Nachhaltig bremsen

Wissenschaftler*innen erforschen extrem emissionsarme und recyclingfähige Bremssysteme

Kostengünstige, nahezu verschleißfreie, extrem emissionsarme und recyclingfähige Bremssysteme – was noch wie Zukunftsmusik klingt, könnte auf dem Steinfurter Campus der FH Münster bald Wirklichkeit werden: Wissenschaftler*innen des Instituts für Konstruktions- und Funktionsmaterialien (IKFM) arbeiten seit Ende letzten Jahres im Rahmen des Forschungsprojekts „BrakeThrough" an der Umsetzung dieser Idee. Die Professoren Dr. Martin Kreyenschmidt, Dr. Hans-Christoph Mertins und Dr. Hilmar Apmann forschen zusammen mit ihren Mitarbeiter*innen an der Entwicklung neuartiger Bremssysteme aus hoch hartstoffpartikelverstärkten Aluminiummatrix-Verbundwerkstoffen (Aluminium Matrix Composites – AMC).

Im Projekt 'BrakeThrough' stehen Bremsscheiben und -beläge im Mittelpunkt. © FH Münster/Katharina Kipp
„Wenn heute von Feinstaubemissionen die Rede ist, stehen in der Regel Emissionen aus dieselmotorischer Verbrennung im Fokus. Tatsächlich entstehen im urbanen Straßenverkehr jedoch rund 50 Prozent der Feinstaubpartikel durch Bremsabrieb, also völlig unabhängig vom Antriebssystem. Etwa 90 Prozent dieser Partikel werden aufgrund ihrer geringen Größe in den Atemwegen nicht gefiltert und können so gravierende Gesundheitsschäden verursachen", erklärt Kreyenschmidt. „Das Problem besteht in der Materialbeschaffenheit der aktuell eingesetzten Bremssysteme", so der Wissenschaftler. „Markttypische Bremssysteme enthalten Bremsscheiben aus Graugusslegierungen sowie angepasste Bremsbeläge. Der Bremsvorgang ist mit einem Materialverbrauch verbunden, der zur Freisetzung toxikologisch besorgniserregender Feinstaubpartikel führt." Genau da setzt das Forschungsteam der FH Münster an.

AMC-Bremsscheiben verfügen in Kombination mit geeigneten Bremsbelägen über das Potenzial, nahezu verschleißfrei in der Anwendung zu sein, sodass die Freisetzung von schädlichen Feinstaubemissionen fast vollständig unterbunden werden kann. „Folglich eröffnet sich daraus eine immense Chance zur Verbesserung der Luftqualität – insbesondere im Bereich von Städten und Verkehrsknotenpunkten. Darüber hinaus sind AMC-Bremssysteme Leichtbaukonstruktionen – das senkt die CO2-Emissionen während des Fahrens", so Kreyenschmidt.

Die entscheidende Herausforderung für den Einsatz der innovativen AMC-Bremssysteme ist die Entwicklung geeigneter Bremsbeläge. „Die Beläge sollen so beschaffen sein, dass sich während des Bremsens ein sogenannter Tribofilm aufbaut", erläutert Apmann. Der Tribofilm wird durch chemische Reaktionen aus unterschiedlichen Komponenten gebildet und stellt eine Art feste Schutzschicht dar, die Abreibung und Feinstaubbildung verhindert. „Das genaue Verständnis der Tribofilmbildung beim Bremsvorgang ist für uns entscheidend, um zielgerichtet geeignete Bremsbeläge entwickeln zu können", so Apmann. „Daher analysieren wir deren Oberflächenbeschaffenheit und die Verteilung der Materialien mittels Elektronenmikroskop und 3D-Scanningmikroskop", ergänzt Mertins.
 
„Unser Ziel, ein speziell angepasstes Belagmaterial zu entwickeln, ist eine große Herausforderung", sagt Kreyenschmidt. Herkömmliche Bremsbeläge bestehen aus bis zu 30 Einzelkomponenten. Diese müssen unter anderem bezüglich Reibwert, Beständigkeit und Geräuschentwicklung optimiert werden. „Zudem müssen wir bei der Neuentwicklung eines Belags bedenkliche, die Tribofilmbildung jedoch günstig beeinflussende Komponenten, wie etwa Kupferlegierungen, durch alternative Verbindungen ersetzen." Gelingt das Vorhaben der Steinfurter Wissenschaftler*innen, bedeutet das einen wichtigen Schritt zur Nachhaltigkeit in der Mobilität. „Die Nachhaltigkeitspotentiale sind sehr groß – auch deshalb, weil AMC-Bremsscheiben am Ende der Kfz-Lebensdauer recycelt werden können, ganz im Gegensatz zu den herkömmlichen Bremsscheiben aus Grauguss", so Kreyenschmidt.
 
Der Projektname „BrakeThrough" ist im Hinblick auf die neue Technologie ein Wortspiel mit „Breakthrough", dem englischen Begriff für „Durchbruch". Das auf drei Jahre ausgelegte Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit fast 2,5 Millionen Euro gefördert. Als Verbundpartner sind die Firmen DTS GmbH – Diamond Tooling Systems, BREMSKERL-REIBBELAGWERKE Emmerling GmbH & Co. KG sowie die Mercedes-Benz AG eingebunden.
 


     
        
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