Der Ton macht die Musik

Christoph Quarch hofft, dass ein neuer Spirit nicht nur die Seele Amerikas heilen wird, sondern auch die Seele der Welt

Einen Beitrag von Christoph Quarch zur Situation der Kulturschaffenden in der Corona-Krise lesen Sie in

Rund eine Woche ist es nun her, als sich so langsam abzeichnete, dass Joe Biden das Rennen bei den Präsidentschaftswahlen macht. Am Sonntag feierten und tanzten Menschen auf den Straßen in den USA. Trump, der von seiner Niederlage auf dem Golf-Platz erfuhr, zieht sich seitdem zurück und twittert eifrig weiter, dass er ja eigentlich gewonnen habe. Dieser Streit wird sich noch wochenlang hinziehen, aber eine entscheidende Sache hat sich in den Augen unseres Philosophen Christoph Quarch schon verändert: Mit dem Präsidententeam Joe Biden und Kamala Harris sei ein neuer Ton, eine neue Sprache eingekehrt.

© Gordon Johnson, pixabay.comHerr Quarch, an was machen Sie diesen neuen Ton denn fest?Es geht mir gar nicht so sehr um den Ton als solchen. Der Ton ist eher ein Symptom. Und zwar ein Symptom für etwas schwer Greifbares, das aber für die Politik von entscheidender Bedeutung ist. Lassen Sie es mich probeweise den „Spirit" nennen, der sich in Stil, Stimmung, Tonalität und Sprache der politischen Protagonisten manifestiert. Man braucht ja nur genau hinzusehen, um zu erkennen, dass in den Auftritten von Kamala Harris ein erfrischend anderer Geist weht, den man mit Prädikaten wie „herzlich", „zugewandt", „offen" oder „empathisch" beschreiben kann. Das nährt in mir die Hoffnung, dass sich in den USA und von dort ausgehend in der Welt ein neuer Politikstil durchsetzt, der die finsteren Jahre des Trumpismus hinter sich lassen könnte.

Bei Obama wars ja „Yes we can” – Bei Trump "Make America Great again!” und bei Biden fällt einem auf Anhieb überhaupt kein eingängiger Slogan ein, kein echtes Alleinstellungsmerkmal … Und rhetorisch ist Joe Biden, wenn man ehrlich ist, auch nicht so charismatisch wie ein Barack Obama – Überzeugt sie der Ton des neuen Präsidenten trotzdem?
Joe Biden sprach in seiner Siegesrede wiederholt davon, dass er die Seele Amerikas heilen wolle. Das ist ein bemerkenswertes Wording. Ich glaube nicht, dass Donald Trump jemals von der Seele der USA oder von Heilung gesprochen hat, wenn er posaunte „Make America great again". Aus allen Worten und Taten Trumps sprach eine hemmungslose Egozentrik – persönlich und national. Bei Biden und Harris tritt das Ego hinter die Seele zurück. Das ist interessant, denn darin manifestiert sich ein umfassenderes, ganzheitlicheres Verständnis von Mensch und Welt – eines, dass den Menschen auch in seiner Emotionalität, Spiritualität und Sozialität ernstnimmt. Wer antritt, um die Seele seines Landes zu heilen, hat etwas vom Wesen des Politischen verstanden.

Aber es heißt doch immer – Taten sprechen lauter als Worte – und noch wissen wir doch gar nicht, ob die Handlungen der neuen US-Regierung wirklich so viel besser für die Weltgemeinschaft und die USA sein werden. Ist ein herzlicher, offener, vertrauenswürdiger Ton da nicht eher Nebensache?
Nein, der Ton macht die Musik, auch in der Politik. Jede demokratische Regierung gründet in der Macht, die vom Volk ausgeht. Und Macht – das hat die Philosophin Hannah Arendt gezeigt – verdankt sich der Zustimmung und des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger. Beides lässt sich aber nicht gewaltsam erzwingen, weder durch Fakenews noch durch rhetorische Tricks oder Konditionierungstechniken. Beides gewinnt man aber auch nicht bloß durch rationale Argumente, sondern nur durch Authentizität, Offenheit und Verbindlichkeit. Für nachhaltigen politischen Erfolg muss man die tieferen Ebenen des Menschen ansprechen, und das kann nur, wer wie Biden und Harris den Mut hat, offenherzig und beseelt zu reden.

Zu sein, zu leben, das ist genug.
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Am 20. März feierten wir den 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin. Nun ist Christoph Quarchs Buch zu seinen Ehren erschienen: ein geistiges Therpeutikum und ein Muntermacher in Zeiten der Pandemie.

Allein die Sprache hilft im Moment offensichtlich nicht den Widerstand des abgewählten Präsidenten brechen. Nur wenn das passiert, gibt es eine funktionierenden Amtsübergabe und Bidens Präsidentschaft hat Chancen auf einen guten Start. Was für einen Ton müsste man also einschlagen, um Trump zu besänftigen?
Den eigenen. Das wichtigste ist, sich nicht auf das verlogene Spiel einzulassen, das Trump Biden und Harris  aufzwingen will. Denn das hat die Wahl ja deutlich gezeigt: Trump kann lügen, wie er will, die Hälfte der Amerikaner wählt ihn trotzdem. Tatsächlich geht es nur bedingt um Zahlen und Fakten. Am finalen Wahlergebnis wird sich nichts wesentliches mehr verändern. Wichtig ist nun, dass es Biden und Harris gelingt, die Menschen mit Herz und Seele anzusprechen, ihnen den Glauben an das Gemeinwesen und dessen Zukunft zurückzugeben. Den ersten Schritt dahin haben Sie getan. Jetzt ist zu hoffen, dass weitere Schritte folgen werden, so dass nicht nur die Seele Amerikas geheilt wird, sondern auch die Seele der Welt.

Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."

Hören Sie ihn persönlich im SWR-Podcast Frühstücks-QuarchLesen Sie mehr von ihm unter www.christophquarch.de
 
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".

Gesellschaft | Politik, 16.11.2020

     
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