Saurer Regen war gestern?

Sulfat in Gewässern ist und bleibt dennoch ein Problem

Saurer Regen gehört eigentlich der Vergangenheit an, doch noch immer steigen die Sulfatkonzentrationen in vielen Binnengewässern weltweit. Forschende unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der dänischen Universität Aarhus geben in einer neuen Studie einen Überblick, aus welchen Quellen das Sulfat heute stammt und welche Folgen es hat. Sie weisen darauf hin, dass die negativen Folgen für Ökosysteme und Trinkwassergewinnung bisher nur regional wahrgenommen werden und empfehlen, Sulfat stärker in rechtlichen Umweltstandards zu berücksichtigen. 
 
Binnengewässer sind wieder zunehmend mit Sulfat belastet. © Solvin Zankl'Saurer Regen' war ein Phänomen der 1980er Jahre, als bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe große Mengen an Schwefel in die Atmosphäre gelangten. Nachdem Kraftwerke in Nordamerika und Europa zur Rauchgasentschwefelung nachgerüstet wurden, schien die Gefahr zunächst gebannt. In Deutschland sanken die atmosphärischen Schwefeleinträge um 90 Prozent. In Binnengewässern blieben die Konzentrationen an Sulfat, das aus Schwefel gebildet wird, in den letzten Jahrzehnten dennoch nahezu unverändert; in einigen Regionen stiegen sie sogar. Für die Forschenden ein klares Zeichen dafür, dass andere Quellen an Bedeutung gewonnen haben.
 
In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise zeigt ein Vergleich der Sulfatkonzentrationen in 41 Seen zwischen 1985-1990 und 2016-2019, dass 30 Jahre nach dem drastischen Rückgang der atmosphärischen Schwefeleinträge nur in rund 60 Prozent der Gewässer die Sulfatkonzentrationen um mehr als 10 Prozent gesunken sind; In 20 Prozent der Seen sind die Sulfatkonzentrationen sogar um mehr als 10 Prozent angestiegen.
 
Entwässerung, Kunstdünger und Braunkohletagebau zählen zu den Hauptursachen
Gelöstes Sulfat entsteht in Binnengewässern natürlicherweise durch die Verwitterung von Mineralien, bei Vulkanismus oder beim Abbau von organischem Material. Doch vor allem menschliche Aktivitäten lassen die Konzentrationen von Sulfat im Wasser deutlich ansteigen. Neben den atmosphärischen Einträgen sind dafür insbesondere die Entwässerung von Mooren, die Absenkung des Grundwasserspiegels für den Braunkohletagebau, Düngerauswaschungen aus landwirtschaftlich genutzten Böden sowie Abwässer aus Landwirtschaft und Industrie verantwortlich. Weltweit macht der landwirtschaftliche Einsatz von schwefelhaltigen Substanzen rund 50 Prozent des jährlich in die Umwelt eingetragenen Schwefels aus. So gelangt in einigen Regionen der Welt heute mehr Schwefel in Böden und Gewässer als zum Höhepunkt des sauren Regens.
 
Der Klimawandel verschärft die Situation
Die Folgen des Klimawandels tragen zu einer Verschärfung bei: "Zunehmender Starkregen spült schwefelhaltige Böden und Dünger in Gewässer; größere Flächen von Feuchtgebieten fallen trocken; durch steigende Meeresspiegel gelangt sulfatreiches Salzwasser ins Grundwasser und in Flüsse, wo es die Sulfatkonzentrationen erheblich erhöhen kann", fasst Dr. Dominik Zak von der dänischen Universität Aarhus die Prognosen zusammen, die er und seine Mitautor*innen in der Übersichtsstudie zusammengetragen haben.
 
