Impact starts with „I“
Der Stakeholder Carbon Footprint zeigt, wie man anfangen kann!
Offizielle Reportingstandards und -normen leisten einen wichtigen Beitrag für die globale Vergleichbarkeit der historischen Emissionen. Für die Senkung der zukünftigen Emissionen müssen aber die relevanten Entscheidungsträger vom Nutzen der zukünftig klimawirksamen Maßnahmen überzeugt werden. Hierbei sind Transparenz und Kooperation von entscheidender Bedeutung.
Das Greenhouse Gas Protocol unterscheidet nach den direkten (Scope 1) und indirekten Emissionen (Scope 2 und Scope 3) eines Unternehmens. Berechnet man nun den Fußabdruck aller Marktteilnehmer, führt dies zu einer Mehrfachzählung. So können beispielsweise die Betriebsemissionen eines Autos als direkte Emissionen des Autobesitzers, aber auch als indirekte Emissionen der Automobil- und Mineralölunternehmen gezählt werden. (Abbildung 1 und 2)
Ganzheitliche Betrachtung schärft das Verständnis
Der Stakeholder Carbon Footprint wählt hier einen neuartigen Ansatz und betrachtet neben dem klassischen Fußabdruck auch den Hand- und Geldabdruck. Der Handabdruck veranschaulicht dabei den Einfluss, den man auf andere Akteure hat. Dieser wird beispielsweise in Diskussionen, gemeinsamen Projekten oder Verbandsarbeit erzeugt. (Abbildung 3)
Der Geldabdruck ist der Einfluss, den die eigenen Investitionen entfalten. Dies kann z.B. durch die Finanzierung von Impact-Projekten, Spenden, die aktive Ausübung von Stimmrechten bei Aktien oder den Zertifikatehandel geschehen. Die Ökobilanzen der klimarelevanten Aktivitäten werden anschließend anhand des Nutzens und Einflusses zwischen den beteiligten Akteuren aufgeteilt. Als Stakeholder können dabei sowohl Unternehmen, Investoren, die Politik, NGOs oder auch Privatpersonen betrachtet werden.
Die additive Aufteilung der Emissionen führt zu einer deutlich stärkeren Personalisierung und unterstreicht damit die Dringlichkeit, mit der wir alle vom Reden ins Handeln kommen müssen. Die direkte Zuordnung der Emissionen verhindert, dass sich ein Stakeholder aus der Verantwortung stiehlt, indem er die „Schuld an den Emissionen" bei anderen sieht. Ziel von Calcolution ist es, dass jeder Stakeholder individuelle Maßnahmen umsetzt, um seinen Anteil an den Emissionen zu senken. Nur durch die kooperative Realisierung von Lösungen können wir die Klimakrise in den Griff bekommen.
Beispiel Autofahren
Das Konzept des Stakeholder Carbon Footprint lässt sich gut am konkreten Beispiel der Aktivität Autofahren erklären. Zunächst müssen hier die passenden Systemgrenzen der Analyse festgelegt werden, da diese zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Für die genormten Herstellerangaben werden z.B. lediglich die Emissionen aus der Verbrennung des Normverbrauchs am Auspuff gemessen. Gemäß NEFZ, einer Messmethode aus 2 Phasen, liegen diese im Beispiel bei 157 g/km. Der Stakeholder Carbon Footprint kalkuliert dagegen mit deutlich weiteren Systemgrenzen, was im konkreten Beispiel zu einer fast dreimal so hohen Schätzung führt – siehe Abbildung. (Abbildung 4)
Diese Gesamtemissionen können nun aufgeteilt werden. Hierbei kann wahlweise eine einfache Aufteilung zwischen dem betrachteten Stakeholder und allen anderen beteiligten Akteuren oder eine detaillierte Betrachtung mit einer größeren Anzahl an Stakeholdern oder Stakeholdergruppen gewählt werden. Die Aufteilung orientiert sich dabei am Einfluss auf die Aktivitätsmenge (also wieviel km wird das Auto bewegt) und auf den Emissionsfaktor (wieviel CO2 entsteht pro gefahrenem km) sowie dem Nutzen an den Aktivitäten. (Abbildung 5)
Idealerweise orientieren sich die verschiedenen Gewichtungen der Aktivitäten an einheitlichen Leitlinien, wie z.B. einer Gleichgewichtung von Konsumenten und Produzenten. Die Grafik Benzinverbrauch erklärt die Methodik am Beispiel der Aufteilung der Emissionen für den Benzinverbrauch. Hierbei werden zunächst die Emissionen aus der Verbrennung und der Herstellung betrachtet und zwischen den verschiedenen Stakeholdern aufgeteilt. (Abbildung 6) Der positive Impact kann nun dadurch maximiert werden, dass jeder Akteur in seinem direkten Wirkungsbereich die Maßnahmen nach Aufwand und Nutzen priorisiert und sukzessive umsetzt.
