Green Deal
Schlüssel für Klimaschutz und Modernisierung der Wirtschaft
Dass Deutschland seine Klimaschutzziele im Verkehrssektor bisher verfehlt hat, heißt nicht, dass mehr Klimaschutz im Verkehrssektor unmöglich ist. Es bedeutet, dass Deutschland bisher nicht genug getan hat, den Verkehrssektor zu modernisieren. Entscheidend sind vor allem zwei Hebel: Elektrifizierung und Verlagerung.
Die Europäische
Union hat sich mit dem Green Deal viel vorgenommen. Der Green Deal soll nicht
nur den europäischen Kontinent bis 2050 klimaneutral machen und so zum
Erreichen der Klimaziele von Paris beitragen; er ist gleichzeitig auch als
Modernisierungsprogramm für die Wirtschaft gedacht. Um Klimaneutralität bis
2050 zu erreichen, haben die EU-Staats- und Regierungschefs am 11. Dezember
2020 auch das EU-Klimaziel für 2030 erhöht: von bisher 40 Prozent weniger
Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 auf mindestens 55 Prozent. Was
bedeutet das für die deutschen Klimaschutzziele, den Wirtschaftsstandort
Deutschland, insbesondere für die Automobilindustrie und Mobilitätswirtschaft?
Der Verkehrssektor
ist eines der größten Sorgenkinder des Klimaschutzes. Die Abhängigkeit von
fossilen Energieträgern, in erster Linie Öl, ist ungebrochen. Deutschland hat
es hier – anders als in allen anderen Sektoren: Energiewirtschaft, Gebäude,
Industrie, Abfall, Landwirtschaft – in den letzten 30 Jahren nicht geschafft,
die Emissionen absolut zu senken. Die Emissionen liegen seit 1990 bei gut 160
Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Das Ziel für 2050 lautet jetzt
aber nicht mehr vage minus 80 bis 95 Prozent, sondern Klimaneutralität, also
minus 100 Prozent. Das macht deutlich, wie groß die Herausforderung ist.
Während die absolute Emissionsminderung im Verkehrssektor 30 Jahre lang bei
Null verharrte, sollen die Emissionen in den kommenden 30 Jahren auf Null
gesenkt werden.
Ein Blick auf das
Zieljahr 2030 macht die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit konkreter. Das
Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, das Ende 2019 verabschiedet wurde,
bringt nur etwa die Hälfte der notwendigen Emissionsminderung bis 2030 –
gemessen an den bestehenden nationalen Klimazielen. Nach den amtlichen
Gutachten der Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt zur Bewertung des
Klimaschutzprogramms verbleibt im Verkehrssektor eine Lücke von etwa 33
Millionen Tonnen bis 2030. Deshalb stellt sich die berechtigte Frage: Ist eine
Zielverschärfung in einem Sektor möglich und sinnvoll, in dem schon die
bestehenden Ziele krachend verfehlt werden?
Deutschlands Pfad zur Klimaneutralität 2050
Eine
Zielverschärfung im Verkehrssektor auf europäischer wie auf deutscher Ebene ist
nicht nur klimapolitisch notwendig, sondern auch industrie- und
wirtschaftspolitisch richtig. Denn nicht nur die EU setzt auf mehr Klimaschutz.
China will CO2-Neutralität vor 2060 erreichen,
Kalifornien bis 2035 aus dem Verbrennungsmotor aussteigen. Erstmalig seit dem
UN-Klimagipfel von 2015 wird also in den größten Automobilmärkten der Welt
über Ziele nachgedacht, die mit dem Pariser Klimaschutzabkommen in Einklang
sind. Das bedeutet für die Industrie: Nur Geschäftsmodelle, die sich an den
Zielen von Paris orientieren, werden in Zukunft wettbewerbsfähig sein. Gerade
für die exportorientierte Automobilwirtschaft in Deutschland gilt also: Nur
wenn das eigene Geschäftsmodell mit Paris kompatibel ist, können auch die
Exportmärkte von morgen langfristig gesichert werden.
In einer Studie
haben die Thinktanks Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung
Klimaneutralität untersucht, was ein fairer Beitrag des deutschen
Verkehrssektors für ein EU-Klimaziel von minus 55 Prozent bis 2030 (bisher minus
40 Prozent) und ein deutsches Klimaschutzziel von minus 65 Prozent bis 2030
(bisher minus 55 Prozent) sein könnte. Das Ergebnis: eine Reduktion um 73
Millionen Tonnen CO2 – von 162 Millionen Tonnen im Jahr 2018 auf
89 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Das sind sechs Millionen Tonnen mehr als
bereits über das Klimaschutzprogramm beschlossen sind. Das Klimaschutzziel 2030
würde also im Verkehrssektor von minus 42 Prozent auf minus 46 Prozent
angehoben.
Elektrifizierung von Pkw und Lkw
Zum Erreichen dieses Ziels gibt es vor allem zwei Hebel: Elektrifizierung und Verlagerung. Der Markthochlauf der Elektromobilität im Straßenverkehr muss beschleunigt
werden, von 10 Millionen E-Pkw bis 2030, wie es die Bundesregierung bisher anstrebt, auf 14 Millionen. Kritisch für den Erfolg ist es, den Markthochlauf so früh wie möglich zu beschleunigen. Jede Verzögerung würde später eine noch steilere Kurve erfordern.
