Für ein neues Zeitalter von Unternehmertum?! - Wege in ein Resonanz-Unternehmertum. 11. bis 13. Juni 2024

Jenseits von CO2 dem Klima auf der Spur

Der aktuelle Kommentar von Marcus Ringhausen

Fast alle Wissenschaftler, unabhängig davon ob sie dem Mainstream der Klimawissenschaft anhängen oder nicht, stimmen darin überein, dass sich die Erde in den kommenden Jahrzehnten weiter erwärmen wird. Dennoch bestehen bei der Klimathematik noch Wissenslücken und Unsicherheiten. Eventuell müssen wir unser Wissen über das Klima erweitern.
 
Um unseren Einfluss auf das Klima besser zu verstehen, müssen wir viele Faktoren betrachten, sagt Marcus Ringhausen. © rawpixel.com, freepik.comDie Tatsache, dass das Thema Klima mit hoher politischer Bedeutung aufgeladen ist, und der berechtigte Wunsch, mögliche Katastrophen durch entsprechende Maßnahmen zu verhindern, dürfen nicht dazu führen, dass wir uns neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Debatten verschließen. Auch die pauschale Unterstellung, dass jedwede Aussage, welche den menschlichen Einfluss auf das Klima relativiert, Propaganda im Sinne der Industrie sei, hilft hier nicht weiter; sie darf nicht zum Totschlagargument für eine ergebnisoffene Wissenschaft werden.
 
Im Spannungsfeld zwischen politischer Dringlichkeit und wissenschaftlicher Unsicherheit
Niemals darf es darum gehen, die Dringlichkeit von Umweltschutz, die Dringlichkeit eines generellen Wandels hin zu einer nachhaltigen, ökologischen und gerechten Wirtschaft als solchen zu relativieren. Worum es vielmehr geht, ist, die Politik mit möglichst wissenschaftsbasierten Erkenntnissen zu konfrontieren, um uns nicht mit möglicherweise unrealistischen Zielen zu überfordern.
 
Tatsache ist, dass viele Wissenschaftler Zweifel darüber haben, dass wir den menschlichen Einfluss auf das Klima eindeutig kennen. Laut Dr. Gavin Schmidt, Leiter NASA GISS, sind bisher nur circa 40 Prozent des Klimaphänomens verstanden. Professor Dr. Jochem Marotzke vom MPI in Hamburg kam zu dem Ergebnis, dass die CO2-Sensitivität der CMIP-Klimamodelle des IPCC zu hoch ist. In diesen Modellen werden die Prognosewerte von führenden Klimamodellen zusammengefasst.
 
Es gibt auch Hinweise, dass vorhandene Klimamodelle in ihren Prognosen zu vage sind. Ein Blick auf vergangene Prognosen bekräftigt diese Annahme. So hat etwa die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) für 2023 ein trockenes bis sehr trockenes Jahr vorausgesagt. Tatsächlich war 2023 eines der regenreichsten Jahren seit dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880. Ebenfalls musste der IPCC schon mehrfach grobe Fehler bei seinen Prognosen zugeben.
 
Sind die Ziele zu hoch?
Der bekannte Klimaforscher Professor Dr. Mojib Latif hat Ende letzten Jahres in der Presse wiederholt bekannt gegeben, dass das 1,5°C-Ziel ein großer Fehler gewesen sei. Von vorn herein sei es unrealistisch gewesen, es zu erreichen. Latif fordert deshalb mittlerweile eine Abkehr von diesem Ziel. Sollte Latif recht haben – wäre die Klimabewegung offen für eine Korrektur? Wäre sie überhaupt offen für eine freie Debatte darüber? Oder würde die bittere Erfahrung, dass die Politik ohnehin zu wenig tut, dazu führen, dass man lieber ein zu hoch gestecktes Ziel aufrecht erhält, um ein Druckmittel zu haben?
 
Freilich: Selbst wenn das Klimaziel unerfüllbar sein mag, haben die meisten Maßnahmen, die im Sinne dieses Ziels getroffen werden, einen positiven Effekt. So verbessern diese meistens auch die Luft, vermindern Abfall, Verkehr und Umweltverschmutzung. Andererseits sollen laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Kosten für die Klimaneutralität bis 2045 für Deutschland bei fünf Billionen Euro (plus X) liegen. Auf globaler Ebene würde es vermutlich einen dreistelligen Billionenbeitrag kosten. Dass solche Kosten unsere Gesellschaft überfordern könnten, ist nicht schwer vorstellbar.
 
Allein schon deshalb müssen wir in unseren Zielsetzungen möglichst realistisch bleiben. Und das beinhaltet, dass wir die Anhaltspunkte nicht ignorieren dürfen, wonach der menschliche Anteil am Klimaphänomen möglicherweise kleiner ist als bisher angenommen, wenn man alle relevanten natürlichen Faktoren adäquat berücksichtigt.
 
Natürliche Einflüsse auf das Klima
Einer dieser Anhaltspunkte ist die Tatsache, dass es in der Erdgeschichte immer wieder Warmzeitperioden gab. So war es vor 6000 bis 8000 Jahren wärmer als heute. Zudem gab es eine römische sowie eine mittelalterliche Warmzeit. Einige Wissenschaftler, darunter Lobbyisten der Ölbranche, haben lange Zeit vermutet, dass die astrophysikalischen sogenannten Milankovic Zyklen der Haupttreiber der vergangenen und heutigen Klimaveränderungen sind. Es handelt sich um drei unterschiedlich langlaufende Faktoren: Um Änderungen in der Neigung der Erdachse, Änderungen in der Exzentrizität der Erdumlaufbahn um die Sonne und schließlich um die sogenannte Präzession der Erdrotationsachse (trudelnder Kreisel). Die Entdeckung dieser Milankovic Zyklen haben auch tatsächlich zu einem vertieften Verständnis des Ablaufs von Eiszeiten und interglazialen Warmzeiten geführt. Allerdings hat sich gezeigt, dass sie in unserer aktuellen Zeit nur eine untergeordnete Rolle spielen.
 
