Die Tragik der Allmende
Die Nutzung von Gemeingütern muss ihren Preis haben
Allmende? Was soll das denn sein? Vielleicht erinnert man sich noch, in einer Wirtschaftsausbildung von dem Dilemma gehört zu haben. Es war kein Problem, den im Grunde leicht verständlichen Zusammenhang in der Prüfung wiederzugeben. Vielmehr stellte man sich die Frage: „Wofür braucht man das in der Praxis"? Doch heute, wo der Verlust an Biodiversität und die Verschmutzung von Luft und Wasser sowie der Klimawandel massiv vorangeschritten ist, drängt sich das Thema wieder auf: Die Nutzung von Gemeingut. Welche Lösungen des Dilemmas bieten sich hierbei an?
Scheinbar kostenlose, unbeschränkten Gemeingüter – das Dilemma der Allmende
Das Konzept der „Tragik der Allmende" geht auf William Forster Lloyd und das Jahr 1833 zurück. Allmende ist ein anderes Wort für Gemeingüter. Die Tragik beziehungsweise das Dilemma wird an einem einfachen Beispiel aufgezeigt: Die verschiedenen Hirten eines Ortes nutzen kostenlos das Gemeingut einer Gemeindewiese. Deren Ertrag reicht für alle, wenn jeder Hirte sie für nur ein Tier nutzt. Dehnt ein Hirte die Nutzung zugunsten seines eigenen Vorteils aus und lässt mehr als ein Tier weiden, schädigt er die Gemeinschaft. Die Gemeindewiese kann nicht regenerieren und durch die Übernutzung der Ressource sinkt der Ertrag für die Gemeinschaft insgesamt. Der durch das individuelle Verhalten verursachte Schaden kann letztendlich so groß werden, dass das Gemeingut dauerhaft geschädigt wird.
Regulierung zum Umweltschutz ist nicht neu, sie muss jedoch angesichts der vielfältigen ökologischen Probleme angepasst werden. Dabei muss es das Ziel sein, mit einem einfachen und verständlichen Verfahren das Verhalten der Verursacher zu verändern, sowie Fehlverhalten konsequent zu sanktionieren. Ökonomischer Gewinn darf erst dann entstehen, wenn er im Einklang mit Umwelt- und sozialen Aspekten erzielt wurde.
Mathias Warlich ist Diplom-Kaufmann und hat mehr als 30 Jahre Führungsaufgaben in der Versicherungs- und Rückversicherungswirtschaft. Seit 2019 ist er selbständig im Nachhaltigkeitsmanagement tätig und Versicherungs-Experte bei forum. Sein Ziel ist ein Wirtschaften, das Erfolg an mehr als nur dem finanziellen Ertrag bemisst.
Scheinbar kostenlose, unbeschränkten Gemeingüter – das Dilemma der Allmende
Das Konzept der „Tragik der Allmende" geht auf William Forster Lloyd und das Jahr 1833 zurück. Allmende ist ein anderes Wort für Gemeingüter. Die Tragik beziehungsweise das Dilemma wird an einem einfachen Beispiel aufgezeigt: Die verschiedenen Hirten eines Ortes nutzen kostenlos das Gemeingut einer Gemeindewiese. Deren Ertrag reicht für alle, wenn jeder Hirte sie für nur ein Tier nutzt. Dehnt ein Hirte die Nutzung zugunsten seines eigenen Vorteils aus und lässt mehr als ein Tier weiden, schädigt er die Gemeinschaft. Die Gemeindewiese kann nicht regenerieren und durch die Übernutzung der Ressource sinkt der Ertrag für die Gemeinschaft insgesamt. Der durch das individuelle Verhalten verursachte Schaden kann letztendlich so groß werden, dass das Gemeingut dauerhaft geschädigt wird.
Aktuell erkennen wir, dass es nicht möglich ist, einen solchermaßen entstandenen Schaden im Nachhinein bei den Verursachern einzufordern. Der Unternehmensgewinn ist bereits ausgewiesen und verteilt. Deshalb muss man das Dilemma im Vorfeld lösen, damit Schäden erst gar nicht eintreten. Welche Möglichkeiten gibt es dafür?
Lösungen
Ethisches Verhalten, soziale Normen und Werte gelten als einfachste Lösung für das Dilemma. Sicherlich wird dies in kleineren wirtschaftlichen Einheiten auch heute noch funktionieren. In größeren, anonymen, durch erheblichen Wettbewerbsdruck gekennzeichneten Märkten ist das offensichtlich keine funktionierende Lösung. Grundsätzlich kommt auch die Privatisierung des Gemeinguts für dessen Schutz in Frage, allerdings nicht, wenn das zu schützende Gut, wie bei Luft und Wasser, nicht abgrenzbar ist. Daher verbleibt als Möglichkeit die Regulierung: Entweder die Nutzung zu verteuern oder sie zu limitieren.Regulierung zum Umweltschutz ist nicht neu, sie muss jedoch angesichts der vielfältigen ökologischen Probleme angepasst werden. Dabei muss es das Ziel sein, mit einem einfachen und verständlichen Verfahren das Verhalten der Verursacher zu verändern, sowie Fehlverhalten konsequent zu sanktionieren. Ökonomischer Gewinn darf erst dann entstehen, wenn er im Einklang mit Umwelt- und sozialen Aspekten erzielt wurde.
