Tanken oder essen?

Biosprit und seine Folgen

Mit diesem Titel sprach Björn Dietrich, Geschäftsführender Wissenschaftler des ForschungsNetzwerk Biogene Kraftstoffe (ForNeBiK) in Straubing in seinem Vortrag in der Umwelt-Akademie ein sowohl hochaktuelles wie auch komplexes Thema an. Ein aufmerksames Publikum , das sich einerseits beruflich, andererseits auch privat mit dem Thema Biokraftstoffe ausgiebig beschäftigt, garantierte kontroverse Meinungen und interessante Diskussionen.

Die aktuell geführte Debatte über eine nicht fossile und damit nachhaltige Energie- und Treibstoffversorgung auf der einen Seite und die drastisch gestiegenen Lebensmittelpreisen auf der anderen Seite wird häufig auf das Problem der Flächenkonkurrenz und damit auf den Nahrungs- und Futtermittelmangel verkürzt. Hinzukommt die Frage, inwiefern die Biokraftstoffe hinsichtlich ihrer Treibhausgasemissionen überhaupt eine Abhilfe zu herkömmlichen fossilen Kraftstoffen bieten können. Gleich zu Beginn stellte Björn Dietrich heraus, dass die aktuellen Zeitungsdebatten eher nur einzelne Forschungsergebnisse betrachten und daher zu einseitigen Schlussfolgerungen kommen. Die Fragestellung an sich sei jedoch viel komplexer und selbst Forschungsergebnisse differierten zum Teil extrem. Eines war für ihn jedoch von Anfang an klar. Die fossilen Energieträger seien uns nicht mehr lange von Nutzen. Die Frage sei nicht, wann diese Versorgungslücke eintreten wird, sondern wie wir zukünftig mit ihr umgehen werden. Der Frage, ob Biokraftstoffe hierfür ein sinnvolles Instrumentarium darstellen oder eine Verlagerung der Probleme mit sich bringen werden, wurde im Vortrag nachgegangen.

Die wichtigsten Grundlagen zum Thema Biokraftstoffe
Der Bereich der erneuerbaren Energien expandiert sichtlich. So stieg dort die Beschäftigungszahl vom Jahr 2004 bis 2006 um 47 Prozent, Tendenz weiter steigend. Von den rund 235.000 Beschäftigten sind rund 33.000 Personen dem Biokraftstoffmarkt mittel- und unmittelbar zuzuordnen. Hinsichtlich der inländischen Investitionssumme nimmt der Biokraftstoffmarkt eine Spitzenstellung ein. Weitläufig wird unterschieden zwischen den Kraftstoffen der ersten und der zweiten Generation. Zu den Kraftstoffen der ersten Generation zählen Biodiesel, Rapsölkraftstoffe, Bioethanol und Biomethan. Zur zweiten Generation zählen unter anderen der Biowasserstoff, die Btl-Kraftstoffe (Biomass to Liquid) sowie Bioethanol auf lignocellulose Basis. Während die Kraftstoffe der ersten Generation bereits am Markt etabliert sind und sich in der Anwendung befinden, sind die Kraftstoffe der zweiten Generation derzeit noch im Stadium der Forschung und Entwicklung. So breit die Rohstoffbasis ist, so breit sind auch die Methoden zur Herstellung von Kraftstoffen. Hier gibt es verschiedenen Arten der Konversion wie beispielsweise die Umesterung, die Vergärung, die Hydrolyse oder die Fischer-Tropsch-Synthese. Durch diesen breiten Kanon an Konversionsverfahren lassen sich auch unterschiedliche Kraftstoffe herstellen.

