Es geht auch anders!
Nachhaltigkeitspioniere krempeln die Smartphone-Branche um
Jedes Jahr ein neues Smartphone, das alte landet in der Schublade. Und das, obwohl die Produktion mit massiven Umweltschäden und schlechten Arbeitsbedingungen einhergeht. Doch es geht auch anders: Pionierunternehmen zeigen neue Wege durch den Bezug von fairen Rohstoffen, längere Nutzungsdauer, vereinfachte Reparierbarkeit und ein Pfandsystem für die Geräte. Können sie damit den Markt verändern?

Innovationsgeist von KMUs
Hier ist Veränderung angesagt. Oft sind es kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die solche Missstände beseitigen wollen und dazu radikale Nachhaltigkeitsinnovationen entwickeln. Auch eine wachsende Zahl an Start-ups hat einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit. Kleinere und junge Unternehmen sind hier auch klar im Vorteil, denn sie sind flexibler und können interne Veränderungen schneller umsetzen. Als Pioniere können sie kleinere Marktnischen besetzen, die für größere Firmen uninteressant erscheinen. Eine Studie des Centre for Sustainability Management (CSM) zeigt: In der Smartphone-Branche gibt es mehr nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen als der erste Blick vermuten lässt. Viele lokale Reparaturbetriebe bringen defekte Geräte wieder auf Trab, im lukrativen Zweitmarkt tummeln sich millionenschwere Start-ups, die aufbereitete Smartphonesanbieten und es gibt Hersteller, wie zum Beispiel Fairphone oder die Shift GmbH aus Hessen, die sich gar an die Produktion neuer Geräte heranwagen und damit Zeichen setzen.
Pionier in der Smartphone-Branche

Modularität transformiert Lieferketten

Geschlossene Produkt- und Materialkreisläufe als Beginn des Wandels
Einzigartig im Markt ist jedoch das Pfandsystem von 22€ pro Shift-Smartphone, das auch für defekte Geräte erstattet wird. Damit kommen diese wieder zurück zum Hersteller und können gezielt aufbereitet werden, funktionsfähige Ersatzteile können wiederverwendet werden. Dies soll in Zukunft geschlossene Produkt- und Materialkreisläufe ermöglichen, die Abhängigkeit von Lieferanten verringern und die Ersatzteilverfügbarkeit erhöhen. Als vergleichsweise kleinem Akteur ist der Handlungsspielraum von Shift jedoch eingeschränkt. So lassen sich die Produktion und damit der Ressourcenbezug bei größeren Zulieferern nur bedingt beeinflussen. Außerdem ist der Einkauf aufgrund von fehlenden Skaleneffekten teurer als für die Branchenriesen. Dennoch setzen kleine Hersteller Zeichen, und damit findet auch im Massenmarkt langsam ein Umdenken statt. Der Branchenriese Apple setzt auf bessere Recyclingfähigkeit und seit Neuestem zerlegt Recyclingroboter „Daisy" die Apple-Smartphones zerstörungsfrei in einzelne Module – ihr Verbleib ist allerdings ungewiss...
Ferdinand Revellio ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am CSM und Projektleiter des Innovationsverbundes Nachhaltige Smartphones. In seiner Promotion an der JKU Linz forscht er an der Schnittstelle zwischen Technik, Nachhaltigkeit und Management zu geschlossenen Produkt- und Materialkreisläufen in der Elektronikindustrie.
Simon Norris ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am CSM. In seiner Forschung widmet er sich der Frage, wie Unternehmen Nachhaltigkeitsherausforderungen durch ihr Geschäftsmodell adressieren können.
Integration von Nachhaltigkeit ins Kerngeschäft
Engagierte Pioniere bieten über ein nachhaltiges Geschäftsmodell Alternativen zu bestehenden Produkten und Dienstleistungen an. Die gesamte Geschäftslogik – auch Lieferketten und Produkt-Lebenszyklen – wird dabei auf Sozial- und Umweltprobleme hin geprüft. Es gilt, Nachhaltigkeits- und Geschäftsaktivitäten im Geschäftsmodell intelligent zu integrieren, um einen Mehrwert für Stakeholder, Kunden, die Umwelt und damit letztlich auch für das Unternehmen zu schaffen. Neue, nachhaltige Geschäftsmodelle können durch die systematische Kombination von Produkten und Dienstleitungen entstehen. Ein Beispiel hierfür ist das Bike-Sharing, das durch flexible Fahrradleihe umweltfreundliche innerstädtische Mobilität bietet.
Markttransformation durch Interaktion
Mit wachsendem Markterfolg entwickeln sich die Pioniere aus der Nische. Dadurch wird auch der Massenmarkt auf das Geschäftsmodell aufmerksam. Akteure des konventionellen Massenmarktes reagieren und interagieren mit den erfolgreichen Pionieren. Dies führt zu einem Nachhaltigkeitswandel des Massenmarktes. Auf der einen Seite kann ein Nachhaltigkeitspionier wachsen, Marktanteile erobern und in den Massenmarkt skalieren. Auf der anderen Seite können konventionelle Firmen versuchen, den Pionier zu imitieren oder aufzukaufen. Die Nachhaltigkeitspioniere haben also auch einen indirekten Einfluss, der über ihren direkten Marktanteil hinausgeht Außerdem verändert ihr Bedarf an nachhaltigen Rohstoffen, wie zum Beispiel der Einsatz von Fairtrade-Gold bei Fairphone, Lieferketten und damit den Markt.
Innovationsverbund Nachhaltige Smartphones (INaS)
Als Teil des seit 2015 von der Volkswagen Stiftung geförderten Transferprojektes eCoInnovateIT wurde unter akademischer Leitung von Prof. Dr. Erik G. Hansen (Johannes Kepler Universität Linz) und Prof. Dr. Stefan Schaltegger (Centre for Sustainability Management der Leuphana Universität Lüneburg) der Innovationsverbund Nachhaltige Smartphones (INaS) gegründet. Darin entwickeln Akteure aus der Smartphone-Wertschöpfungskette gemeinsam nachhaltigere Geschäftsmodelle.
Die Analyse und Weiterentwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle wird am CSM auch im MBA Sustainability Management gelehrt und im vom BMBF geförderten Verbundprojekt MoDeSt (Produktzirkularität durch modulares Design – Strategien für langlebige Smartphones) in Kooperation mit dem Fraunhofer IZM, der TU Berlin, der JKU Linz, sowie den Unternehmen AfB und Shift vorangetrieben. |
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 04.12.2019
Dieser Artikel ist in forum 04/2019 - Food for Future erschienen.

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