Balkonkraftwerke – Photovoltaik für jedermann
Anfang Mai 2023 legte Minister Robert Habeck im Rahmen des 2. Photovoltaik-Gipfels die ausgearbeitete Form einer umfassenden Photovoltaik-Strategie vor. Der Ausbau der Technologie hat das Ziel, die umweltneutrale Energiegewinnung von 215 Gigawatt Strom ab 2030 zu gewährleisten. Die Erreichung dieser Vorgabe soll von nun an auf allen Ebenen vorangetrieben werden.
Gleichzeitig sollen "alle Bremsen gelöst werden, die ein höheres Tempo beim Zubau bislang verhindert haben”. Das Papier umfasst mehrere Handlungsfelder. Diese betreffen, neben der Erweiterung der auszuweisenden Flächen, sowohl den Abbau bürokratischer Hemmnisse als auch steuerliche Aspekte sowie die Ausbildung von Fachkräften.
Großes Potenzial sieht das Ministerium bei Balkonkraftwerken, der Waffe des kleinen Mannes gegen den Klimawandel. Balkonkraftwerke erlauben es, dass Millionen Bewohner von Etagenwohnungen, denen weder Dach- noch Freiflächen zur Verfügung stehen, Stromkosten sparen und dazu beitragen, der Erderwärmung Einhalt zu gebieten.
Was wird unter einem Balkonkraftwerk verstanden?
Ein Balkonkraftwerk beziehungsweise eine Mini-PV-Anlage oder Stecker-Solaranlage ist mit einem oder zwei Solar-Modulen und einem Mikro-Wechselrichter ausgestattet. Verbraucher, die ein Balkonkraftwerk kaufen, können damit einen Teil ihres Eigenbedarfs an Energie selbst produzieren. Die Mini-PV-Anlage produziert bis zu 600 Watt kostenlosen und umweltneutralen Strom, wodurch sowohl der Geldbeutel als auch das Ökosystem entlastet werden.
Wie funktioniert eine Mini-PV-Anlage?
Die Funktionsweise eines Balkonkraftwerks unterscheidet sich nicht von Anlagen, die auf dem Dach oder auf dem freien Feld installiert sind. Die Module aus Silizium wandeln die ankommende Sonnenstrahlung in Gleichstrom um. Der Wechselrichter kontrolliert die Anlage und wandelt den Gleichstrom in netzüblichen Wechselstrom um. Die Anlage selbst wird über eine Steckdose mit dem Hausnetz verbunden. Der Verbrauch des Netzstroms sinkt und der Zähler läuft langsamer, was sich positiv bei der monatlichen Abrechnung bemerkbar macht.
Balkonkraftwerke decken derzeit bis zu 30 Prozent des Eigenbedarfs ab. Um diesen Wert weiter zu verbessern, empfiehlt sich die Anschaffung einer Solarbatterie. Dann kann der tagsüber produzierte Strom auch nachts benutzt werden.
Was ist bei der Installation zu berücksichtigen?
Im Gegensatz zu der Bedeutung, die der Begriff "Balkonkraftwerk” suggeriert, kann eine Stecker-Solaranlage auch im Garten, an der Fassade, auf der Veranda sowie auf dem Dach des Gartenhäuschens oder der Garage angebracht werden.
Die Anlage wird einschließlich des entsprechenden Befestigungssystems steckerfertig geliefert. Es muss weder ein Fachbetrieb engagiert werden, noch ist die Anschaffung von Spezialwerkzeugen nötig. Es empfiehlt sich allerdings, den Anweisungen des Herstellers penibel zu folgen.
Der beste Standort
Um den besten Ertrag zu gewährleisten, sind einige Aspekte zu berücksichtigen:
- Ausrichtung: In der nördlichen Hemisphäre wird die meiste Sonneneinstrahlung eingefangen, wenn die Module Richtung Süden ausgerichtet sind. Gute Ergebnisse werden auch erzielt, wenn ein Modul Richtung Osten und das andere gen Westen blickt. Zwar müssen dann geringe Abstriche am Ertrag gemacht werden, aber die morgendlichen und abendlichen Verbrauchsspitzen sind besser abgedeckt.
- Neigungswinkel: In unseren Breitengraden wird der beste Ertrag erzielt, wenn die Module über eine Neigung von etwa 35 Grad zur Hauswand beziehungsweise zum Balkongeländer verfügen.
- Verschattungen: Es ist darauf zu achten, dass kein Schatten von Bäumen oder von Nachbarhäusern auf die Module fällt, da ansonsten die Produktion stark eingeschränkt wird.
- Sicherung: Während die Module alle Witterungseinflüsse schadlos überstehen, sollten sowohl der Wechselrichter als auch die Steckdose vor direkter Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit geschützt werden. Außerdem ist davon abzuraten, ein Balkonkraftwerk an einer Mehrfachsteckdose anzuschließen.