Zeiten des Wandels
In den letzten 40 Jahren hat sich die Erdbevölkerung annähernd verdoppelt und nach Prognosen der Vereinten Nationen wird sie bis 2050 nochmals um 50 Prozent, auf rund neun Milliarden Menschen zunehmen. Diese Anzahl von Menschen stellt eine enorme Belastung für unseren Planeten dar. Einer der Hauptgründe bei der Erhöhung der CO2 Belastung auf der Welt wird im steigenden Transportaufkommen gesehen. In den letzten 20 Jahren waren 90 Prozent der Gesamtsteigerung an CO2-Emissionen allein dem Verkehrssektor anzurechnen. Dass wir uns in einem Umbruch befinden, macht besonders die extreme Entwicklung des Rohölpreises deutlich. Anfang des Jahres 2007 lag dieser noch auf einem Tiefstpunkt von knapp 50 Dollar pro Barrel Öl. Dieser Preis hat sich mit 143,73 Dollar je Barrel Anfang Juli 2008 annähernd verdreifacht. Ende Juli diesen Jahres ereignete sich das derzeit wohl jüngste Tankerunglück auf dem Mississippi, im US-Bundesstaat Louisiana. Dabei sind mehr als eine Million Liter Heizöl ausgelaufen, was zu erheblichen Schäden des gesamten Ökosystems führte. Biokraftstoffe können hierfür eine Lösung bieten, da beispielsweise Rapsölkraftstoffe als nicht wassergefährdend gelten. Um auf die anfangs aufgeworfene Frage zurück zu kommen: Der Anteil der Nachwachsenden Rohstoffe an der gesamten Ackerfläche in Deutschland, betrug im Jahr 2007 nur knapp 17 Prozent. Der Großteil des in Deutschland angebauten Getreides geht in die Nahrungs- und Futtermittelverwertung. Szenarien zeigen auf, dass dieser Flächenanteil an Bioenergien insgesamt derzeit keine echte Konkurrenz zur Sicherstellung von Nahrungsmitteln darstellt - jedenfalls nicht in Deutschland.

Maßnahmen von oben
Zu unterscheiden sind auf der einen Seite staatlich festgelegte Maßnahmen sowie auf der anderen Seite die Selbstverpflichtungen der Industrie. So wurde aus der Politik heraus im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft das Ziel formuliert, bis zum Jahr 2020 rund 20 Prozent regenerative Energie einzusetzen, die CO2-Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren und 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen. Dazu beitragen soll ein Bündel an Maßnahmen unter anderen das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), die EU-Biokraftstoff-Richtlinie und das Bundesimmissionsschutzgesetz, das den Anteil von Biokraftstoffen im bisherigen Kraftstoffangebot festlegt. Die Beimischungsverpflichtung ist nach Björn Dietrich allerdings kaum durch inländische Produktion zu erfüllen. Auch die Selbstverpflichtung der ACEA (Association des Constructeurs Européens d'Automobiles) konnte durch die Automobilhersteller nicht eingehalten werden. Statt der anvisierten 140g CO2/Kilometer in 2008 bewegt man sich seit 2003 auf einem gleich hohen Level von 163g CO2/Kilometer. Beim Thema Abgasnachbehandlung wurden hingegen in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Sämtliche limitierten Emissionen wurden Jahren drastisch reduziert.

