislativen Maßnahmen auf europäischer Ebene umgesetzt. Exemplarisch sei die seit dem 1. Januar 2005 geltende Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie genannt, in deren Folge die Kommunen erhebliche Zugangsbarrieren für die Logistik eingerichtet haben. Ab dem Jahr 2010 sind zusätzlich verschärfte Grenzwerte für weitere Luft- und Lärmemissionen zu erwarten. Zudem ist davon auszugehen, dass zukünftig auch transportintensive Branchen in das Europäische Emissionshandelssystem einbezogen werden. Auf europäischer Ebene wird - entsprechend dem Energieeffizienzlabel - über die Einführung eines Transporteffizienzlabels nachgedacht. Dies macht gerade von Seiten der transportintensiven Branchen proaktives Handeln erforderlich, um langfristig am Markt operieren zu können.

Konsumenten, Stakeholder, aber auch Shareholder verstärken ihre Forderungen nach einer höheren Transparenz, wie das Carbon Disclosure Project zeigt. Das Interesse beschränkt sich nicht mehr nur auf den jeweiligen Beitrag des einzelnen Unternehmens zu den Treibhausgasemissionen. Vielmehr gibt es einen deutlichen Trend zu einer produktbezogenen Wertschöpfungskette, also Transparenz via Carbon Footprint, über Eco Design bis hin zum Life Cycle Approach from Analysis to Management. Das bedeutet, dass die traditionell in Umweltmanagementsystemen angelegte innerbetriebliche Betrachtung auf alle Prozesse in der Wertschöpfungskette ausgeweitet werden muss, da es nur so möglich ist, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft aufzubauen.

Erster Schritt: Bilanzierung aller Effekte

Zunächst muss die Bilanzierung institutionell, operativ, räumlich und zeitlich abgegrenzt werden. Den klassischen Einstieg bildet die Bilanzierung der eigenen Prozesse, wie sie im Rahmen von Umweltmanagementsystemen, also ISO 14.001 oder EMAS, vorgesehen ist. Da es für die Bilanzierungsregeln und -prinzipien sowie die Emissionsfaktoren und Indikatoren noch keine Standardisierung gibt, sind die gewählten Indikatoren beispielsweise anhand der Global Reporting Initiative (GRI) auszuwählen und ihre Ermittlung in der Berichterstattung auf jeden Fall offenzulegen.

Eine besondere Herausforderung ist es, die logistischen Prozesse zu bilanzieren, die häufig nicht auf eigene Rechnung durchgeführt werden und so bisher meist aus den Bilanzierungsgrenzen herausfallen. Erwartet wird allerdings, dass Unternehmen zukünftig über den so genannten Scope 1 hinaus alle durch ihr Wirtschaften ausgelösten Ressourcenverbräuche und Umweltwirkungen zu bilanzieren haben.

Zweiter Schritt: Risikobewertung, Zieldefinition und Strategieplanung

Aus der Sicht der logistikintensiven Branchen bedeutet dies, dass die wichtigsten Logistikprozesse identifiziert, einer Risikobewertung unterzogen, Ziele gesetzt und alternative Strategien entwickelt werden müssen. Denn die Bilanzierung selbst bringt noch keine substanzielle Verbesserung. Sich Ziele zu setzen, hilft letztlich, Risiken zu managen und zu minimieren. Indem die Firma entsprechende Strategien umsetzt, kann dies Kosten reduzieren und Innovationen stimulieren. Nicht zuletzt ist das Unternehmen dadurch auf zukünftige Regulierungen besser vorbereitet.
Über die Umweltwirkungen logistischer Prozesse entscheiden vor allem die Menge, das Gewicht, das Volumen und die Form der zu transportierenden Güter, die Entfernungen sowie das gewählte Transportmittel beziehungsweise der Verkehrsträger.

Dritter Schritt: Prüfung aller Varianten und Entscheidungen

Damit wird deutlich, dass auf Seiten von Handel und Industrie die Strategien mit wesentlichem Reduktionspotenzial in folgenden Bereichen liegen:

  • Standort- und Lagerhaltungspolitik
  • Produkt- und Sortimentspolitik
  • Beschaffungs- und Distributionspolitik

Durch diese Unternehmensentscheidungen werden die wesentlichen Parameter bestimmt, wie Entfernungen, intermodale Erschließung, Stapelbarkeit, Recyclingfähigkeit und regionale Kreisläufe.

Das Handlungsspektrum der Logistikdienstleister umfasst in erster Linie eine ökoeffiziente Fahrzeugnutzung wie beispielsweise die Bündelung von Kapazitäten, die Routen- und Tourenplanung, um Leerfahrten zu vermeiden, oder die Fahrpersonalschulung für eine umweltbewusste Fahrweise. Außerdem können in Zusammenarbeit mit den Herstellern Aggregate technisch optimiert und Transporte auf umweltschonendere Verkehrsträger verlagert werden.
Eine Ladungsbündelung über Unternehmensgrenzen hinaus können die Logistikdienstleister nur anregen. Die Grundlagen zur Bündelung müssen Handel und Industrie jedoch selbst legen, indem sie ihre Verträge so umstellen, dass auch die Waren eines Mitbewerbers vom Transporteur mitgenommen werden dürfen.

