UNLEASH Lab - Eintausend, die die Welt verändern.
Bewerbungsschluss für das UNLEASH Innovation Lab in Shenzen, China (6.-13. November 2019) ist der 25. April 2019.
Klimaschutz und die Sustainable Development Goals (17 SDG) sind in aller Munde. Viele junge Leute gehen auf die Straße. Manche fliegen dafür quer durch die Welt. Wie und ob das Sinn machen kann, zeigt ein internationales Innovations-Programm für junge Menschen aus der ganzen Welt: UNLEASH
Langstreckenflüge für den Klimaschutz?
1.000 Menschen. Diese Zahl, 1.000, werde ich noch sehr lange mit dem Moment verbinden, in dem ich ein klimatisiertes Sportstadium in Singapur betreten habe. Dies jedoch nicht für ein sportliches Kräftemessen. Ich erinnere mich gerne an diesen Magischen Moment zurück.
Plötzlich befinde ich mich inmitten von 1.000 Menschen aus allen Ländern der Welt. Etwa 24 Stunden zuvor bin ich in Hamburg in ein Flugzeug gestiegen. Nun sind, um mich herum, 1.000 Menschen, im Alter zwischen 20 und 35 Jahren, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. Viele davon in regional traditioneller Kleidung, wie es auf der Einladung stand. Auch ich habe es mir zu diesem Anlass nicht nehmen lassen: Eine allgäuer Lederhose meines Großvaters findet sich wieder zwischen einem japanischen Seidengewand und einer Kombination aus niederländischem Oranje T-Shirt plus Holz-Schuhen. Vor mir eine Frau in indischem Sari-Gewand. Hinter mir ein junger Mann mit Fell-Kopfschmuck - aus welchem afrikanischen Land diese beeindruckende Kopfbedeckung stammt, werde ich erst durch Zufall 7 Tage später herausfinden.
Von 1,000, die die Welt verändern.
Was bringt so viele Menschen dazu, sich hier zu versammeln? Es ist die Eröffnungszeremonie des UNLEASH Innovation Lab 2018. Der Start des weltgrößten Innovation-Labs zur Schaffung von Ideen für die Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – den SDGs. Traditionelle Kleidung ist schnell nur noch eine hübsche Nebensache, sobald man darüber ins Gespräch gekommen ist. Die 1000 Menschen haben alle ein gemeinsames Thema: sie sind angetreten, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sie wurden zu „UNLEASH Talents" ernannt, handverlesen aus einer noch viel größeren Zahl sich bewerbenden Changemaker, die sich in ihrer Heimat bereits für eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten engagieren. Diese globale Kraft soll jetzt an einem Ort „entfesselt" werden, um kollektiv Lösungen für die Zukunft zu entwerfen. Jedes Talent bringt dafür eigene Erfahrungen mit: aus Kultur, aus Familie, aus Studium, aus Familie. Interkulturalität, Interdisziplinarität, Diversität, wie man sie wohl selten auf der Welt sieht.
Bereits bei der Bewerbung habe ich mich einem der Nachhaltigkeitsziele zuordnen lassen: SDG 7 -Affordable & Clean Energy. Sieben weitere SDGs standen ebenfalls zu Auswahl, wie etwa Climate Action, Quality Education, oder Sustainable Cities and Communities.
In diesen Themengruppen werden wir am ersten Tag vor Ort zu kleineren Teams kombiniert, mit dem Ziel größtmöglicher Diversität und gemeinsamer thematischer Interessen. Ich finde mich wieder in einem Team zusammen mit einer kenianischen Forschungsmitarbeiterin, einer jungen singapurianischen Studentin und artificial intelligence Enthusiastin, einem ugandischen Energie-Startup-CEO, einer Mitarbeiterin der australischen Organisation für Entwicklungszusammenarbeit und einem Harvard- Absolventen und Big Data Experten. Als Psychologe, Design Thinker und Entrepreneur aus Deutschland komme ich mir fast durchschnittlich vor – und bin von außen betrachtet wohl doch ein ebenso „besonderer" Teil dieses Teams. Selbstverständlich bringt diese Diversität einige Herausforderungen mit sich. Verbale Kommunikation ist trotz überdurchschnittlich guter Englisch-Kompetenz bei einer entsprechenden Slang-Vielfalt nur als eine davon zu nennen. Und doch: Jede Expertise, jede Lösungsstrategie, jede Denkweise ist auf ihre eigene Art eine nicht aufzuwiegende Bereicherung für das Team.