Das Gesamtkonzept setzt Prioritäten
Wenn ein Stakeholder mit dieser Methodik alle seine relevanten klimawirksamen Aktivitäten ermittelt, liefert dies ganz neue Einblicke. Der Stakeholder Carbon Footprint ermöglicht sogar die Berücksichtigung des Handabdrucks, der Verhaltensänderungen bei anderen Unternehmen oder Personen misst. Bei dem Beispiel Autofahren sind dies unter anderem die reduzierten Auto-km durch e-Meetings. Dieser positive Impact kann dann zwischen den Handelnden Entscheidern und den Überzeugern aufgeteilt werden. Dem Initiator einer Klimawoche könnte man z.B. 10 % der eingesparten Emissionen der Teilnehmer gutschreiben.
In ähnlicher Weise kann man den „Geldabdruck" berücksichtigen, der den Einfluss der Investitionen quantifiziert. Im Automobilbeispiel wäre hier der Einfluss der Investoren auf die Unternehmensstrategie über Aktienstimmrechte oder die Lenkungswirkung über Kreditzinsen zu nennen. Spenden und Innovationsförderung haben noch einen deutlich höheren Einfluss auf die Umsetzung konkreter Projekte und können mit der Methodik visualisiert und diskutiert werden.
Die resultierende Liste der größten gewichteten Emissionen eines Stakeholders wird nun mit Klimaschutzmaßnahmen in Verbindung gebracht. Nach einer individuellen Bewertung von „Kosten" und „Nutzen" der Maßnahmen durch den Stakeholder, kann dieser eine Priorisierung anhand des Verhältnisses vornehmen. Wenn die Berechnung des Stakeholder Carbon Footprints von mehreren Akteuren gemeinsam durchgeführt wird und man hierbei die verwendeten Emissionswerte und die Verteilung der Gewichte gemeinsam erarbeitet, steigt das Prozessverständnis aller Beteiligten. Hierbei bietet die Visualisierung der verantworteten Emissionen zwischen den Stakeholdern eine hervorragende Grundlage für gemeinsame Diskussionen zu Klimaschutzmaßnahmen und deren Umsetzung.
Emissionsminderung in der Zukunftsmodellierung
Der Ansatz erlaubt somit ein individuelles Vorgehen bei der Identifikation der für den Stakeholder „richtigen" Maßnahmen. Das aktive Teilen der Erfahrungen mit Peers und Skaleneffekte bei der gemeinsamen Umsetzung von Maßnahmen, kann die positive ökologische Wirkung noch einmal deutlich erhöhen.
Aktuell ermittelt Calcolution gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft sowie der Uni Göttingen und dem Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten (VfU) e.V. exemplarisch den Stakeholder Carbon Footprint für den Asset Manager ESG Portfolio Management. Die Ergebnisse werden in einem Abschlussbericht mit dem Corporate Carbon Footprint gemäß dem Greenhouse Gas Protocol verglichen. Zur Verdeutlichung der Wirkungsweise des Konzeptes stellen wir die Ergebnisse sowie die Reise zum Sustainability Leader in der nächsten Ausgabe von forum vor.
Von Fritz Lietsch
Prioritäten im Klimaschutz setzen
Calcolution, gegründet von Yvonne und Christian Schwehm, ist ein Greentech-Start-up, das gemeinsam mit ausgewählten Partnern Entscheidungsträgern eine effiziente Priorisierung klimarelevanter Maßnahmen ermöglichen will. Drei einzelne Komponenten von Calcolution unterstützen diesen Prozess, in der Kombination entfalten sie ihre volle Leistungsfähigkeit.
Weiterführende Informationen über den Stakeholder Carbon Footprint unter: www.calcolution.org
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Umwelt | Klima, 01.08.2022
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