Einspruch gegen Patent auf Mais mit altbekannten Eigenschaften

Der aktuelle Kommentar von Christoph Then über alarmierende neue Fälle von Patenten auf Saatgut

Wieder hat die internationale Koaltion „Keine Patente auf Saatgut" Einspruch gegen ein Patent auf Mais beim Europäischen Patentamt (EPA) eingelegt. Das Patent der deutschen Firma KWS beansprucht Mais, der zum Anbau in kälteren Regionen besonders geeignet ist. Dieser Mais wurde mithilfe von Pflanzen gezüchtet, die bereits dafür bekannt waren, dass sie gegenüber kälteren Anbaubedingungen tolerant sind. Wenn derartige Patenten erteilt werden, könnte die Freiheit der Züchtung bald an ihr Ende gelangt sein.
 
Züchtung oder technologische Errungenschaft? Die Industrie versucht, die Grenzen zu verwischen. © ulleo, pixabay.comBisher garantieren die europäischen Pflanzenzuchtgesetze, dass alle konventionell gezüchteten Sorten verwendet werden können, um neue Sorten zu züchten und zu vermarkten. Doch das kürzlich erteilte Patent beansprucht die Verwendung aller Pflanzen und Pflanzensorten mit den beschriebenen Eigenschaften für die weitere Zucht. Dabei dürfte es in vielen Fällen für die Züchter unmöglich sein, herauszufinden, ob ihre Sorten tatsächlich betroffen sind. Die einzige Möglichkeit weiter zu züchten, wäre, Lizenzverträge mit den Patentinhabern abzuschließen, was neue Abhängigkeiten und zusätzliche Kosten verursachen würde. Unter diesen Bedingungen würden nur die großen Konzerne überleben.
 
Verstoß gegen Patentregeln
Eigentlich dürfen konventionelle Pflanzen nicht patentiert werden. Doch Unternehmen wie Bayer-Monsanto, BASF, DowDupont, Heineken und Carlsberg haben Wege gefunden, dies auszuhebeln. Ihr Trick: Technische Verfahren wie die Neue Gentechnik werden in der Patentschrift erwähnt, um den Eindruck einer technischen Erfindung zu erwecken. Denn Patente auf gentechnisch veränderte Züchtungen sind erlaubt. Also versuchen die Unternehmen, den Unterschied zwischen konventioneller Züchtung und Gentechnik zu verwischen – obwohl die Pflanzen aus konventioneller Zucht stammen.
 
Im Ergebnis verstößt das Patent gegen alle Regeln des Patentrechts: Bereits existierende Pflanzen sind keine Neuheit, die eingesetzten Verfahren sind nicht technisch und Patente auf Pflanzensorten sind ausdrücklich verboten!
 
Ein Fall von vielen
Doch das erwähnte KWS-Patent ist nur ein ausgewähltes Beispiel für die Ergebnisse der jüngsten Patentrecherche von „Keine Patente auf Saatgut!": Allein im Jahr 2022 hat das EPA mehr als 20 Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt. Zudem wurden rund hundert weitere Patentanmeldungen veröffentlicht.
 
Erst im März hatte "Keine Patente auf Saatgut!" Einspruch gegen ein Patent auf Mais eingelegt. Betroffen ist Mais mit einer verbesserten Verdaulichkeit, der vor allem als Futtermittel genutzt werden soll. Beansprucht werden Maispflanzen mit zufällig veränderten Genen, deren Ernte und die daraus hergestellten Futtermittel. Das Patent umfasst auch die Verwendung von natürlicherweise vorkommenden Genvarianten für die konventionelle Züchtung.
 
Dieses Patent war ein Präzedenzfall. Im vergangenen Jahr hatte das Europäische Patentamt (EPA) eigentlich offiziell anerkannt, dass konventionell gezüchtete Pflanzen nicht patentierbar sind. Und nun ging das erteilte Patent trotz dieser Regel über den Bereich der Gentechnik hinaus, da dieses auch die konventionelle Züchtung belangt.
 
Die Folgen
Patente schaffen Monopole: Patentiertes Obst, Gemüse und Saatgut kann von anderen Züchtern ohne Erlaubnis des Patentinhabers nicht wie bisher dafür verwendet werden, neue Sorten zu produzieren und zu vermarkten. Das bedeutet, dass eine Handvoll großer Unternehmen eine weitreichende Kontrolle über unsere tägliche Lebensmittelproduktion erhält. Sie können entscheiden: was wir essen, was Landwirte produzieren, was Einzelhändler verkaufen und wie viel wir alle dafür bezahlen müssen.
 
Diese Entwicklung hat auch Folgen für die Länder des globalen Südens. Europa muss jetzt ein deutliches Zeichen setzen, um diesen Trend zu stoppen. Die politischen Entscheidungen müssen jetzt so bald wie möglich getroffen werden, ansonsten untergraben Patente auf Saatgut den Zugang zur biologischen Vielfalt, die zur Erzeugung von Lebensmitteln benötigt wird, und beenden die Freiheit in der traditionellen Pflanzenzucht. Damit gefährden die Konzerne die weltweite Ernährungssicherheit.
 
Was tun?
Christoph Then. © Jens Schwarz.Wir von „Keine Patente auf Saatgut!" verlangen eine Änderung in der aktuellen Auslegung der europäischen Patentrechte. Die bestehenden Patentverbote müssen präzisiert werden, um die bisherigen Schlupflöcher zu schließen! Ein entsprechendes Modellgesetz wurde gerade in Österreich beschlossen. Nun müssen auch andere nationale Patentgesetze angepasst werden, und auch das Europäische Patentamt muss seine Regeln für die Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens verändern. In den letzten Jahren wurden immerhin bereits mehrere Verbesserungen im Patentrecht erreicht.
 
Dr. Christoph Then ist Koordinator des internationalen Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!". Zu diesem Bündnis gehören Organisationen aus dem Bereich Züchtung, Landwirtschaft, Umwelt und Entwicklungshilfe. Das Ziel des Vereins ist es, das Patentrecht so zu gestalten, dass konventionelle Züchtung, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, vom Patentrecht ausgenommen bleibt. Then ist zudem Geschäftsführer von Testbiotech e.V. , ein Zusammenschluss von Expertinnen und Experten der Bereiche Gentechnik und Biotechnologie.

Unter "Der aktuelle Kommentar" stellen wir die Meinung engagierter Zeitgenossen vor und möchten damit unserer Rolle als forum zur gewaltfreien Begegnung unterschiedlicher Meinungen gerecht werden. Die Kommentare spiegeln deshalb nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider, sondern laden ein zur Diskussion, Meinungsbildung und persönlichem Engagement. Wenn auch Sie einen Kommentar einbringen oder erwidern wollen, schreiben Sie an Alrun Vogt: a.vogt@forum-csr.net

Wirtschaft | Recht & Normen, 04.06.2023

     
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