Insektenfördernde Regionen: Schutz von Insekten in die Fläche bringen
Alarmierende Studienergebnisse
Die Ergebnisse der Studien aus den letzten Jahren sind alarmierend: Das Insektensterben hat dramatische Dimensionen angenommen und eine Umkehr des negativen Trends ist nicht in Sicht. Etwa 48 % der Wildbienenarten in Deutschland gelten als bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben; zahlreiche Arten stehen auf der Vorwarnliste der International Union for Conservation of Nature, der größten Umweltorganisation weltweit und Verfasserin der Roten Listen. Auch um die Vielfalt der Insekten auf und im Boden ist es nicht besser bestellt. Damit belegen sie in der traurigen Statistik zum Verlust der Biodiversität einen der oberen Plätze.
Intensive Landwirtschaft macht Insekten zu schaffen
Die Hauptursachen für den Verlust der Insekten sind identifiziert: Allen voran ist die intensive Landwirtschaft der Grund für das Verschwinden von Lebensräumen und Nahrungsquellen. Auch die früheren „Allerweltsblumen" sind um etwa die Hälfte zurückgegangen und nur noch ca. 2 % des Grünlands ist heute noch artenreich. Pestizide – insbesondere die mit dem unaussprechlichen Namen Neonicotinoide – haben gefährliche Nebenwirkungen oder wirken sogar tödlich auf Wildbienen und andere Insekten.
Die Bodensee-Stiftung arbeitet schon lange daran, dass die Landwirtschaft Teil der Lösung wird. Mit dem neuen EU LIFE-geförderten Projekt „Insektenfördernde Regionen" sollen sieben Anbauregionen zielgerichtet den Schutz der Insekten angehen – und der biologischen Vielfalt insgesamt. Unterstützt wird die Stiftung von erfahrenen Organisationen und Unternehmen: Global Nature Fund, Netzwerk Blühende Landschaften, Nestlé Deutschland und die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Alle bringen ihr Fachwissen in das vierjährige Projekt mit einem Volumen von 3,4 Millionen Euro ein.
Biodiversitätsschutz auf Landschaftsebene
Wissen und konkrete Maßnahmen gibt es aufgrund der zahlreichen Studien und Pilotprojekte reichlich – das große Defizit besteht darin, die Maßnahmen in die Fläche zu bringen. Insektenfördernde Regionen setzt auf den Insektenschutz über die Grenzen eines landwirtschaftlichen Betriebs hinaus: Vertreter der wichtigsten Landnutzer in der Region – allen voran die Landwirtschaft – erarbeiten gemeinsam einen regionalen Biodiversity Action Plan (BAP).
Die Ausgangslage bezüglich der Insekten wird erfasst, d.h. Stärken und Schwächen sowie Potentiale für Verbesserungen. Die Ziele und Maßnahmen der regionalen BAPs werden auf die landwirtschaftlichen Betriebe heruntergebrochen: Sowohl der Obstbauer als auch der Getreideanbauer oder Milchproduzent tragen mit einem betriebsspezifischen BAP dazu bei, dass die Ziele erreicht werden. In Vorreiter-Betrieben werden besonders innovative Maßnahmen umgesetzt und dokumentiert. Auch weitere Landnutzer wie Waldbesitzer, Unternehmen zum Abbau von Rohstoffen oder die Kommunen mit Pachtflächen und Grünanlagen werden einbezogen.
Die Bodensee-Stiftung und ihre Partner unterstützen die Landwirt*innen und weitere Akteure mit umfangreichen Trainingsaktivitäten und dem Biodiversity Performance Tool, einem Instrument, das die Erfassung der aktuellen Situation und die Erarbeitung eines Biodiversity Action Plans erleichtert. Die Entwicklung in den Regionen wird über ein Monitoringsystem erfasst und von den regionalen Arbeitsgruppen überwacht.
Unterstützt werden die Monitoring-Aktivitäten von Menschen, die sich im Rahmen von Citizen Science engagieren wollen. Sie werden entsprechend geschult, um die Entwicklung bestimmter Schlüsselarten zu überwachen.
Landwirtschaft und Lebensmittelbranche fordern und fördern
Insekten- und Biodiversitätsschutz sind nicht zum Nulltarif zu haben und Landwirte, die sehr gute landwirtschaftliche Praktiken anwenden, leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz eines Gemeinguts. Dieser Beitrag muss auch angemessen honoriert werden. Um dies zu erreichen, erarbeiten die Projektpartner ein Konzept für ein Agrar-Umweltprogramm, das in der gesamten Europäischen Union angewendet werden kann. Agrar-Umweltprogramme sind ein wichtiges Instrumentarium zur Integration von Umweltbelangen in die Landwirtschaft und zukünftig soll die Einrichtung von insektenfördernden Anbauregionen besonders gefördert werden.
Aber auch die Lebensmittelbranche ist gefordert! Der erbitterte Preiskampf im Handel wird meistens zu Lasten der Umwelt, der Sozialstandards und der Landwirte ausgefochten, die keine hochindustrialisierten Betriebe haben. Verbrauchern muss klar sein, dass Qualität ihren Preis hat und Umweltqualität dazu gehören muss. Eine spezielle Marketingstrategie und Kommunikation für Verbraucher*innen soll die Nachfrage nach Produkten aus den insektenfördernden Regionen ankurbeln und dafür sorgen, dass sich Umsicht und besondere Verantwortung für Landwirte auch lohnen.
Die Bodensee-Stiftung und der Global Nature Fund gehen mit einem guten Gefühl in dieses anspruchsvolle Projekt. Schließlich zeigt die erfolgreiche Initiative mit Obst vom Bodensee und der Rewe Group, dass beachtliche Erfolge erzielt werden können, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Zum EU-Life Programm und dem Projekt Insektenfördernde Regionen
Das Projekt „Insektenfördernde Regionen" hat ein Volumen von 3,4 Millionen Euro. Die Kosten werden zu 55 % durch das Umweltprogramm LIFE der Europäischen Kommission gefördert. In jeder Ausschreibung werden bis zu 1.000 Projektanträge eingereicht, das Auswahlverfahren ist anspruchsvoll. Etwa 10 % der Anträge werden letztlich bewilligt.
Diese sieben insektenfördernden Regionen sind geplant:
- Bodensee (Landkreise Konstanz, Bodenseekreis, Ravensburg)
- Mittlerer Oberrhein (Landkreise Karlsruhe, Rhein-Neckar-Kreis)
- Hohenlohe (Schwäbisch Hall, Hohenlohe, Main-Tauber-Kreis, Rems-Murr-Kreis, Ostalbkreis, Ansbach)
- Allgäu (Landkreise Ravensburg, Oberallgäu, Unterallgäu, Ostallgäu, Lindau)
- Dresden (Bezirke Dresden, Meißen, Bautzen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge)
- Steinhuder Meer/ Wendland (Landkreise Nienburg/Weser, Schaumburg, Lüchow-Dannenberg)
- Bliesgau (Landkreise Saarpfalz-Kreis, Neunkirchen)
Kontakt: Viktor Konitzer, Global Nature Fund (GNF) | konitzer@globalnature.org | www.globalnature.org
Quelle: Global Nature Fund (GNF)
Umwelt | Biodiversität, 10.12.2020
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