Negative Folgen für Mensch und Ökosysteme
Die Spree ist ein Beispiel für Flüsse, in denen die Sulfatkonzentrationen als Folge des Braunkohletagebaus angestiegen sind. In einigen Abschnitten überschreitet sie schon heute den Trinkwassergrenzwert von 250 Milligramm pro Liter. "Das ist problematisch, da diese Gewässer als Trinkwasserquelle genutzt werden - typischerweise über Grundwasserentnahme und durch Uferfiltration. Nach wie vor spielt der Braunkohleabbau in vielen Regionen der Welt eine bedeutende Rolle, und überall dort sind Sulfatbelastungen in Gewässern und dem Trinkwasser ein Thema. Auch wenn wir in Deutschland den Ausstieg aus der Braunkohleförderung beschlossen haben, werden uns die Sulfateinträge in unsere Gewässer als Umweltproblem längerfristig erhalten bleiben", prognostiziert IGB-Forscher Dr. Tobias Goldhammer, einer der Autoren der Studie.
 
Sulfat beeinträchtigt nicht nur die Trinkwasserqualität, es beeinflusst auch die Stoffkreisläufe von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor. Das steigert unter anderem den Nährstoffgehalt in Gewässern und damit das Pflanzen- und Algenwachstum sowie das Nahrungsangebot für aquatische Organismen. Die Folge ist ein Sauerstoffmangel im Wasser, der die weitere Freisetzung von Phosphat aus dem Sediment fördert - ein Teufelskreis. Sulfat und seine Abbauprodukte - insbesondere Sulfid - können zudem giftig auf aquatische Lebewesen wirken.
 
Renaturierte Moorflächen binden Schwefel
Die biologische Sanierung mithilfe lebender Organismen wie Prokaryonten, Pilzen oder Pflanzen ist eine Möglichkeit, um Schadstoffe aus Ökosystemen zu entfernen. Pflanzenkläranlagen, Bioreaktoren und durchlässige reaktive Barrieren können auch die Sulfatbelastungen in Gewässern mindern. Viel versprechen sich die Wissenschaftler*innen dabei von der Renaturierung von Mooren: Durch die flächendeckende Trockenlegung von Feuchtgebieten wurden Schwefel und schwefelhaltige Eisenverbindungen freigesetzt. Die Wiedervernässung dieser Flächen kann die Freisetzung stoppen und sogar Schwefel speichern: Gelangt dann mit Sulfat angereichertes Wasser über Grund- oder Oberflächenwasser in diese Feuchtgebiete, wird es dort gefiltert.
 
Sulfat ist ein globales Umweltproblem
"Es besteht großer Handlungsbedarf, die Sulfatkonzentrationen in Gewässern zu verringern. Da die Probleme im Zusammenhang mit hohen Sulfateinträgen bisher vor allem regional wahrgenommen werden, sind die Auswirkungen auf Binnengewässer noch nicht als global aufkommendes Umweltproblem erkannt. So haben viele Länder dafür keine Umweltstandards definiert. Wir möchten mit unserer Studie auf die Problematik aufmerksam machen, den derzeitigen Stand zur Sulfatbelastung aufzeigen und gleichzeitig auf die noch zahlreichen Wissenslücken hinweisen", fasst Dominik Zak zusammen.
 
Über das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
"Forschen für die Zukunft unserer Gewässer" ist der Leitspruch des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Das IGB ist das bundesweit größte und eines der international führenden Forschungszentren für Binnengewässer. Es verbindet Grundlagen- und Vorsorgeforschung, bildet den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und berät Politik und Gesellschaft in Fragen des nachhaltigen Gewässermanagements. Forschungsschwerpunkte sind u. a. die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten und die Auswirkungen des Klimawandels, die Renaturierung von Ökosystemen, der Erhalt der aquatischen Biodiversität sowie Technologien für eine nachhaltige Aquakultur. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin-Brandenburg und weltweit. Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von sieben natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft.
 
Kontakt: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) | pr@igb-berlin.dewww.ig-berlin.de

Umwelt | Wasser & Boden, 28.01.2021
     
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