Unternehmensethik und Compliance Management - Zwei Seiten einer Medaille

Von Prof. Dr. habil. Josef Wieland

Die Wirtschaftsskandale in den letzten Monaten haben gezeigt, dass illegales und unmoralisches Verhalten unter Führungskräften wertvernichtend wirkt. Deren Prävention ist Bestandteil des modernen Compliance Managements und damit der Corporate Governance. Das amerikanische Rechtssystem und die US- Börsen setzen mittlerweile Verhaltens- und Monitoringstandards ein und verlangen Wertemanagementsysteme, also Zustimmung zu Ethikkodizes sowie deren Umsetzung in Unternehmen. Charakter, Glaubwürdigkeit und Integrität als Führungsqualitäten - das sind Themen mit Zukunft. Dabei ist die Wahrnehmung moralischer und gesellschaftlicher Verantwortung kein Hindernis, sondern integraler Bestandteil und unerlässliche Voraussetzung für erfolgreiches und langfristig denkendes Unternehmertum.

Die Einsicht, dass eine gute Wirtschafts- und Unternehmenspraxis auf der Basis moralischer Werte und Ansprüche ruhen muss, ist nicht neu. Große Unternehmerpersönlichkeiten haben stets gewusst,
dass ihre Firmen auch eine soziale und moralische Verantwortung wahrzunehmen haben. In ihrem täglichen Handeln und Entscheiden auch als Vorbild haben sie diese Werte der Unternehmenskultur vorgelebt und damit an ihre Mitarbeiter weitergegeben. Die Tugend der einzelnen Person, ihre moralischen Überzeugungen und Werte sind entscheidende Grundpfeiler eines gelingenden Compliance Managements. Hinzukommen muss jedoch die moralische Qualität des Unternehmens als Organisation, seiner Abläufe, Anreize, Kontrollmechanismen und Führungskultur.

Institutionalisierung von Moral

Ohne die Stützung durch Organisation gerät die individuelle Moral schnell an Grenzen der Überforderung und Nicht-Realisierbarkeit. So ist beispielsweise die individuelle Ablehnung von Korruption im Vertriebsgeschäft nur schwer zu realisieren, wenn Karriere und Einkommen in sensiblen Märkten einseitig an Umsatzerfolgen orientiert sind. Die Effektivität und Nachhaltigkeit eines Compliance Managements, das integrativer Bestandteil eines Wertemanagementsystems ist, besteht in der Prävention von moralischen Verhaltens- und Marktrisiken und diverser Interessenskonflikte. Das Gleiche gilt für die nachhaltige Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung - Corporate Social
Responsibility (CSR) - durch Unternehmen, sei es nun auf regionaler, nationaler oder globaler Ebene.
Firmenspezifische Instrumente definieren in beiden Fällen die moralische Verfassung eines Unternehmens, also seine Leitwerte, und erfüllen sie in der alltäglichen Praxis mit Leben. Diese Werte geben einer Organisation Identität und Orientierung und sind damit Bestandteil des strategischen Managements. Die Schaubilder illustrieren diese systematischen Zusammenhänge.

Geschäftsmoral ist Führungsaufgabe

Die Wirkungsweise von Werten im Zusammenspiel von Führungskultur und den genannten Instrumenten kann hier kurz anhand der Compliance konkretisiert werden: Manche halten Moral und Ethik für wirkungslos und interpretieren Compliance in einem strikten und reduzierten Sinne als Erzwingung von Rechtsnormen durch Dokumentation und Transparenz schaffende Verfahren. Demgegenüber sehen Manager die in dieser Weise definierte Compliance häufig eher kritisch, als bürokratische "Exkulpation durch Dokumentation" und als Verhinderung einer nachhaltig erfolgreichen Geschäftstätigkeit. Dabei geht es nicht nur um Zeit, Kosten und abnehmende Gestaltungsmöglichkeiten. Die Skepsis bezieht sich auch auf den wichtigen Gesichtspunkt, ob die damit anvisierten Ziele wirklich erreicht werden können. Denn die Erfahrungen der letzten Jahre, vor allem in den USA, haben deutlich gezeigt, dass formale Compliance-Mechanismen für eine nachhaltige Prävention schädlicher Handlungen zwar wichtig und notwendig, aber nicht ausreichend sind. Die Wahrheit ist: Eine an Werten orientierte moralische Unternehmenskultur muss vom Topmanagement gewollt und vorgelebt werden. Geschäftsmoral ist Führungsaufgabe, ohne die ein Compliance-System Effizienz und Effektivität einbüßt.

Legitimation und Reputation wollen verdient sein

Unternehmen auf nationaler wie auf internationaler Ebene haben sich, nicht erst wenn sich der Staatsanwalt einschaltet, mit den spezifischen Differenzen der jeweiligen Standards auseinanderzusetzen. Hier sind auch Politik und Nichtregierungsorganisationen gefordert. Es geht heute für Unternehmen beim Compliance-Management schon längst nicht mehr allein um die Prävention unrechtmäßigen und unmoralischen Verhaltens, sondern grundlegend um deren gesellschaftliche "licence to operate und grow". Diese kann ihnen im Falle von Fehlverhalten vom
Staatsanwalt oder der Politik, aber auch vom Kapitalmarkt, den Konsumenten oder auf dem Markt für
talentierte Mitarbeiter entzogen werden. Die thematische Integration des Compliance-Managements
eines Unternehmens wird sich daher verstärken müssen, weil nur so die Prävention von Reputationsrisiken gelingen kann. Compliance und Ethik, Corporate Governance und Corporate Social Responsibility, Integrität in der Unternehmensführung und bürgerschaftliches Engagement gehören enger zusammen als gelegentlich geglaubt wird. Reputation und Vertrauenswürdigkeit sind für ein nachhaltiges Wirtschaften unerlässliche Kapitalgüter, die nur mühsam aufgebaut, aber schnell verspielt werden können. Wertemanagement und Compliance Management sind daher zwei Seiten einer Medaille, die einander bedingen.

Über den Autor

Prof. Dr. habil. Josef Wieland, 56, ist Professor für BWL mit Schwerpunkt Wirtschafts und Unternehmensethik an der HTWG Konstanz, Gastprofessor für Management und Ethik an der Universität Jiangsu in Zhenjiang/VR China und an der Royal Holloway University of London. Er ist Vorstand im
Kuratorium des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik (DNWE), Direktor des Konstanz Instituts für WerteManagement (KIeM) und des Zentrums für Wirtschaftsethik (ZfW) des DNWE. Er arbeitet mit an der Entwicklung des Standards ISO 26000 "Guidance Document on Social Responsibility".

www.dnwe.de
www.htwg-konstanz.de
www.kiem.htwg-konstanz.de

Quelle:



     
        
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