Ein Prinzip aus der Natur: Hydrothermale Karbonisierung
Von der Natur abgeschaut - Ein Verfahren mit hoher Energieeffizienz
Die Hydrothermale Karbonisierung (HTC) ist im industriellen Maßstab zur Marktreife entwickelt. Sie wandelt Zucker in Kohle und Wasser um – so wie die Natur es schon seit Milliarden Jahren macht.
![Der Inhalt der 'Braunen Tonne' wird mit Vapothermaler Karbonisierung (VTC) in Dampf behandelt. © 123rf / mickisfotowelt](/global/images/cms/BAUM_Insights/2023_03/190666975_xl_normal_none.png)
Die Klimakrise ist zur existenziellen Bedrohung geworden, seit mit Beginn des Industriezeitalters fossiler – also früher gespeicherter Kohlenstoff – im industriellen Maßstab verbrannt worden ist. Der rasante globale Temperaturanstieg ist menschgemacht durch viel, viel mehr Emissionen klimaschädlicher Gase als die Natur durch die Photosynthese wieder aus der Luft holen kann. Nur noch durch eine drastische Reduktion der Emission klimaschädlicher Gase sowie durch Speicherung von reinem Kohlenstoff – also Kohle – besonders in sandigen Böden kann der Temperaturanstieg gemäß dem Pariser Klimaziel von 1,5 Grad im Vergleich zum Beginn des Industriezeitalters noch vermindert werden. Die Zeit drängt!
Im Prinzip von der Natur abgeschaut
Einen wertvollen Beitrag, um der Klimakrise zu begegnen, kann die Hydrothermale Karbonisierung (HTC) leisten, die im industriellen Maßstab zur Marktreife entwickelt ist. Nasse Biomasse, also u.a. Kohlenstoff (C), wird der (aerob -> CO2) und der Vergärung (anaerob -> CH4) entzogen, indem die Biomasse bei einer Temperatur von 220°C sowie unter einem Druck von 22 bar im geschlossenen System – in Wasser! – in wenigen Stunden zu Kohle und Wasser umgewandelt wird. Mit Hilfe von Temperatur und Druck wird somit vereinfacht Zucker (C6H12O6) umgewandelt in Kohle (6C) und Wasser (6 H2O) – so wie die Natur das schon seit Milliarden Jahren macht und auf diese Weise unsere fossilen Rohstoffe unter uns eingelagert hat.
Verfahren mit hoher Energieeffizienz
Geeignet sind sämtliche (Abfall-)Biomasseprodukte: Speisereste, Abfälle aus der Produktion von Nahrungsmitteln und Getränken, Grünschnitte, Laub, Gärreste aus der Biogaserzeugung, Tierexkremente und Klärschlämme sowie der Inhalt der „Braunen Tonne". Pumpbare Abfallbiomassen werden mit Hydrothermaler Karbonisierung (HTC) in Wasser, stückige oder grobe Biomassen sowie Bioabfälle mit Störstoffen werden mit Vapothermaler Karbonisierung (VTC) in Dampf behandelt. Die Karbonisierung ist ein äußerst energieeffizientes Verfahren: Im Durchschnitt bleiben zwei Drittel der Energie aus der Abfallbiomasse in der Kohle erhalten; ein Drittel der Energie wird als exotherme Energie freigesetzt und kann dem Prozess erneut zugeführt oder vermarktet werden.
![© GRENOL](/global/images/cms/BAUM_Insights/2023_03/grafik_bi_2303.png)
Das GRENOL-System der Hydrothermalen Karbonisierung ist ein modulares System im kontinuierlichen Verfahren, das fortwährend neue Biomasse aufnimmt, diese durch den Reaktor transportiert, somit in Kohle und Wasser umwandelt, nach 2–6 Stunden Verweildauer ein Kohle-Wasser-Gemisch ausschleust und die exotherme Energie aus der Abfallbiomasse zum Aufheizen neuen Inputmaterials nutzt. Das System ist skalierbar durch die Anzahl der Module, die eingesetzt werden. Nach der Separation verbleiben zunächst Biokohle und HTC-Prozesswasser, die sich zu marktfähigen Produkten veredeln lassen.
Das Potenzial der Hydrothermalen Karbonisierung ist somit, pflanzliche Biomasse der natürlichen Verrottung und Vergärung zu entziehen, denn Kompostierung und Vergärung sind biologische Prozesse, bei denen klimaschädliche Gase (CO2, CH4) emittiert werden. Beim HTC-Verfahren wird Biomasse im Originalzustand klimaschonend – ohne vorherige Trocknung! – behandelt und sodann zu elektrischer und thermischer Energie, Wasserstoff, Aktivkohle und Düngemitteln veredelt. Dies geschieht in drei Prozessschritten: Der erste besteht in der Konversion von Abfallbiomasse zu Kohle und Wasser mithilfe der Hydrothermalen Karbonisierung. Im zweiten Schritt wird die Kohle über den Zwischenschritt der Erzeugung von Synthesegas (erzeugt im Holz-/Kohle-Vergaser) mithilfe eines Blockheizkraftwerks oder durch Kraft-Wärme-Kopplung zu elektrischer und thermischer Energie
umgewandelt. Über den Zwischenschritt des Synthesegases lässt sich durch Filtration grüner Wasserstoff gewinnen. Das Prozesswasser findet als Düngemittel im dritten Schritt Verwendung in der Landwirtschaft oder kann zur Steigerung der Methanproduktion in Biogasanlagen eingesetzt werden.
Widerstände im System
Zwei Hürden auf dem Weg zum Einsatz der Hydrothermalen Karbonisierung als universelle Lösung für sämtliche biologischen Abfallbiomassen weltweit sind zu nennen: die gewachsene industrielle Struktur der fossilen Energiewirtschaft mit ihren etablierten Verfahren und Anlagen (Atom-, Gas- und Kohlekraftwerke, Müllverbrennung, synthetische Düngemittelhersteller, Klärschlammmonoverbrenner u.v.m.), welche ohne Auslastung ein Verlustgeschäft wären, sowie die Vertragsstrukturen des deutschen Entsorgungssystems, das den Zugang zur Abfallbiomasse im großen Maßstab bisher verhindert.
Dr. Tina Guenther war nach dem Studium der Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg dort von 2001 bis 2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie II tätig. 2007 wurde sie zur Dr. rer. pol. im Fach Soziologie promoviert. Im Zeitraum 2006–2014 hatte sie Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen und Universitäten. Seit 2013 ist sie Mitarbeiterin der GRENOL GmbH.
Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Umwelt | Klima, 27.08.2023
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2023 mit dem Schwerpunkt: Transport & Logistik - Logistik und Transport - Herausforderung für Klima und Umwelt erschienen.
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