Report zu Klimaschutz in G20-Staaten
Deutschland schneidet vor allem bei Verkehr und Gebäuden schlecht ab
Kein einziger der G20-Staaten befindet sich derzeit auf einem Kurs, der es ermöglicht, den globalen Temperaturanstieg - wie vom Pariser Klimaabkommen angestrebt - auf 1,5 Grad zu begrenzen. Zusammengerechnet wachsen die Emissionen der 20 größten Volkswirtschaften der Welt weiterhin. Immerhin rund die Hälfte dieser Staaten ist aber auf gutem Weg, die selbst gesetzten nationalen Klimaziele zu erreichen oder gar zu überbieten. Sie wären somit in der Lage, ihre bislang für das Pariser Klimaabkommen gemachten und ausnahmslos zu schwachen Zusagen im kommenden Jahr zu erhöhen. Das Abschneiden Deutschlands im G20-Vergleich ist gleich in mehreren Bereichen schwach. Dies sind einige Kernaussagen des heute im Vorfeld der UN-Klimakonferenz veröffentlichten Brown-to-Green-Reports der internationalen Initiative Climate Transparency (s. Hintergrund unten). Die G20-Staaten spielen die Schlüsselrolle, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Sie sind für rund 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich.
"Der neue Brown-to-Green-Report zeigt, dass es in vielen Bereichen Vorreiter unter den G20-Staaten gibt, die den Wandel zur Emissionsfreiheit vorantreiben. Allerdings geschieht dies bisher nur in Teilbereichen und bezogen auf die gesamte G20 noch deutlich zu langsam", sagt Jan Burck von Germanwatch, einer der Autoren des Reports.
Insgesamt sind die CO2-Emissionen der G20 im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent gewachsen. Zwei der größten Problembereiche sind laut Report Gebäude und Verkehr - in beiden Sektoren gehört Deutschland zu den Negativbeispielen. Mit Pro-Kopf-Emissionen im Gebäudebereich von über drei Tonnen liegt Deutschland rund 50 Prozent über dem EU-Schnitt und sogar doppelt so hoch wie der G20-Durchschnitt. Bei der Sanierung des Gebäudebestands müsste das Tempo verfünffacht werden (aktuelle Rate 1%), um auf einen wirklich klimafreundlichen Kurs zu kommen. Nur bei Neubauten sind die Standards in Deutschland im Vergleich gut, allerdings noch nicht ausreichend zum Erreichen der angestrebten Klimaziele. Insgesamt stiegen die Emissionen der G20 in keinem anderen Sektor 2018 so stark wie im Gebäudebereich - um 4,1 Prozent.
Deutschland bei Pro-Kopf-Emissionen im Verkehr im G20-Vergleich mit vorn
Ähnlich sieht es im Verkehr aus: Insgesamt wuchsen die Emissionen der G20 im Verkehr im letzten Jahr um 1,2 Prozent. Deutschland liegt dort bei den Pro-Kopf-Emissionen direkt hinter den großen Flächenstaaten USA, Kanada, Australien und Saudi-Arabien. Hierzulande werden im Schnitt 84 Prozent der gereisten Kilometer per Auto zurückgelegt - ebenfalls ein G20-Spitzenwert. Bei Elektroautos droht Deutschland den Anschluss zu verlieren. Die USA, Kanada und Südkorea haben Deutschland bei den Marktanteilen für E-Autos (Neuzulassungen) in den vergangenen zwei Jahren überholt, Spitzenreiter China hat diesen binnen eines Jahres sogar auf 4,5 Prozent fast verdoppelt (Deutschland: knapp 2 Prozent). Zudem hat China die ambitioniertesten Pläne für öffentlichen Nahverkehr in Großstädten: 30 Prozent aller Fahrten sollen dort schon 2020 mit Bus und Bahn zurückgelegt werden.