Für eine
beschleunigte Elektrifizierung braucht es eine umfassende Steuer- und
Abgabenreform in der nächsten Legislaturperiode mit mehreren Komponenten:
Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte der EU, Umwandlung der
Kfz-Steuer zu einem CO2-orientierten Bonus-Malus-System, Reform
der Dienstwagenregelung, Begünstigung von Hybrid-Fahrzeugen nur bei überwiegend
elektrischer Nutzung, konsequente CO2-Bepreisung auf Kraftstoffe, Abschaffung des Dieselprivilegs. Dadurch werden
E-Autos den Verbrenner im europäischen Neuwagenmarkt bis 2035 verdrängen.
Spätestens ab 2035 kommen also keine neuen Verbrennerfahrzeuge mehr auf die
Straße.
Auch im
Güterverkehr wird sich der Elektroantrieb durchsetzen. Bis 2030 wird ein
Drittel der Fahrleistung im Straßengüterverkehr elektrisch sein. Offener als
bei den Pkw ist beim Lkw noch, welches die dominante Technologie sein wird, um
die Energie in den Lkw zu bringen: Batterie, Brennstoffzelle oder Oberleitung.
Ziel muss es sein, möglichst rasch Klarheit zu schaffen, welche Optionen die
größten Potenziale in der Entwicklung und Emissionsminderung haben.
Kraftstoffe und Verkehrsverlagerung
Die kommenden zehn Jahre entscheiden über Erfolg oder Misserfolg im Klimaschutz. In dieser Zeit werden alternative Kraftstoffe – nachhaltige Biokraftstoffe, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien – bei weitem nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen und sehr teuer sein. Die begrenzten Mengen werden in Bereichen benötigt, die keine Alternativen haben, etwa im Luft- und Seeverkehr, aber vor allem in der Industrie und der Energiewirtschaft für wetterunabhängige Stromerzeugung. Klimaneutralität im Pkw-Bestand über die Dekarbonisierung der Kraftstoffe ist deshalb keine Option. Der batterieelektrische Antrieb hat das Rennen für sich entschieden.
Die Umstellung der Antriebe auf erneuerbare Energien, die Energiewende im Verkehr, wird allein nicht reichen. Es braucht auch die Mobilitätswende, die Verlagerung des Verkehrs, die Änderung von Routinen. Im Personenverkehr wird sich dafür die Verkehrsleistung im öffentlichen Verkehr bis 2035 verdoppeln. Auch der Fuß- und Radverkehr sowie neue Dienste wie die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen nehmen deutlich zu. Dafür geht der Pkw-Anteil zurück, bis 2030 um 13 Prozent und bis 2050 um 30 Prozent. Im Güterverkehr wächst der Anteil der Schiene. Die Leistung des Schienengüterverkehrs steigt bis 2030 um 44 Prozent, während der Straßengüterverkehr nur geringfügig wächst.
Auf dem Weg zur Mobilität von morgen
Zum Erreichen dieser Ziele müssen mehrere Instrumente kombiniert werden, etwa die Anrechnung der wahren Kosten für den Autoverkehr und massive Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Verbindung mit neuen Mobilitätsdienstleistungen. Neu hinzu kommt eine leistungsabhängige und differenzierte Pkw-Maut, ähnlich wie im Güterverkehr. Die Einnahmen sollten dabei nicht allein dem Straßenverkehr zugutekommen. Vielmehr sollten sie ein ökonomisch, sozial und ökologisch nachhalti ges Verkehrssystem finanzieren: mit leistungsfähigen Bussen und Bahnen, innovativen Mobilitätsangeboten und guten Bedingungen für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen.
Der European Green Deal und die konsequente Erhöhung des Klimaschutzziels für den Verkehrssektor können der entscheidende Schlüssel für die Modernisierung des Verkehrssystems werden. Eine umfassende Verkehrswende ist also nicht nur ein Klimaschutzprojekt, sondern ein Teil der Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, auch um die Mobilität von morgen zu sichern.
Christian Hochfeld leitete bei der
Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Programm
für Nachhaltigen Verkehr in China, bevor er im Februar 2016 Geschäftsführer der
Agora Verkehrswende wurde. Von 2004 bis 2010 war er Mitglied der
Geschäftsführung des Öko-Instituts, davor seit 1996 Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am gleichen Institut. Der Diplom-Ingenieur studierte an der
Technischen Universität Berlin technischen Umweltschutz.
Fahrtrainings reduzieren Emissionen und senken Mobilitätskosten
Umweltfreundliche Fahrzeuge sind das eine, eine angepasste Fahrweise das andere. Um das Klima zu schützen und gleichzeitig Mobilitätskosten zu senken, empfiehlt B.A.U.M. ECO-Fahrsicherheitstrainings – besonders für Mitarbeitende in Service und Außendienst. Bei der Durchführung der Trainings kooperiert B.A.U.M. seit vielen Jahren mit EcoConsult-Fahrtraining e.K. Das Mitgliedsunternehmen hat seit 1997 mehr als 50 000 Vielfahrer:innen erfolgreich geschult und sich auf Kurse für Unternehmen und Behörden spezialisiert.
Der Nutzen:
Die am Kurs Teilnehmenden trainieren auf einer Fahrsicherheitsanlage sowie im Realverkehr. Der Ort des Trainings wird mit den Kunden abgestimmt. Die Kosten sind abhängig von Kursgröße und Trainingsanlage; sie amortisieren sich in der Regel schon bei Fahrleistungen ab 10 000 km. Zudem gewähren die Berufsgenossenschaft en Zuschüsse. Bitte senden Sie bei Interesse eine E-Mail an dieter.bruebach@baumev.de – möglichst mit Nennung der ungefähren Anzahl der zu schulenden Personen.
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Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Technik | Mobilität & Transport, 01.03.2021
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