Methan – der unterschätzte Klimakiller

Der aktuelle Kommentar von Constantin Zerger zum neuen Gesetzentwurf der EU

Es ist unsichtbar, geruchlos und trotzdem ein echter Klimakiller: Das Treibhausgas Methan ist bereits heute für rund 0,5 Grad der durchschnittlichen globalen Erderhitzung verantwortlich – nach CO2 ist es das zweitwichtigste Treibhausgas. Nun befasst sich ein Gesetzentwurf der EU damit - und offenbart Schwachstellen.

Methan tritt regelmäßig durch Lecks in Pipelines aus. © Joseph Russo, pexels.comVerantwortlich für die menschengemachten Methan-Emissionen ist neben der Landwirtschaft die Energiewirtschaft, allen voran die Erdgasindustrie, denn Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Das Schlimme: Entlang der gesamten Lieferkette kommt es zu größeren und kleineren Lecks, bei denen das Methan direkt in die Atmosphäre entweicht. Dabei haben schon geringe Mengen eine große Wirkung: Über einen Zeitraum von 20 Jahren ist die Klimawirkung von Methan über 80 Mal so hoch wie die von CO2. Methan ist also ein Booster für den Klimawandel. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass die EU endlich eine Regulierung von Methan auf den Weg gebracht hat: Die EU Methan-Verordnung soll die ungewollten Methan-Leckagen aus der Erdgasindustrie in Europa reduzieren und der Industrie Vorgaben machen.
 
Entwurf mit Schwachstellen
Der Entwurf der Verordnung hat jedoch erhebliche Schwachstellen: So werden nur die Emissionen innerhalb der EU erfasst. Die Emissionen aus der Vorkette von Gaslieferungen in Drittländern sind ausgenommen. Heißt im Klartext: Es gibt keinen Import-Standard für die Gaslieferungen nach Europa.
Doch ist dies die entscheidende Stellgröße. Die EU-Kommission schätzt selbst, dass 75 bis 90 Prozent der Methan-Emissionen durch Importe fossiler Energien in Drittländern entstehen. Das sind Lecks und Emissionen durch bewusstes Ablassen in die Atmosphäre zum Beispiel in Katar, Kasachstan, Algerien oder den USA. Da die EU 90 Prozent des eigenen Gasverbrauchs importiert, ist dies besonders relevant.
 
Vorgaben für die Importe sind gefragt
Die Deutsche Umwelthilfe fordert, diesen Konstruktionsfehler der EU-Methan-Verordnung so schnell wie möglich zu beheben und nachzubessern. Aus deutscher Sicht ist dies auch deshalb bedeutsam, weil wir derzeit mit dem Bau der Flüssigerdgas-Terminals neue Lieferketten aufbauen. Einerseits plant die Bundesregierung nach wie vor gewaltige Überkapazitäten, die der Energiewende im Wege zu stehen drohen. Andererseits entwickeln sich die USA zu einem neuen wichtigen Gas-Lieferanten für die Bundesrepublik.
 
Der Haken: Die Methan-Emissionen aus der Erdgasförderung in den USA gelten als besonders hoch. Laut verschiedenen Studien liegen sie teils über zehn Prozent. Zur Einordnung: Ab drei Prozent richten die Emissionen in der Vorkette einen größeren Klimaschaden an als die Verbrennung in unseren Kraftwerken. Gerade bei der Veränderung und Ausweitung der Lieferketten wäre es deshalb wichtig, auch für die Gas-Importe Vorgaben zu machen. Dies hätte auch international eine Signalwirkung.
 
Es geht um mehr als um Klimaschutz
Doch der Wind weht derzeit aus einer anderen Richtung: Die Gasindustrie läuft Sturm gegen die neuen Vorgaben. Noch ist die Verordnung nicht beschlossen; auf Basis der Positionen von Parlament, Rat und Kommission steht die finale Einigung im Trilog in der zweiten Jahreshälfte an. Wenn die Industrie mit ihren Lobbyversuchen Erfolg hat, wird die Methanverordnung löchriger als ein Schweizer Käse.
 
Dabei ist die Reduktion der Methan-Emissionen nicht nur aus klimapolitischen Gründen geboten. Auch für die Energiesicherheit ist es ein Vorteil, wenn Lecks verschlossen und das wertvolle Erdgas nicht verschwendet wird. Allein in der nordafrikanischen Öl- und Gasförderung entweicht laut einer aktuellen Studie so viel Methan in die Atmosphäre, dass damit 15 Prozent der Gasimporte aus Russland auf Vorkriegsniveau ersetzt werden könnten. Die Untätigkeit der fossilen Industrie ist hier besonders frappierend, da laut der Internationalen Energieagentur 70 Prozent ihrer Methanemissionen mit existierenden Technologien reduziert werden könnten und 45 Prozent sogar komplett kostenneutral, da das eingefangene Gas dann verkauft werden kann.
 
Alles nur eine Frage der regelmäßigen Wartung
Konkret geht es in der aktuellen Lobbyschlacht in Brüssel um die Vorgaben zur Überprüfung von Pipelines und Wartungsintervalle. Die Industrie tut alles dafür, dass die Vorgaben möglichst lasch ausfallen. Anstatt sich an internationalen Standards von maximal quartalsweisen Wartungszyklen für Lecksuche und Reparatur zu orientieren, hat der Rat nach massiver Einflussnahme der Gasindustrie in seinen Änderungsanträgen eine Vielzahl von Ausnahmen und Schlupflöchern eingebaut. Die Mitgliedstaaten wollen die Wartungsintervalle für unterschiedliche Arten fossiler Infrastruktur zum Beispiel auf sechs Monate bis drei Jahre verlängern. Das Problem: Nur die häufige Lecksuche und Reparatur kann Methanleckagen effektiv reduzieren. Nach Erfahrungen aus den USA liefert die quartalsweise Wartung Emissionsreduktionen von 80 Prozent, die jährliche aber nur 40 Prozent. Auch die Pflicht zur unverzüglichen Reparatur gefundener Lecks wird im Sinne der Industrie entscheidend abgeschwächt.
 
Constantin Zerger. © Finke/DUHDoch damit nicht genug: Die Umsetzungsfristen der Verordnung sollen um Monate, teils Jahre nach hinten verschoben werden, behördliche Inspektionen sollen seltener und weniger gründlich erfolgen und das Verbot der besonders klimaschädlichen Industriepraxis des Abfackelns und Ablassens von Methan in die Atmosphäre wird auch verwässert. Forderung aus Positionspapieren der Industrie wurden hier oft eins zu eins in die Verordnung übernommen. Im EU-Parlament wird aktuell noch hart verhandelt, doch auch hier droht eine Abschwächung der Bestimmungen für Lecksuche und Reparatur aus dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission.
 
Ankommen wird es nun auf die anstehenden Verhandlungen zwischen den europäischen Institutionen. Sie müssen zu ihrer klimapolitischen Verantwortung stehen und die Lobby-Attacken der Industrie abwehren. Ohne eine schnelle Reduktion der Methan-Emissionen wird es uns nicht gelingen, auf einen 1,5-Grad-Pfad zu kommen.
 
Constantin Zerger leitet bei der Deutschen Umwelthilfe den Fachbereich für Energie und Klimaschutz.
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Technik | Energie, 09.04.2023
     
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