Wie ein Klimaschutzgesetz unseren Wald ruiniert – Waldwildnis ist die falsche Strategie!

Der aktuelle Kommentar von Roland Irslinger

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung festgelegt, in welchem Umfang die Treibhausgasemissionen jedes Jahr sinken sollen. Die Wälder in Deutschland sollen verstärkt als Kohlenstoffsenke fungieren und fortlaufend mehr Kohlenstoff (C) einlagern. Bis zu einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid (CO2) will man zusätzlich im deutschen Wald binden. Doch nützt das dem Klima wirklich?
 
© jplenio, pixabay.com
Ein Blick in die Glaskugel
Der Verzicht auf Holznutzung soll dazu führen, einen sehr viel höheren C-Speicher in den Wäldern aufzubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste man auf die Nutzung von 40 Mio. Kubikmeter Holz pro Jahr verzichten. Aber geht das überhaupt? Zwar können einzelne Wälder sehr alt werden, aber nicht ganze Waldlandschaften. Denn ein Großteil der Wälder wird durch Trockenheit, Stürme und Insekten frühzeitig geschädigt. Auf zweifelhaften Annahmen eine Politik des Klimaschutzes zu gründen, ist mehr als fahrlässig.
 
Alte Wälder sind labile Kohlenstoffspeicher
Alte Wälder sind nicht grundsätzlich größere C-Speicher. Zum einen werden sie mit zunehmendem Alter und Holzvorrat instabil und zum Klimarisiko. Die Hitzesommer haben gezeigt, wie empfindlich Wälder auf Trockenstress reagieren. Auch in Naturwäldern können Stürme und Insekten zu großflächigen Störungen führen, unsere Wälder werden künftig vermehrt durch Feuer vernichtet werden und dabei große Mengen an CO2 freisetzen. Steigende Totholzmengen erhöhen das Risiko zusätzlich; Siedlungen sind gefährdet.

Zum anderen stellen alte Wälder durch die Absterbeprozesse der Bäume vermehrte CO2-Quellen dar. Die EU schreibt aber vor, dass C-Speicher unbedingt langfristig stabil und anpassungsfähig sein müssen.

Eine Erhöhung des Waldspeichers durch Verzicht auf Nutzung des Waldes verstößt insofern gegen EU-Recht.
 
Bauholz als Speicher
Etwa 30 Prozent des in Deutschland geernteten Holzes werden zu Holzprodukten verarbeitet. Dabei stellt der im Holz enthaltene Kohlenstoff eine Erweiterung des Waldspeichers dar. Ein Kubikmeter in einem Holzhaus verbauten Holzes bindet eine Tonne CO2, das frei werden würde, wenn man das Holz verrotten ließe. Humus und Nährstoffe bleiben durch die Waldwirtschaft erhalten Pflegliche Waldwirtschaft hat keine negativen Folgen für den C-Vorrat im Humus der Böden. Trotz Holznutzung wird jedes Jahr weiteres CO2 im Waldboden gebunden.

Die Versauerung der Waldböden ist in erster Linie auf den Stickstoff zurückzuführen, der durch den sauren Regen in den Wald gelangt. Die mit der Holzentnahme dem Wald entzogenen Elemente Calcium, Kalium und Magnesium werden durch Verwitterung von Mineralien und Gesteinen nachgeliefert. Zudem wird schwaches Holz mit weniger als 7 bis 10 Zentimetern Durchmesser, das wegen des großen Rindenanteils hohe Nährstoffgehalte hat, im Wald belassen. Eine reduzierte Holznutzung, wie sie jetzt von der Politik geplant ist, würde den Versauerungsdruck auf die Böden nicht verringern.
 
Holz ist ein Ersatz für fossile Brennstoffe
Hinzu kommt noch ein weiterer Punkt. Werden aus dem geernteten Holz Holzprodukte hergestellt, ist dieser Prozess mit weniger fossilen CO2-Emissionen verbunden, als wenn Stahl, Aluminium, Glas oder Beton verwendet würde. Werden ausrangierte Holzprodukte am Ende energetisch genutzt, gelangt das CO2 erst nach Jahren beziehungsweise Jahrzehnten nach der Holzernte wieder in die Atmosphäre. Je langlebiger die Produkte, desto später und desto besser für das Klima. Ein Kubikmeter energetisch genutztes Holz vermeidet etwa 0,6 t fossiles CO2. Holz, das im Naturwald verrottet, setzt zwar dieselbe Menge an CO2 frei wie Holz, das energetisch genutzt wird, allerdings ohne fossiles CO2 zu vermeiden. Die beste Strategie für den Klimaschutz ist also, möglichst viel des geernteten Holzes zunächst zu Holzprodukten zu verarbeiten und später im Heizkraftwerk zu verbrennen. Damit vermeiden wir je Kubikmeter geerntetem Holz etwa eine Tonne fossiles CO2.

Zwar entsteht bei der Verbrennung von Holz wegen dessen geringer Energiedichte bezogen auf den Energiegehalt 75 Prozent mehr CO2 als bei der Verbrennung von Erdgas. Holz energetisch zu nutzen ist aber trotzdem CO2-neutral, solange der C-Vorrat der Waldlandschaft durch das Nachwachsen der Bäume erhalten bleibt. Denn fossile Energieträger befördern Kohlenstoff aus der Erdkruste in den Kreislauf von Biosphäre und Atmosphäre. Die Verbrennung von Holz setzt dagegen nur Kohlenstoff frei, der bereits Teil dieses Kreislaufes ist.
 
Ein gefällter Baum ist bereits nach einem Jahr kompensiert
Prof. a.D. Roland Irslinger war Professor für Waldökologie an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar. © privatFalsch ist es, zu behaupten, es würde 100 Jahre dauern, bis der Kohlenstoff im nachwachsenden Baum wieder gespeichert ist, so lange würde das CO2 die Atmosphäre belasten. Angenommen, in einem Modell-Wald stehen hundert Bäume und jeder Baum ist ein Jahr älter als der Nächstjüngere und der hundertjährige Baum wird geerntet. Die aus dem Wald exportierte Holzmenge ist bereits am Ende der folgenden Vegetationsperiode durch Photosynthese der restlichen 99 Bäume und der anstelle des gefällten Baumes wachsenden Keimlinge wieder nachgewachsen. Die Wald-Biomasse ist ein Jahr nach der Holzernte daher so groß wie zuvor.
 
Klimaschutz muss global ansetzen
Eine naturnah bewirtschaftete Holznutzung aus heimischen Wäldern ist alles in allem eine unentbehrliche Stütze im Kampf gegen den Klimawandel. Unbewirtschaftete Wälder verstärkt als C-Senken zu deklarieren, wäre sehr riskant, würde mehr Holzimporte nach sich ziehen und zur Abholzung von Naturwäldern, zum Beispiel in Sibirien beitragen und dort riesige Mengen an CO2 freisetzen. Das ist typisches Verhalten reicher Nationen, die so ihren ökologischen Fußabdruck ins Ausland verlagern und vergessen, dass Klimaschutz global ansetzen muss.
 
Prof. a. D. Roland Irslinger studierte Forstwissenschaften, arbeitete als Professor für Ökologie an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar, forschte in der Mata Atlântica in Brasilien und war beratend tätig beim Aufbau des WWF-Goldstandards zur Zertifizierung von Aufforstungsprojekten für den Klimaschutz.

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Umwelt | Klima, 13.12.2021
     
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