Seit 2015 hat die Schädigung der Umwelt durch CO2 einen Preis
Im Hinblick auf die Umweltschädigung durch CO2 ist die Paris-Vereinbarung ein Meilenstein, denn hier wurde erstmals verbindlich geregelt, dass die Belastung der Ressource Luft durch CO2 nicht mehr kostenlos ist. Inwieweit die Umsetzung mit CO2-Verschmutzungs-Zertifikaten oder Steuern effektiv und der Zeitplan ambitioniert genug ist, wird unterschiedlich beurteilt. Wichtig ist, dass der CO2-Preis – wie er zuweilen sogar von Unternehmen eingefordert wurde – inzwischen auch in Deutschland mit etwa 100 Euro pro Tonne eine steuernde Wirkung hat. Einerseits gilt es, die Bevölkerung durch das Ausgleichen von sozialen Härten mitzunehmen, andererseits, die Wirtschaft im Wettbewerb nicht zu stark zu belasten.Beispiele für die Berücksichtigung von Kosten
Hilfreich für die Transformation ist, früh zu beginnen. Länder wie die Schweiz und Schweden etwa haben heute bereits einen höheren CO2-Preis. Aber die Luft ist nicht das einzige schützenswerte Gemeingut und CO2 nicht die einzige Schädigung. Ein Blick über CO2 und Klimawandel hinaus zeigt erfolgreiche Beispiele für die Internalisierung, also Berücksichtigung der Kosten, wenn Gemeingut geschädigt wird: Dänemark führte 2014 eine Steuer für Pestizide ein. In der Folge sind Böden und Lebensmittel weniger belastet. Und die Tragik der Allmende ist von der ökologischen auf die soziale Dimension der Nachhaltigkeit übertragbar. Beispiele sind die Festlegung eines Mindestlohns oder die Einführung einer Zuckersteuer für Süßgetränke, wie sie England 2018 umgesetzt hat. In Dänemark wie in England waren Unternehmen zunächst kritisch bezüglich der Veränderungen, heute gilt der Transformationsschritt als gelungen.Ist das nicht "Ablasshandel"?
Ablasshandel ist ein düsteres Kapitel der Kirchengeschichte, in dem Gläubige gegen Geldzahlung von Sünden freigesprochen wurden. Lässt man den ethischen Aspekt ungeachtet, ist der Vergleich nicht sachgerecht, weil nach allgemeinem Rechtsverständnis ein Schädiger für den von ihm verursachten Schaden verantwortlich ist. Der Vorwurf des Ablasshandels ist dann naheliegend, wenn dem Schädiger der verursachte Schaden egal ist und möglicherweise das Verhalten trotz Geldzahlung nicht zu ändern gedenkt. Oder wenn die Geldzahlung nicht zur Behebung oder Reduzierung des Schadens eingesetzt wird. Die grundsätzliche Notwendigkeit, die Nutzung von Gemeingütern zu berücksichtigen und der Schädigung einen Preis zu geben, wird dadurch jedoch nicht infrage gestellt.Fazit
Die Steuerung durch wahre Preise hat eine erhebliche Wirkung und ist allein schon eine Notwendigkeit, um einen fairen Wettbewerb zwischen Anbietern zu ermöglichen. Der Wettbewerb kann mehr Kraft entfalten und Schaden entsteht erst gar nicht. Klar, Kapital durch nachhaltige Geldanlagen in Richtung ökologischer Geschäftsmodelle zu steuern, ist wichtig. Die direkte Steuerung der Wirtschaft durch „wahre Preise" hat jedoch eine schnelle und sichere Wirkung. So ist es auch höchste Zeit, die Bedeutung der „Tragik der Allmende" in der Wirtschaftsausbildung besonders zu unterstreichen und ihr einen größeren Stellenwert einzuräumen. Auch wird dann das Verständnis für die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Umweltschäden verbessert, das in der Gesellschaft zuweilen fehlt. Letztlich wird dadurch das Bewusstsein für ethisches Wirtschaften geschärft – was wiederum ausufernder Regulierung entgegenwirkt. Mathias Warlich ist Diplom-Kaufmann und hat mehr als 30 Jahre Führungsaufgaben in der Versicherungs- und Rückversicherungswirtschaft. Seit 2019 ist er selbständig im Nachhaltigkeitsmanagement tätig und Versicherungs-Experte bei forum. Sein Ziel ist ein Wirtschaften, das Erfolg an mehr als nur dem finanziellen Ertrag bemisst.
Umwelt | Ressourcen, 06.08.2023
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