Unterbrochene Lieferketten
Welche Auswirkungen haben sie auf die deutsche Wirtschaft?
Die globalen Lieferketten stehen unter enormem Druck. Durch die weltweite Vernetzung wurden sie von Jahr zu Jahr empfindlicher und die letzten Krisen haben dies deutlich gezeigt. Aktuelle Beispiele sind die Blockierung des Suezkanals durch das Containerschiff „Ever Given", gestörte Lieferketten wegen der Coronapandemie und nun weltweite Unterbrechungen wegen des russischen Überfalles auf die Ukraine.
Volle Lagerstände in Hamburg
Am Beispiel des größten Containerhafens Deutschlands in Hamburg sieht man die Auswirkungen deutlich. Containerschiffe treffen aufgrund von langen Wartezeiten in Häfen und den Meerengen der Welt mit großer Verspätung ein. Durch die Überlastung in den Häfen selbst laufen deswegen Abfertigungen wesentlich langsamer ab und die Lagerstände des Hafens sind voll. Dabei sind diese nicht für die Lagerung von Containern ausgelegt, sondern für das schnelle Umschlagen der Waren und den Weitertransport. Die Verweildauer der Container im Hafen haben sich auf diese Weise schnell verdoppelt. Deutsche Straßen sind voll, Lkw-Fahrer von Staus und Baustellen geplagt und gleichzeitig kommt der große Personalmangel bei den Speditionen zum Tragen.
Leercontainer sind Mangelware
Die großen Logistiker kommen dabei auch immer schwieriger an Leercontainer, weil volle Container in den Lagern stehen und so nicht mehr für einen neuen Warentransport zur Verfügung stehen. Aufgrund der chinesischen Coronapolitik ist das Exportvolumen des größten Welthafens in Shanghai um bis zu 40 % eingebrochen, dies hat Auswirkungen auf die ganze Welt. Deutschland bezieht ca. 15 % seiner Vorprodukte aus China und ist damit abhängig von der reibungslosen Abfertigung in chinesischen Häfen. Die Null-Covid Strategie des Landes sorgt dafür, dass der weltweit größte Hafen nahezu blockiert wurde.
Wichtigste Eisenbahnverbindung nach China droht die Einstellung
Gerade die Verbindung von China nach Westeuropa hat, wegen der strengen Lockdownregelungen der einzelnen Transitländer während der Coronapandemie, mithilfe des Schienenverkehrs die Versorgung in Europa sichergestellt. Aufgrund der Sanktionen gegenüber Russland und Belarus wurde diese wichtige Lieferkette bereits eingestellt und ihr droht der potenzielle Totalausfall. Die Transportwege mit dem Lkw sind aus den gleichen Gründen immer schwieriger. Diese sind aufgrund der großen Distanz auch keine Option.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Die unterbrochenen Lieferketten haben gerade für Deutschland und Europa einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit verschiedenster Branchen. Die Baubranche hat besonders unter den gestörten Lieferketten zu leiden. Hier kommen viele Vorprodukte aus dem asiatischen Raum und wichtige Materialien wie Dämmstoffe, Kunststoffteile, Kabel und Schalter kommen von dort. Schon vor den Krisen hatten die Unternehmen unter hohen Holz- und Kunststoffpreisen zu leiden. Durch den russischen Überfall auf die Ukraine verschärfen sich die Engpässe noch und vermeintlich banale Dinge wie Nägel aus russischem Stahl sind Mangelware. So können wichtige Logistikprodukte nicht mehr produziert werden und weitere beteiligte Branchen stehen weiter unter Druck. Auch werden Palettenregale gebraucht verkauft, was in diesem Fall als positiven Effekt die Nachhaltigkeit steigert.
Autowirtschaft, Brauereien und die Möbelindustrie bangen
Die Autobauer haben aufgrund der weniger produzierten Fahrzeuge einen 20 %-igen Rückgang der Neuzulassungen angemeldet. Brauereien haben Schwierigkeiten, an Glasflaschen für ihre Getränke zu kommen, weswegen die kommende Biergartensaison kritisch gesehen wird. Auch die Möbelbauer haben Schwierigkeiten, Ware zu bestellen und können weniger Produkte verkaufen. Die Wirtschaftsweisen haben ihre Prognosen der Wachstumserwartungen für Deutschland aus diesem Grund von 4,6 % auf 1,6 % korrigiert.
Produktionen werden nach Europa verlagert
Als Resultat versuchen Unternehmen nun, neue Lieferanten für Produkte zu finden oder Produktionen nach Europa zu verlagern. Gerade Deutschland aber ist ein Hochlohnland und deswegen ist es auch eine wirtschaftliche Frage, ob Produktionen überhaupt in die Heimat verlagert werden können. Insgesamt werden die gestörten Lieferketten zu einem größeren Lagerbestand der Unternehmen führen müssen, was für die Unternehmen aufgrund der benötigten Lagerkapazitäten wiederum zu höheren Kosten führt. Als rohstoffarmes Land wird Deutschland aber nicht auf den Import des Großteils der Rohstoffe und Vorprodukte verzichten können und die Lieferketten weiter diversifizieren müssen.
Lieferengpässe mindestens das ganze Jahr über
Aufgrund der Coronasituation in China und der geopolitischen Veränderungen auf der ganzen Welt, zuletzt primär wegen des Ukrainekrieges, werden die Lieferengpässe mindestens das ganze Jahr noch bestehen bleiben. Auch danach wird sich die deutsche Industrie darauf einstellen müssen, dass die Lieferketten vulnerabel bleiben.
Unabhängigkeit wird neues Ziel
Diese vulnerablen Lieferketten, der Personalmangel und eine schwierige Situation auf deutschen Straßen und Transportverbindungen werden auch in Zukunft bleiben. Experten erwarten deswegen auch eine breitere Aufstellung der Lieferketten und vor allem auch eine Vernetzung der Unternehmen untereinander. Logistiker werden sich in Zukunft zusammen schalten, um so Prozesse effizienter und produktiver zu gestalten. Ziel ist es, am Ende weniger Mittel einzusetzen, um die Warenflüsse zu bedienen und die Unternehmen zu versorgen. Auch die Nachhaltigkeit spielt hier eine wichtige Rolle, um den steigenden Kraftstoff- und Personalkosten begegnen zu können.
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 19.07.2022
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