Ist ein Balkonkraftwerk genehmigungs- oder meldepflichtig?
Während größere Dach- oder Freilandanlagen derzeit noch einen großen administrativen Aufwand nach sich ziehen, bedürfen Balkonkraftwerke keiner Genehmigung. Sie müssen allerdings dem örtlichen Netzbetreiber angezeigt werden.
Zudem ist ein Eintrag ins Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur Pflicht. Der Aufwand ist gering und nimmt online nur wenige Augenblicke in Anspruch. Der Vermieter muss dann informiert werden, wenn bei der Installation bauliche Veränderungen notwendig sind.
Für wen lohnt sich ein Balkonkraftwerk?
Balkonkraftwerke lohnen sich eigentlich immer, da sie wartungsarm und äußerst langlebig sind. Die Hersteller geben eine Garantie von bis zu 25 Jahren. Eine Anlage mit zwei Modulen kostet etwa 600 Euro aufwärts. Bei einem Preis von 40 Cents pro Kilowattstunde lassen sich jährlich etwa 240 Euro sparen. Spätestens nach dem dritten oder vierten Jahr haben sich die Kosten amortisiert. Bei steigenden Strompreisen sogar noch etwas früher.
Welche Änderungen sind mit der Photovoltaik-Strategie des Bundes zu erwarten?
Um die Vorzüge von Balkonkraftwerken zukünftig in der Masse zu nutzen, sieht das Strategiepapier Habecks die folgenden Änderungen vor:
Schuko- statt Wieland-Stecker
Ein Hinderungsgrund für die massenhafte Nutzung von Balkonkraftwerken lag bisher in der Verwendung des Steckers. Bis vor Kurzem hatte der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e.V. (VDE) darauf bestanden, dass die Sicherheit der Anlage nur mit einem sogenannten Wieland-Stecker gewährleistet sei. Dieser darf nur von einem Fachbetrieb angeschlossen werden.
Inzwischen hat der Verband seine Ansicht geändert. Zumal die Kritiker dieser Regelung davon ausgehen, dass der VDE diese Vorgabe nur eingeführt hat, um die Pfründe seiner Mitglieder zu sichern. Dieser Umstand wird im Strategiepapier dahingehend berücksichtigt, dass zukünftig auch ein einfacher Schuko-Stecker ausreicht, um ein Balkonkraftwerk zu betreiben.
Mehr Leistung
In Deutschland darf ein Balkonkraftwerk bisher nur 600 Watt Leistung erzeugen. Bei größeren Anlagen greifen andere Bestimmungen, welche den Kauf und die Montage verkomplizieren und verteuern. Zukünftig sollen, im Einklang mit der EU (Europäische Union), 800 Watt erlaubt sein. Dadurch steigert sich das Einsparpotenzial erheblich.
Steuerliche Vorteile
Die Erträge aus der Einspeisung sind seit Jahresbeginn ebenso wie die Kosten für die Montage für alle PV-Anlagen steuerbefreit. Für Balkonkraftwerke, die hauptsächlich zur Deckung des Eigenbedarfs dienen und ohne Fachbetrieb installiert werden, haben diese Änderungen keine direkten Auswirkungen.
Bemerkbar macht sich allerdings die Abschaffung der Mehrwertsteuer. Viele Lieferanten haben sich schon umgestellt und weisen diese Abgabe bei ihrer Rechnungsstellung nicht mehr aus.
Zähleruhr
Beim Betrieb eines Balkonkraftwerks ist eine Einspeisung ins Netz nicht vorgesehen, aber trotzdem möglich. Viele Wohneinheiten besitzen nur einen alten Ferraris-Zähler mit Drehscheibe. Dieser würde im Falle einer Einspeisung rückwärtslaufen. Der örtliche Versorger tauscht diesen kostenfrei gegen ein neueres Modell mit Rücklaufsperre aus, damit die Anlage in Betrieb genommen werden kann.
Allerdings besteht ein Auftragsstau. Die Versorger benötigen teils mehrere Monate, um den Zähler zu wechseln. So lange darf die Anlage keinen Strom produzieren. Das Strategiepapier besagt nun, dass alte Zähler temporär weitergenutzt werden können, bis der neue Zähler eingebaut ist.
Fazit
Berlin erhofft sich mit dem Strategiepapier einen enormen Schub für die ganze Branche. Nur so können laut den Verantwortlichen die Klimaziele erreicht werden. Auch Balkonkraftwerke werden von den Erleichterungen profitieren. Haben sie doch einen entscheidenden Anteil an der fortschreitenden Dezentralisierung der sauberen Energiegewinnung, zumal jetzt auch Mieter von den Vorzügen der Photovoltaik profitieren können.
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Technik | Energie, 14.06.2023
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