Auch bei „grünen“ Fonds genau hinschauen
Greenwashing im Finanzsektor
Die regelmäßige Analyse von Fonds anhand nachhaltiger Kriterien – zuletzt 14 Fonds mit rund 740 Titeln – liefert Ergebnisse, die Anlass geben für einige grundsätzliche Überlegungen und Konsequenzen für institutionelle und private Anleger sowie Fondsanbieter haben.
Grundlage der Wettbewerbsanalyse durch Green Growth Futura waren 14 aktiv verwaltete internationale Aktienfonds mit Fokus auf Small & MidCaps, die zusammen 740 Unternehmenstitel enthielten. Von den 14 Fonds wiesen 4 Fonds Nachhaltigkeitsaspekte als Anlageziel aus. Auch wenn die Ergebnisse nicht repräsentativ sind, zeigen sie Tendenzen auf und halten Überraschungen bereit. Im Durchschnitt sind 30 Prozent aller 740 Titel aus Nachhaltigkeitssicht sehr kritisch einzustufen: entweder wegen problematischer Geschäftsfelder wie z.B. fossile Energieträger, Luftfahrt, Rüstungsindustrie, Atomkraft, Tierversuche, gewaltverherrlichende Videospiele, oder wegen festgestellter kontroverser Geschäftspraktiken wie z.B. Steuerflucht, Geldwäsche, Korruption, Betrug, Bestechung, Arbeitnehmerausbeutung oder Umweltverschmutzung.
„Grüne" Fonds mit Überraschungspotenzial und ohne Wirkung
Die vier Fonds, die Nachhaltigkeitsaspekte als Anlageziel ausweisen, enthalten erwartungsgemäß weniger problematische Geschäftsfelder als die konventionellen Fonds. Das kann auf entsprechende Ausschlusskriterien zurückgeführt werden. Überraschend aber ist, dass auch hier 30 Prozent der Titel aus Nachhaltigkeitssicht kritisch bewertet werden müssen. Der Anteil kontroverser Geschäftspraktiken und entsprechender Reputationsrisiken ist in diesem Segment sogar deutlich höher als im Segment der Fonds, die keine nachhaltigen Anlageziele verfolgen. Dies könnte ein Hinweis auf Vernachlässigung von Governance-Aspekten sein. Anleger:innen, die also glauben, ein Klimafonds sei beispielsweise schon per se rundum nachhaltig, können einem Irrtum aufsitzen.
Die meisten Anbieter müssen mangels eigener Nachhaltigkeitskompetenz auf Daten von Drittanbietern vertrauen. Die wenigsten Anbieter führen selbst detaillierte Analysen durch – wie wir es bei der Green Growth Futura z.B. entlang zentraler Kriterien des DNK für den B.A.U.M. Fair Future Fonds machen. Manchem Anbieter genügt sogar ein „angedeutetes" normbasierten Screening, dass Unternehmen z.B. erklären, sie seien „aligned with" UN Global Compact, ohne jedoch nachgewiesener „participant" zu sein. Das ist unglaubwürdig.
Natürlich setzt sich auch bei Fondsanbietern die Erkenntnis durch, dass die sozialökologische Transformation der Realwirtschaft ein wichtiges und richtiges Ziel ist. Folglich formulieren einige Anbieter das Anlageziel, Transformationsunternehmen ins Portfolio aufzunehmen, was auf den ersten Blick auch plausibel erscheint. Die Transformationswirkung ist aber nur dann nachvollziehbar, wenn zuvor der sektorale Transformationsbedarf identifiziert wurde, an dem sich das investierte Unternehmen messen lässt. Das ist bei einem zweiten Blick häufig nicht der Fall und somit bleibt „Impact" weiterhin ein trendiger, aber immer noch recht leerer Begriff.
Konsequenzen für Investoren
Für alle Anlegergruppen besteht die Herausforderung darin, die inzwischen unglaubliche Vielzahl von Nachhaltigkeitsfonds zu durchblicken. Es ist sehr zeit- und kostenaufwändig, Anlageprodukte zu vergleichen.
