Wie atmet der Amazonas?

Forschergruppe befährt Gewässer im brasilianischen Regenwald mit Mess-Roboter

Am 3. März reisen Forschende der TU Bergakademie Freiberg ins Gebiet um Manaus. Im Gepäck haben sie einen gut 120 Zentimeter langen Messroboter. Damit analysieren sie vor Ort in insgesamt dreizehn Seen und Teichen des Amazonasbeckens den Gasaustausch von Kohlendioxid und ermitteln anschließend die Gasflüsse von Methan und Lachgas im Freiberger Labor. Nach der Forschungsreise im Oktober 2021 ist dies die zweite Amazonas-Reise des Teams.

100 km stromaufwärts von Manaus fächert sich der Rio Negro aufgrund seiner bevorstehenden Mündung in den stark sedimentierenden Amazonas auf etwa 27 Kilometer Breite auf. Der Anavilhanas-Archipel ist gekennzeichnet durch ein einzigartiges Ökosystem mit großer Artenvielfalt. © sabino-jose, pixabay.com"Der Gasaustausch dieser Gewässer erscheint repräsentativ für die im Amazonasbecken typischen Stillgewässer zur Trockenzeit", sagt Projektleiter Prof. Jörg Matschullat. Zwischen dem minimalen Wasserstand der Trockenzeit und dem maximalen Wasserstand der Regenzeit liegen bis zu 30 Meter. Steigt oder sinkt der Pegel, verändert sich der Druck der Wassersäule auf den Boden, seine Fähigkeit Kohlenstoff zu speichern wird beeinflusst und klimarelevante Gase können freigesetzt werden. Nach den Trockenzeit-Messungen im Oktober 2021 untersuchen die Forschenden dieselben Gewässer jetzt nochmals in der Regenzeit. "Besonders interessiert uns, welche Auswirkungen die Wasserstands-Schwankungen auf den Gasaustausch haben, denn dies kann als Modell für Extremwetterverhältnisse in Europa dienen", erklärt Prof. Matschullat.

Wald unter Wasser
Liegen die Ergebnisse aus dem Vergleich der Boden-Atmung in der Trocken- und der Regenzeit vor, kann das Team wichtige Schlüsse für bestehende Klimamodelle im Amazonas-Raum ziehen: "Speicher-, Senken- beziehungsweise Quellfunktionen von tropischen Gewässern zu verstehen und korrekt bestimmen zu können, ist eine wesentliche Voraussetzung für ein gezieltes Gewässermanagement - auch im Sinne einer Anpassung an den Klimawandel", erläutert der Freiberger Geoökologe. "Wir erwarten dank der neuen Erkenntnisse aber auch Antworten auf die Frage, wie künftige Klimarealitäten aussehen könnten", sagt Prof. Matschullat. "Studien unter extremeren Klimabedingungen sind äußerst hilfreich, um zukünftiges Verhalten des Umweltsystems besser einschätzen und darauf reagieren zu können."

Neuentwickelte Messtechnik erhebt und visualisiert Daten
Die Daten zur Atmung des Amazonas gewinnt das Team mit einer an dem Mess-Roboter angebrachten neu entwickelten Messtechnik. "Außerdem ist die Plattform mit mehreren Sensoren ausgestattet, die in verschiedenen Tiefen gleichzeitig weitere Wasserparameter erfassen können. Zusätzlich spürt ein Sonar Unterwasserstrukturen sowie weitere Sensoren Hindernisse in und auf dem Gewässer auf und legt damit die Grundlage für die automatische Pfadplanung des Messsystems", erklärt Prof. Yvonne Joseph vom Institut für Elektronik- und Sensormaterialien.

Wie effektiv der Mess-Roboter Daten unter feucht-tropischen Bedingungen erheben kann, testen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Mess-Kampagnen in Brasilien. "In Vorbereitung eines autonomen Betriebes waren dies die ersten technischen Tests der Lokalisierung des Roboters per Satellitennavigation im Bäume-Labyrinth des Amazonas sowie der Qualität der Tiefenmessung. Zudem stellt das feuchtwarme Klima eigene Anforderungen an die Installation und die Elektronik des Systems", berichtet Prof. Sebastian Zug von der Professur für Softwaretechnologie und Robotik. Künftig wird der Mess-Roboter auch unter herausfordernden Bedingungen selbstständig unterwegs sein und Daten entweder in der Fläche oder an bestimmten Punkten erfassen. "Je nach wissenschaftlicher Fragestellung kann dann aus den Daten ein zwei- oder dreidimensionales Modell des Gewässers und der Umgebung unter und über Wasser abgeleitet werden, das in Virtual-Reality-Anwendungen visualisiert und analysiert werden kann", so Prof. Zug.

Hintergrund: Forschungsprojekt im Rahmen der Nachwuchsgruppe RoBiMo
Die interdisziplinäre Nachwuchsgruppe RoBiMo (Robotergestütztes Binnengewässer Monitoring), in der auch das Projekt RoBiMo-Trop angesiedelt ist, wird durch den Freistaat Sachsen mit den Mitteln des Europäischen Sozialfonds bis Ende Dezember 2022 gefördert. Das Forschungsprojekt RoBiMo-Trop hat zum Ziel, in mehreren Messkampagnen das Austauschverhalten der Treibhausgase von tropischen Seen über einen Zeitraum von drei Jahren zu untersuchen.

Die beiden Forschungsreisen des Freiberger Teams werden dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt unterstützt. Vor Ort arbeiten die Forschenden mit der brasilianischen Forschungseinrichtung EMBRAPA Amazonas Ocidental zusammen. Die EMBRAPA bringt Infrastrukturen vor Ort und Logistik in das Projekt ein. Die zu entwickelnde Messtechnik könnte künftig von brasilianischen Fachbehörden zur Gewässerkontrolle eingesetzt werden.

Kontakt: TU Bergakademie Freiberg | presse@zuv.tu-freiberg.de | www.tu-freiberg.de


     
        
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