Vorraussetzungen und Ausblick
Gleich zu Beginn seines Vortrags machte Björn Dietrich deutlich, dass er als Vertreter zahlreicher Forschungseinrichtungen keineswegs eine Bewertung als vielmehr die ihm ersichtlichen Ergebnisse vorstellen will. Eine objektive Sichtweise zu bewahren ist von großer Bedeutung, wenn man das Thema Biokraftstoffe genauer verstehen möchte. Ihm nach sollte man keineswegs blind auf die Ergebnisse einer Studie vertrauen, denn neben den methodischen Unterschieden der Ergebnisse und damit der mangelnden Vergleichbarkeit sollte man auch im Blick behalten, wer diese Studie gemacht, wer sie in Auftrag gegeben hat und ob nicht ein bestimmtes politisches Interesse dahinter steht. Eine sehr klare Aussage die Zukunft unserer Energieversorgung betreffend machte Björn Dietrich, als er unser Zeitalter als das "Zeitalter der regenerativen Energien" bezeichnete. Es wird im Gegensatz zum "fossilen Zeitalter" von dezentralen Strukturen geprägt und mit einer deutlich größeren Vielfalt an Energieträgern und Verwertungspfaden ausgestattet sein als bisher gewohnt. Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einstieg in das Zeitalter der regenerativen Energien sind einerseits eine interdisziplinäre Forschung und Bewertung in allen wesentlichen Bereichen und andererseits die Schaffung langfristig verlässlicher politischer und damit wirtschaftlicher, aber auch ökologischer Rahmenbedingungen für Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Gesellschaft. Eine radikale Energieeinsparung sowie Effizienzsteigerungen, wo sie nur möglich sind, haben nach Björn Dietrich in naher Zukunft das wohl größte Potenzial, die eingeleiteten Klimaschutzziele zu erreichen. BKS sind per se kein Allheilmittel, sondern müssen begriffen werden als eine mittelfristige Lösung der Probleme.

Doch wie entscheiden wir uns schlussendlich? Tanken oder essen? Dazu kam in der Diskussion nach dem Vortrag eine recht schöne Wortmeldung aus dem Publikum. "Tanken oder essen? Beides! Denn heutzutage gibt es ohne Tanken kein Essen und unsere Aufgabe wird es sein, das richtige Gleichgewicht zu finden und bestehende Möglichkeiten zu nutzen!"

Zu der Frage, ob die Quoten für Biokraftstoffe in Deutschland überhaupt zu erreichen seien, sagte Herr Dietrich, dass, wenn wir es schaffen, starke Effizienzsteigerungen bei der Nutzung von Energie zu erreichen, noch weitaus höhere Quoten erzielbar seien. Der Politik stände es im Übrigen gut an, sich ehrgeizige Ziele zu setzen und die Bioenergie mit einem breiten Portfolio an Maßnahmen zu unterstützen.




Björn Dietrich
Björn Dietrich, Diplom Biologe und Umweltrechtler, ist Wissenschaftlicher Geschäftsführer des ForschungsNetzwerkes Biogene Kraftstoffe in Straubing. Seit 2002 ist er Inhaber des Büros für ökologische Planung an der Leuphaner Universität Lüneburg und neben gelegentlichen Lehrtätigkeiten ist er aktives Mitglied in verschiedenen Verbänden und Gremien
Bjoern.Dietrich@fornebik.bayern.de




ForschungsNetzwerk Biogene Kraftstoffe
Die Geschäftstelle des ForNeBiK ist durch das Bayerische Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten zum 01. Juli 2007 eingerichtet worden und durch dieses finanziert. Da kaum ein anderes Bundesland soviel Biomasse zur Energieerzeugung einsetzt wie Bayern und die Erzeugung von Biokraftstoffen dabei eine wesentliche Rolle einnimmt, hat sich das Forschungsnetzwerk zum Ziel gesetz die vorhandenen Kompetenzen und Kapazitäten der Forschung durch einen interdisziplinären Ansatz stärker miteinander zu verknüpfen. Die Förderung der Verwendung von auf dem Markt befindlichen Biokraftstoffen sowie die Steigerung des Wissenspools, der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsmöglichkeiten von Forschungseinrichtungen im Biokraftstoff-Bereich stehen hierbei im Mittelpunkt.

Weiter Informationen erhalten Sie unter: http://www.fornebik.bayern.de

kontakt@fornebik.bayern.de



Die Umweltakademie mit Sitz in München fördert Wissenschaft und Forschung mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Umweltschutz und gibt Interessierten aus allen Branchen Impulse für eine nachhaltige Entwicklung. Ganz nach dem Motto "vom Wissen zum Handeln." www.die-umwelt-akademie.de

von Adam Winkelmeier in Zusammenarbeit mit Björn Dietrich

Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 31.07.2008

     
        
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