Von Privatanleger:innen werden daher Robo-Advisors (digitale Finanzberater) dankbar angenommen, die nach einstellbaren Präferenzen Fonds selektieren. Diese Advisors können sich aber auch nur auf die standardisierten zentralen Anbieterangaben beziehen, was Anleger nicht davor schützt, in grün geglaubten Fonds überraschende Titel zu finden, selbst wenn Ausschlusskriterien definiert wurden. In den wenigsten Fällen erlauben die Robo-Advisors die Berücksichtigung innovativer Geschäftsmodelle, die nachhaltiges Investment mit sozialem Unternehmertum verbinden. So wird beispielsweise die Performance-Fee des B.A.U.M. Fair Future Fonds, die zu zwei Dritteln in weltweite Kinderprojekte fließt, als Kostenfaktor ausgewiesen. Das ist ärgerlich für all diejenigen, die ihre Vermögensbildung (z.B. für Altersvorsorge) nachhaltig aufbauen und zugleich etwas Gutes tun wollen.
Reputationsrisiken für institutionelle Anleger
Aber auch für institutionelle Anleger ist die sozialökologische Vermögensbewirtschaftung eine Herausforderung. Ein gutes Beispiel sind hier kleine und mittlere Stiftungen, die sowohl Akteure der Wirtschaft als auch der Zivilgesellschaft sind und wichtige infrastrukturelle Funktionen für unser Gemeinwesen übernehmen. Angesichts niedriger Zinsen ist es für Stiftungen sehr schwer, eine gute Balance zwischen Substanzerhalt und verlässlichen Renditen zu finden. Stiftungen sind daher zu einem gewissen Teil auch auf Aktien, Fonds oder Pooling-Lösungen angewiesen, die den Stiftungszweck unterstützen und nicht konterkarieren sollen. Das von der Vermögensanlage ausgehende Reputationsrisiko steigt, wenn sich problematische Geschäftsfelder und kontroverse Geschäftspraktiken im Portfolio befinden. Auch sollten die Ziele der nachhaltigen Entwicklung der UN und des Pariser Klimaschutzabkommens in der Vermögensanlage unbedingt beachtet werden (vgl. Nr. 6 und 8 der Grundsätze guter Stiftungspraxis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen).
Glaubwürdig und transparent zu sein und Stakeholder auch über die Wirkung der Vermögensanlage zu informieren, ist und wird für Stiftungen von großer Bedeutung. Der im Dezember 2021 veröffentlichte Leitfaden des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) für Stiftungen zeigt hier entsprechende Umsetzungsideen auf. Ab 2026 gelten zudem auch für Stiftungen strengere Transparenzvorschriften. Die Zeit bis dahin sollte von Stiftungen vorbereitend genutzt werden. Fundierte Portfolioanalysen stellen eine Möglichkeit dar, sozialökologische und reputative Risiken zu identifizieren, und Anlagekriterien helfen dabei, die Vermögensanlage konform zum Stiftungszweck und zur nachhaltigen Entwicklung zu gestalten sowie die Anlageanforderungen an die Finanzpartner zu formulieren.
Konsequenzen für Fondsgesellschaften
Die Bereitstellung einer dienenden Infrastruktur zur Finanzierung von realwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wertschöpfung ist die wichtigste Funktion des Finanzsystems. Diese Wertschöpfung muss uns künftig nachhaltig gelingen. Das sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig. Um Sustainable Finance zu einem wirksamen Hebel für die notwendige sozialökologische Transformation zu machen, bedarf es eines Umdenkens auf ganzer Linie. Zwar können nachhaltige Produkte ein zusätzliches Marktthema darstellen, aber erst wenn Nachhaltigkeit auch in die bestehenden konventionellen Produktlinien integriert ist, kann von einer größeren Hebelwirkung gesprochen werden. Das gilt insbesondere für Fondsprodukte. Der Boom an Nachhaltigkeitsfonds ist noch keine echte Wende, zumal der strenge Blick in die Portfolios – wie festgestellt – viele Überraschungen offenbart. Was aber auch kein Wunder ist, denn die Anbieter klassifizieren ihre Fonds nach der SFRD (Offenlegungsverordnung) noch selbst.
Viele Fondsanbieter werden daran arbeiten müssen, ihre wirtschaftlichen Ziele mit den neuen Regeln und Vorschriften in Einklang zu bringen. Ein wesentliches Differenzierungsmerkmal wird der Purpose, der Approach und die Ambition sein. Die Herausforderung für Fondsanbieter besteht darin, Nachhaltigkeit nicht einfach nur als ein „technisches" ESG-Kriterienset auf gleiche Stufe wie Rendite, Risiko und Liquidität zu stellen, sondern als wertschöpfende Haltung in allen Produktlinien bis hin zu Engagement-Prozessen zu integrieren und diese Haltung glaubhaft zu kommunizieren.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Lifestyle | Geld & Investment, 01.07.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2022 mit dem Schwerpunkt: Wirtschaft im Wandel - Habeck Superstar? erschienen.
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