Diese beispielhaften Handlungsoptionen zeigen, dass es nicht nur bei einer rein technischen "End-of-Pipe"-Optimierung bleiben darf, sondern dass Prozesse, Strukturen und Produkte auch grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen, wenn ein Unternehmen langfristig am Markt agieren will. Nur so können auch zukünftig der Unternehmenserhalt und eine dauerhafte Versorgungssicherheit und Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und damit letztlich der Gesellschaft gewährleistet werden.

Netzwerkgedanke und Nachhaltigkeit - eine Frage der Ausbildung

Die Vernetzung von Unternehmen setzt voraus, dass die Entscheidungsträger in den Unternehmen die anstehenden Herausforderungen ganzheitlich sehen. Hier muss also bereits in der Ausbildung angesetzt und ein Perspektivwechsel vollzogen werden: weg von einem einzelwirtschaftlichen, unter ökonomischen Kriterien optimierten Unternehmenshandeln und hin zu einer gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmensführung. Die Komplexität des Sachverhaltes macht deutlich, dass dies nur bei einer fundierten interdisziplinären Ausbildung funktionieren wird, bei der "Soft Skills" wie Teamfähigkeit und International Culture selbstverständlich sind. Daran orientieren sich beispielsweise schon die Studiengänge der Kühne School an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken vertraut gemacht werden dort Master-Kandidaten beispielsweise durch die Vorbereitung von Case-Studies zum LOTOS-Projekt, das aktuell in Kooperation mit der Tchibo GmbH läuft. Ziel des vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt geförderten Projektes ist es, logistische Prozesse unter Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien zu optimieren.



Klaus-Michael Kühne, Präsident des Stiftungsrats

Die Kühne Stiftung

"Es ist ein besonderes Anliegen der Kühne-Stiftung, in die universitäre wie auch in die berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung von Logistikfachkräften zu investieren und die Attraktivität dieses Berufsbildes zu erhöhen. Mein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Engagement befriedigt mich sehr, es stellt einen wesentlichen Teil meiner sozialen Verantwortung als Unternehmer und Stifter dar. Zudem kann ich in der Gesellschaft etwas bewegen und dabei gemeinnützig wirken."

Die gemeinnützige Kühne-Stiftung wurde im Jahr 1976 von der Familie Kühne gegründet. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Aus- und Weiterbildung sowie der Wissenschaft auf den Gebieten der Verkehrswirtschaft und Logistik; darüber hinaus die Unterstützung der medizinischen Wissenschaft und die Förderung humanitärer, karitativer und kultureller Vorhaben.

Förderprojekte der Kühne-Stiftung:

Schweiz
  • Vierjährige Anstoßfinanzierung für das Kühne-Institut für Logistik an der Universität St. Gallen, Initiierung von drei Executive MBA-Studiengängen für Logistikmanagement mit dem Hochschulpartner

  • Finanzierung eines Stiftungslehrstuhls für internationales Logistikmanagement an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich


Deutschland
2001
Errichtung des Kompetenzzentrum zur Forschungsförderung in der betriebswirtschaftlichen Logistiklehre an der WHU-Otto-Beisheim School of Management; 2005: Einrichtung eines Stiftungslehrstuhls für Logistikmanagement

2004
Engagement an der Technischen Universität Hamburg-Harburg zur Gründung der Hamburg School of Logistics - heute Kühne School of Logistics and Management - mit Angebot eines einjährigen Vollzeit-MBA. Dank der persönlichen Großspende von Klaus-Michael Kühne kann dort nun das Studienangebot zügig ausgebaut werden.

2005
Förderung des Forschungsbereichs Logistik an der Technischen Universität Berlin.

China
2007
In Kooperation mit der TU Berlin Gründung des Lehrstuhls für Internationale Logistiknetzwerke und Services an der Tongji-Universität Shanghai


Mehr Informationen:
www.kuehne-stiftung.org









Im Profil

Univ-Prof. Dr.-Ing. Heike Flämig ist seit 2006 Professorin für Transportketten und Logistik an der TU Hamburg-Harburg und der Kühne School of Logistics and Management. Im gleichen Jahr wurde sie Fellow am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW, für das sie in diversen Funktionen insgesamt über zehn Jahre tätig war. 1999 wurde sie Fellow des J.J. McCloy-Fund of the American Council on Germany, New York, für das Forschungskonzept "Green Freight: Logistics, Urban Development and the Environment".

Technische Universität Hamburg-Harburg
Institut für Verkehrsplanung und Logistik
21071 Hamburg
Telefon +49 (0)40/ 4 28 78 - 39 07
Fax +49 (0)40/ 4 28 78 - 27 28
E-Mail flaemig@tu-harburg.de

Quelle:
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 11.12.2008

     
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