Was ich noch zu sagen hätte…

Gefahren, Chancen, Bewusstseinswandel

... dauert – in Anlehnung an den Song von Reinhard Mey – keine Zigarette und auch kein letztes Glas im Stehn. Vielmehr habe ich die letzten Seiten des Specials zur IAA Mobility reserviert, um sie den Gefahren, aber vor allem den Chancen der Mobilität als Vehikel für einen Kultur­ und Bewusstseinswandel zu widmen.

© ALTOP-VerlagIn der forum-Redaktion hat uns der Blick in die „Zukunft der Mobilität" erneut viel Spaß gemacht. Seit vielen Jahren widmen wir uns diesem Thema. Nicht nur in unseren Publikationen, sondern auch ganz konkret in unserer Unternehmenspraxis. Es hat uns erinnert an die ersten Fahrradkuriere und Fahrräder mit Wetterschutz, an unser erstes E-Mobil, an die Anfänge von StattAuto und Mitfahrzentrale, die ersten Fahrradreisen und an den lang erwarteten Start der Bahncard. Und an Daniel Goeudevert, den Shootingstar unter den CEOs der Automobilbranche, dessen Forderung „Wir Autokonzerne sollten bis zum Jahr 2000 nicht mehr Autos verkaufen, sondern Mobilität" wie eine Bombe einschlug. Was für eine Vision! Sie kostete ihn seinen Job bei VW und wurde leider erst viel später in der Branche angegangen.

Die Vision vom Ein-Liter-Auto tauchte kurz auf, schaffte es jedoch nie in die Serienproduktion. Stattdessen begann ein noch nie da gewesenes Leistungswettrüsten in der weltweiten Liga der Automobilhersteller, das bis heute anhält. Entsprechend blieben wir mit unseren Elektromobilen der Marken City-EL und Reeva eine Ausnahmeerscheinung im Münchner Straßenbild. Unsere drängenden Fragen nach smarten Elektrofahrzeugen wurden bei der deutschen Autoindustrie mit einem Lächeln abgetan. Selbst dann noch, als wir mit Begeisterung von neueren Ansätzen zur E-Mobilität und einem gewissen Elon Musk berichteten...

Der Rest ist die Geschichte verpasster Chancen – nicht nur im Bereich der Mobilität, sondern auch in den Segmenten Energiewende, New Work, Ressourcenschonung, Infrastruktur, C2C und nachhaltiges Wirtschaften. Geiz und Konsum waren leider „geil" und ein wirklich vorausschauendes und vor allem verantwortungsbewusstes Haushalten unnötiger Luxus...
 
Eine Show für den Wandel – wir unterstützen
Deshalb ist die IAA Mobility jetzt ein Lichtstreif am Horizont, denn sie signalisiert hoffentlich den Wandel von der Autokultur zu einer genussvollen, sozialen und intelligenten Mobilitätskultur, die Gesundheits-, Umwelt- und Klimaaspekte berücksichtigt und neue Wege für unsere Gesellschaft aufzeichnet.

Sie kann sich – wenn ihre Macher*innen den Mut, das Durchhaltevermögen und die richtigen Absichten mitbringen – von der Automesse zu einer Plattform für die Mobilität der Zukunft entwickeln. Dafür muss sie Menschen zusammenbringen, die gemeinsam Lösungen für Fußgängerinnen, Radfahrer, Autoliebhaber entwickeln und dabei Stadtplaner, Politikerinnen und Akteure aus Wirtschaft, NGOs und Medien einbeziehen. Dafür ist es höchste Zeit, denn die Zahlen verkünden „Gefahr": Die verkehrsbedingten CO2-Emissionen sind ebenso wie der Flächenverbrauch für Straßen und Infrastruktur gestiegen. Es gibt Städte, die in Verkehr und Smog geradezu ersticken, jede neu gebaute Straße erzeugt zusätzlichen Verkehr, Stress, Lärm und Gesundheitsbelastungen für die Anlieger*innen.

Visionen für die Zukunft – wir berichten
Doch forum redet nicht über Probleme, sondern über Lösungen und sorgt dafür, dass diese Lösungen nicht nur ihren Weg in eine zukunftsweisende Mobilitätsausstellung, sondern auch in die Realität finden. Deswegen erhalten Sie einen kleinen Einblick, was wir in kommenden Specials und Sonderheften sowie online vorstellen: Ideen, Projekte, Lösungen und Kommentare aller Stakeholder, die inspirieren, begeistern und für Orientierung sorgen. So etwa die Aussagen unserer Kanzlerkandidatin und Kanzlerkandidaten, wie sie sich die Zukunft der Mobilität und unserer Autoindustrie am Wirtschaftsstandort Deutschland vorstellen. Mehr dazu hier.

Als Umweltpreisträger der Stadt München präsentierte ich vor vielen Jahren die Vision eines autofreien Zentrums innerhalb des Münchner Altstadtrings. Heute können wir zumindest über ein neu geschaffenes Mobilitätsreferat und ein „Digital Hub Mobility" berichten. Gemeinsam mit Start-ups, etablierten Unternehmen, Stadtverwaltung sowie Münchnerinnen und Münchnern wagt es urbane Experimente, aus denen Mobilitätslösungen für eine lebenswerte Stadt entstehen.

Wir sind im Austausch mit dem Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam und haben gemeinsam ausgewertet, ob eine verkehrsberuhigte Innenstadt oder eine Fußgängerzone zur „Apokalypse" für die lokalen Geschäfte und zum „Niedergang des Einzelhandels" führen könnten. Das Ergebnis ist, dass der lokale Einzelhandel von einer Mobilitätswende sogar profitieren wird und sich deshalb dafür einsetzen sollte. Wir diskutieren laufend mit Forscher*innen und Entwickler*innen an Instituten und Universitäten über Fortschritte im Bereich der Batterietechnik, der Wasserstofftechnologie und der regenerativen Energiegewinnung. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) etwa sucht nach einer umweltschonenden Alternative zu Lithium, über die wir gerne berichten. Mit Ungeduld warten wir seit Jahren auf das bidirektionale Lademanagement von E-Fahrzeugen als Missing Link der Energiewende. Im kommenden Heft (04/2021) können wir dazu endlich Aktivitäten von BMW und VW vorstellen.
 
Getrieben durch Digitalisierung und Klimawandel entwickeln ungezählte Start-ups und nun auch etablierte Hersteller emissionsarme Fahrzeuge, egal ob ein- oder zweispurig. Davon werden die seit Jahren gebeutelten Autohäuser wenig profitieren. Im Gegenteil: Beschleunigt durch Corona-Krise und Urbanisierung, ist der europäische Autoabsatz bereits im Jahr 2020 um rund 30 Prozent eingebrochen. Eine Transformationsagentur hilft Autohäusern, zu überleben und sich in Mobilitätshäuser zu verwandeln. Mehr dazu hier: Das Mobilitätshaus

Von Fritz Lietsch

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2021 mit Heft im Heft zur IAA Mobility - KRISE... die größte Chance aller Zeiten erschienen.

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