Krieg oder Frieden?
Der aktuelle Kommentar von Wolf Schneider
Am 24. Februar hat Russland die Ukraine angegriffen, es „ist wieder Krieg". Ein historischer Moment, heißt es in den Medien. Europa habe die Friedensbereitschaft von Putin unterschätzt, es könne zu einem Atomkrieg kommen, einem Weltkrieg. Wer jetzt noch für Deeskalation in den Ring steigt, wird als Weichei beschimpft und als Putin-Versteher. So viel Selbstgerechtigkeit in den Leitmedien – mich gruselt dabei.

Um wieder einmal den in solchen Fällen typischen Unterstellungen zuvorzukommen: Putin ist auch in meinen Augen ein Übeltäter, Psychopath und mitleidsloser Kriegsverbrecher. Aber er ist nicht der Einzige, der zu dieser Eskalation beigetragen hat. Die Selbstgerechtigkeit der westlichen Medien bei Betrachtung der Vorgeschichte und der Rolle der NATO seit 1989 steht der Selbstgerechtigkeit der russischen Medien kaum nach.
Das aktuelle Geschehen in der Ukraine hat, wie fast immer bei Konflikten, viele Aspekte, die eine Betrachtung lohnen. Hier mal nur ein paar Ideen dazu. Warum nicht eine Sezession dulden, wie sie auch in Spanien (Katalonien) oder Großbritannien (Schottland) hätte passieren können? Bei der Entzweiung der Tschechoslowakei geschah das ganz friedlich, ohne Blutvergießen. Warum nicht die Abspaltung der Krim dulden und auch im Donezbecken die Mehrheit entscheiden lassen? Das meine ich als echte Frage, nicht als rhetorische; eine klare Antwort darauf habe auch ich nicht.
Politische Grenzen sollten in meinen Augen beweglich bleiben. Viele der politischen Grenzen wurden im Geschacher der Großmächte ausgehandelt oder in einem Krieg gezogen, unter Missachtung der Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung. Die politische Regionalisierung entspricht oft nicht dem, was die Menschen vor Ort brauchen. Deshalb halte ich das Bohei um die eventuelle Neuziehung der Grenzen im Osten der Ukraine für übertrieben, ebenso das verfrühte Fuchteln mit Völkerrecht und dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Setzt euch besser an einen Tisch, verhandelt und findet heraus, was für die Leute vor Ort das Beste ist.
Und warum nicht aus der NATO ein echtes Verteidigungsbündnis machen, das auch das Schutzbedürfnis Russlands berücksichtigt und dasjenige aller anderen Länder der Welt?
Warum nicht den Plan einer weltweiten Abrüstung, wie ihn Gorbatschow und Obama so leidenschaftlich und überzeugend betrieben, wieder auf den Tisch bringen, anstatt jetzt aufzurüsten? Inzwischen sollen sogar mehr als zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt dem Militär gegeben werden, auch Deutschland zieht da nun mit, auch die Grünen. Obwohl die NATO nach wie vor viel stärker ist als Russland.
Als kreative Erfinder von Storys sollten wir uns welche ausdenken, die Frieden bringen, Frieden sichern und Menschen einander nahebringen. Auch Menschen, die in befeindeten Nationen leben. Wir müssen besser aufpassen, welche Storys man uns aufdrückt, welche wir akzeptieren und für glaubwürdig halten, wem sie nützen und welchen Wahrheitsgehalt sie haben.
Die NATO ist zu nah an Russland herangerückt, entgegen den Versprechen, die der Westen Gorbatschow und anderen nach dem Ende des Kalten Kriegs gegeben hat, das sagen politische Beobachter seit vielen Jahren.
Für die Rüstungsindustrie ist diese Bedrohungslage auf beiden Seiten eine Bonanza. Für die Menschen bedeutet sie, in Angst zu leben und auf Ressourcen zu verzichten, die nun der Rüstungsindustrie gegeben werden. Zudem ist das Militär mit all seinen Vorbereitungen auf einen Krieg extrem umweltschädlich, übertroffen nur noch von den Schäden heißer Kriege. Der Klimakollaps ist vergessen, ebenso der Ökozid, denn „jetzt ist Krieg".
Fast immer geht eine Aggression gegen äußere Feinde von einer inneren Bedrohungslage aus, sei es in einer Person oder einer Nation. Sobald ein äußerer Feind klar definiert ist, wird derjenige, der gegen diesen Feind vorgeht, zum Helden oder zum Bully, und im Falle von Stämmen, Institutionen oder Ländern schart sich „das Volk" – auch in demokratisch genannten Nationen – um den starken Mann (beziehungsweise die Frau, Beispiel Thatcher). In als Krisen wahrgenommenen Situationen steigt die Popularität der kantig bis aggressiv auftretenden Führer gegenüber den milder gestimmten, empathischeren, man traut ihnen mehr zu, uns gegen den schlimmen Feind zu schützen. Das war auch in Coronazeiten im „Krieg gegen das Virus" so.

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Gesellschaft | Politik, 01.03.2022

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