"Insbesondere in den Sektoren Gebäude und Verkehr gehört Deutschland zu den Negativbeispielen unter den G20-Staaten. Mögliche Effekte des neuen Klimapakets konnte der Report natürlich noch nicht messen, es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Deutschland ohne massive Nachbesserung seine Klimaziele deutlich verfehlen wird. Und die bisherigen Klimaziele Deutschlands entsprechen noch nicht den Erfordernissen des Pariser Abkommens", erläutert Lena Donat von Germanwatch, Co-Autorin des Reports.
Auch bei Subventionen geben die G20-Staaten insgesamt ein schlechtes Bild ab: 2017 (neuere Zahlen sind noch nicht verfügbar) flossen weiterhin 127 Milliarden US-Dollar an Subventionen in fossile Energien. Allerdings sind diese Zahlen schwieriger zu bewerten als in der Vergangenheit, weil hier zum Teil auch sinnvolle Subventionen zum Beispiel für den Ausstieg aus der Kohle enthalten sein können.
G20 beziehen noch immer über 80 Prozent ihrer Energie aus fossilen Quellen
Ein zwiespältiges Bild zeigt sich im Energiebereich: G20-weit stieg die Energieversorgung aus grünen Quellen 2018 um 5 Prozent, dennoch verharrt der Anteil der Energien aus fossilen Quellen wegen insgesamt steigender Nachfrage bei 82 Prozent (Strom, Verkehr und Wärme). Im Strombereich stiegen die Emissionen weltweit im vergangenen Jahr um 1,6 Prozent - trotz des Ausbaus der erneuerbaren Energien von 21 Prozent in 2013 auf über 25 Prozent des Brutto-Strommixes in 2018. Die Unterschiede zwischen den G20-Staaten sind enorm: Während Brasilien mit sehr großen Anteilen aus Wasserkraft 82,5 Prozent seines Stroms aus Erneuerbaren gewinnt, sind es in Saudi-Arabien, Südkorea und Südafrika weniger als 5 Prozent. Deutschland schneidet hier bislang gut ab (37 Prozent Anteil an Stromproduktion im Jahr 2018). Allerdings droht Deutschland durch den derzeitigen massiven Einbruch des Windkraftausbaus an Land auch hier in den kommenden Jahren zurückzufallen.
Der Report hat erstmals auch die Schäden und Verluste durch den Klimawandel sowie die Klimaanpassung der G20-Staaten betrachtet: Extremwetterereignisse haben von 1998 bis 2017 in den G20 mehr als 260.000 Menschenleben gefordert sowie insgesamt rund 2,65 Billionen US-Dollar an Schäden verursacht. Deutschland gehört in den G20 neben Russland, Frankreich, Italien und Indien zu den am stärksten betroffenen Staaten. Laut aktueller Studien ließen sich in vielen Sektoren rund 70 Prozent der künftigen Klimawandelfolgen vermeiden, wenn der globale Temperaturanstieg auf 1,5 statt 3 Grad begrenzt würde. Derzeit liegt die Welt nach Einschätzung der Wissenschaft auf einem 3-Grad-Pfad - selbst wenn man von der Annahme ausgeht, dass alle Staaten ihre bisher zugesagten nationalen Klimaziele erfüllen und es keine Rückkopplungen im Klimasystem gibt.
Hintergrund:
Der Brown-to-Green-Report erscheint seit 2015 jährlich. Es ist der weltweit umfassendste Überblick über den Klimaschutz in den G20-Staaten und ihren Weg zur Treibhausgasneutralität. Er wird erstellt von der internationalen Initiative Climate Transparency; sie besteht aus 14 Forschungseinrichtungen und NGOs aus der Mehrheit der G20-Staaten, viele aus Schwellenländern. Der Report beruht auf den aktuellsten verfügbaren Daten und betrachtet 80 Indikatoren von Dekarbonisierung über Klimapolitik und Klimawirkungen des Finanzwesens bis hin zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Er fokussiert dabei auf die Frage, wie weit diese vom 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens entfernt sind und zeigt sowohl die Lücken und Hindernisse als auch positive Vorreiter-Beispiele auf. Aus Deutschland haben an diesem Report die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, Humboldt-Viadrina Governance Platform und Climate Analytics mitgearbeitet.
Umwelt | Klima, 11.11.2019
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