Umwelt | Klima, 08.09.2019

Deutschland bei 29 von 66 Nachhaltigkeitszielen nicht auf Kurs

„Das sind 29 dringende Weckrufe“

Wie blicken wissenschaftliche Beiräte der Bundesregierung auf den Stand und die Entwicklung deutscher Nachhaltigkeitspolitik? Diese Frage beleuchten Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Beiräte im Vorfeld der UN-Gipfel in New York zu Klima (23. September) und Nachhaltigkeit (24.-25. September). Sie sprachen im Rahmen der Presse-Veranstaltung „Vor den Gipfeln – Journalismus, nachhaltige Entwicklung und Klimawandel", zu dem SDSN Germany gemeinsam mit der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 (wpn2030), dem Netzwerk Weitblick und der Stiftung 2 Grad Pressevertreter am 6. September 2019 ins Haus der Bundespressekonferenz in Berlin geladen hatte.
 
„Mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verfügt die Regierung grundsätzlich über einen vielversprechenden Rahmen, nachhaltige Entwicklung bis 2030 voranzutreiben", betonte Prof. Dirk Messner vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltfragen sowie Ko-Vorsitzender der wpn2030. „Dieser Rahmen muss aber mit deutlich effektiveren Politiken gefüllt werden: Bei 29 von 66 gesetzten Zielen ist die Regierung nicht auf Kurs. Das sind – angesichts der bereits massiven und immer weiter wachsenden globalen Herausforderungen – 29 dringende Weckrufe." Prof. Martin Visbeck, Ko-Vorsitzender der wpn2030, sagte: „Der anstehende UN-Doppelgipfel muss von der Bundesregierung auch genutzt werden, um die Agenda 2030 mit ihren Sustainable Development Goals (SDGs) – also den Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – in Deutschland und global weiter zu stärken und die notwendigen und transformativen Umsetzungsimpulse zu setzen."
 
„Besonders kritisch ist der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Nach aktuellem Stand würden nur 5 der 25 selbst gesetzten Umweltziele erreicht", erklärte Dr. Julia Hertin vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. „Dieser Trend kann nur durch ein gemeinsames Handeln der gesamten Bundesregierung verändert werden. Vor allem Landwirtschaft und Verkehr müssen mehr Verantwortung übernehmen und ökologische Leitplanken anerkennen. Dafür brauchen wir eine verbindlichere Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie, eine Stärkung des Umweltministeriums und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen den Ressorts".
 
Prof. Harald Grethe vom Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz verwies ebenfalls auf die entscheidende Rolle der Landwirtschaft und der Ernährung für eine erfolgreiche Umsetzung deutscher Nachhaltigkeitspolitik: „Eine deutliche Verringerung des Konsums tierischer Produkte ist dringend erforderlich, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen und essentieller Bestandteil eines global nachhaltigen Ernährungsstils."
 
Ebenfalls sei der Umbau der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU sowohl auf europäischer Ebene wie auch in Deutschland dringend erforderlich: „Wir müssen das EU-Agrarbudget endlich für die Honorierung von Landwirtinnen und Landwirten verwenden, die besonders viel zur Erreichung unserer Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele beitragen, statt es als pauschale Flächeneigentumssubvention zu verschleudern". „Ebenfalls kritisch sieht es etwa aus beim Ziel „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster" (SDG12)", betonte Prof. Peter Kenning vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. „Für einige Indikatoren der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, etwa den Energieverbrauch des Konsums oder den Marktanteil von Produkten mit Umweltzeichen, hat die Bundesregierung seit Jahren kaum Verbesserungen erzielen können. Diese sind aber dringend geboten – denn nicht nachhaltige Konsummuster wirken sich negativ auf zahlreiche Nachhaltigkeitsziele aus." Als wichtigen Schritt nach vorne schlägt Kenning etwa vor: „Die gesamte Warenkette muss viel konsequenter in den Blick genommen werden, denn Probleme entstehen vor allem in den frühen Stadien wie etwa Rohstoffabbau, Produktion, Handel, Logistik. Es gilt daher nachhaltige Maßnahmen zu fördern, die früh ansetzen und globale Kooperationen im Sinne der Nachhaltigkeit zu stärken. Zudem sollte die Verbraucherinformation erheblich verbessert werden beispielsweise im Hinblick auf die Kreislauffähigkeit oder Lebensdauer technischer Geräte."
 
Die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 (wpn2030) ist ein zentraler Ort der Wissenschaft, an dem sie drängende Fragen der Nachhaltigkeitspolitik reflektiert – im Austausch mit Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. In dem von der wpn2030 und SDSN Germany seit 2018 organisierten Beirätedialog kommen zentrale wissenschaftliche Beiräte der Bundesregierung zu Fragen von Politikberatung und Nachhaltiger Entwicklung zusammen.
 
Weitere Infos finden Sie auf der Website
 
Kontakt: Bastian Strauch, Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030


     
        
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