Ein anderer Punkt, der für die Berücksichtigung anderer Einflüsse auf das Klima spricht: Das arktische Sommer-Meereis, das im Jahr 2012 ein Minimum erreicht hatte, hat sich entgegen der öffentlichen Wahrnehmung in den folgenden Jahren erholt. So ist es auf der Homepage der NSIDC (National Snow and Ice Data Center) nachzulesen. Auslöser für das Minimum war unter anderem ein sogenannter extratropischer Zyklon, der vom Kaspischen Meer bis zum Arktischen Ozean hochgelaufen war. Er hatte das dünne Polareis mit bis zu fünf Meter hohen Wellen zerschlagen und damit zu einen Zustrom von warmem Wasser aus dem Pazifik beigetragen, der zusammen mit einer stärkeren Sonneneinstrahlung zum Abschmelzen der Eistrümmer führte. Der Zyklon wurde vermutlich Mitte Juli 2012 durch ein außergewöhnliches Ereignis in der Sonne-Erde Beziehung erzeugt.
 
Solche außergewöhnlichen Ereignisse, wie beispielsweise Koronale Massenejektionen und Hochgeschwindigkeits-Sonnenwindströme, sind auch eine Ursache für Hitzewellen in Europa. Wenn sie als interplanetarische Magnetfelder die Atmosphäre der Erde erreichen, verschieben sie den Jetstream nach Norden. Dadurch gelangt heiße Luft aus der Sahara nach Deutschland. Die Hitze reduziert die Vitalität und Aktivität vieler Menschen – aber sie ist, nebenbei gesagt, nicht der Hauptgrund für die einhergehenden Todesfälle von Senioren. Was den älteren Menschen primär zu schaffen macht, sind die Änderungen im Magnetfeld. Diese haben unter anderem Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und können bei kranken Menschen zum Tod führen. Zusätzlich bauen geomagnetische Stürme temporär die Ozonschicht ab und fördern damit eine starke Sonneneinstrahlung.
 
Generelle geophysikalische Faktoren, die klimarelevant sein können, sind unter anderem die Migration der Südatlantischen Anomalie und Änderungen in der Stärke des Geodynamos. Klimarelevante, geoeffektive astrophysikalische Faktoren sind unter anderem Änderungen in der Energie des Solarwindes, geomagnetische Stürme und Gravitationswellen.
 
Menschliche Einflüsse jenseits von CO2
Einige Forscher versuchen inzwischen, durch ganzheitliche Betrachtungen Durchbrüche zu erzielen. Denn auch wenn wir die Annahme aufrecht erhalten, dass allein der Mensch für den momentanen Klimawandel verantwortlich ist, gibt es immer noch Anhaltspunkte, dass hierbei nicht CO2 allein eine Rolle spielt. Kohlendioxid hat beispielsweise nur ein Treibhauspotenzial von 1 und ist damit auf der Skala das schwächste Treibhausgas. (Wasserdampf hat beispielsweise ein Treibhauspotenzial von 21.) Der Anteil von CO2 in der Atmosphäre beträgt nur 0,04 Prozent. Als Rohstoff für die Photosynthese trägt es zur Sauerstoffproduktion und damit indirekt auch zur Kühlung der Erdoberfläche bei.
 
Zudem können zum Beispiel Änderungen in der Vegetation das Klima beeinflussen. Dazu gehören unter anderen die Desertifikation, die Rekultivierung von ausgetrockneten Böden, die Abholzung des Regenwaldes und der Anbau von Plantagen auf früheren Regenwaldflächen.
 
Die Modelle sollten erweitert werden
Marcus Ringhausen © privatGrundsätzlich ist es für die Entwicklung eines leistungsfähigen, realistischen Klimamodells notwendig, alle Faktoren möglichst vollständig zu erfassen und vernetzte Prozesse auf transparente Weise darzustellen. Deshalb müsste der IPCC seine CMIP-Modelle um weitere Einflussfaktoren ergänzen, wie zum Beispiel die erwähnten Änderungen in der Vegetation und die Änderungen von geo- und astrophysikalischen Faktoren.
 
Auf diese Weise könnten wir in der Lage sein, das Klimaphänomen zu mehr als 95 Prozent zu verstehen; wir könnten den prozentualen Anteil des Menschen wissenschaftlich exakt ermitteln und genauere Prognosen erstellen. Dann wird es möglich sein, Klimaschutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.
 
Um die hohe Komplexität eines solchen Modells zu handhaben, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz sinnvoll. Als eine interessante, wegweisende Option erscheint hier das "Earth-2 Projekt" der Firma Nvidia, das eine beschleunigte, KI-gestützte, hochauflösende Klima- und Wettersimulationen verspricht.
 
Am Ende des Tages kann nur ein Meinungspluralismus helfen, um die Tür für bedeutende Fortschritte und grundlegende Reformen zu öffnen.
 
Marcus Ringhausen: Langjährige Erfahrung in der internationalen Energiewirtschaft und Beschäftigung mit vernetzten gesellschaftlichen Herausforderungen, Nachhaltigkeit und Zukunftstrends. Autor des Buches "Game Changer 2025".

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Umwelt | Klima, 28.04.2024

     
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