Think Tank oder SDG Bootcamp?
Am Tag nach der Eröffnungszeremonie, mit inspirierenden Reden und einer soliden Party samt Tanzstilen aus aller Welt, beginnt am zweiten Tag das produktive Programm. Es folgt ein 6 Tage andauernder Sprint, mit nur wenigen aber gut organisierten Pausen und täglich etwa 4 Stunden Schlaf bei tropischen Wetterverhältnissen. Täglich aufstehen um 6 Uhr morgens. Da das tägliche Programm pünktlich und gemeinsam mit Singen und inspirierenden Vorträgen beginnt, geht es nach dem Frühstück direkt zusammen mit Reise-Bussen zu einem faszinierenden Bienenstock-ähnlichen Universitäts-Gebäude: „The Hive". Die Busfahrt wird natürlich zum Networking genutzt. So viele inspirierende Menschen auf so engem Raum findet man selten – und nur mit einem Bruchteil wird man tatsächlich mehr zu tun haben. Es will jede Minute genutzt werden.
Parallel neben meinem Team erforschen auch die anderen Teams ein eigenes Thema, passend zu den gewählten SDGs. Mein Team hat sich die Elektrifizierung des ländlichen Raums in ostafrikanischen Ländern zum Thema gesetzt. Wir erkennen in den ersten Tagen unter anderem, dass durch staatliche, oft aus deutschen Mitteln, finanzierte Mini-Grid Projekte auffällig häufig scheitern. Trotz einiger starker und erfolgreicher Projekte - Die Entwicklungszusammenarbeit verfehlt hier zu oft ihr Ziel. Nachdem ein regionales Mini-Stromnetz installiert wurde, wird es oft von der örtlichen Bevölkerung nicht angenommen. Der Strom liegt vor der Tür, doch die Hürden zur Nutzung sind zu groß. Nehmen wir das Beispiel eines ugandischen Friseurs: Der Anschluss an das Wohnhaus, in dem auch das Geschäft betrieben wird, kostet. Der elektrische Haarschneider kostet. Sich von der gewohnten, „traditionellen", durchwegs stromlosen und doch gut funktionierenden Methode des Haare Schneidens zu verabschieden, kostet. Es kostet nicht nur Geld, sondern auch persönliche Überwindung. Dadurch werden die geschaffenen Infrastrukturen nicht im benötigten Ausmaß ausgelastet, werden nicht rentabel - und teils wieder von der Firma abgebaut, welche die Infrastruktur zuvor für viel Geld aufgebaut hat. Was bleibt, sind Kosten und Misstrauen in die „Helfer" von außen – verständlicherweise.
Nach einer ausführlichen „Erkundungsphase" mit vielen Diskussionen, Interviews, Erfahrungs- und Wissensaustausch, gehen wir im Team in eine „Ideenphase" über. Wir brainstormen Ideen und Konzepte. Wir zeichnen, diskutieren, entwickeln sie konzeptionell weiter und werden immer konkreter. Am Ende wählen wir ein Konzept aus.
Olympia für die SDGs
Am siebten Tag des Programms ist Präsentationstag. Bei unserem Pitch vor den anderen Energie-Teams präsentiert Hashim Mutanje, mein Teampartner aus Uganda, unser mobiles, temporäres Mini-Grid Dorfzentrum. Mit dem Containersystem können nicht nur die Akzeptanz einer lokalen Stromversorgung vor dem entstehen größerer Implementierungskosten und dem Ausbau eines Stromnetzes getestet werden. Ebenso kann die Akzeptanz durch das Bereitstellen von Räumlichkeiten und Equipment gesteigert werden und die Anwohner können den Umgang mit neuen Technologien erlernen.
Eine Jury – bestehend aus all den anderen „Talents", welche zu dem SDG 7 Affordable and Clean Energy gearbeitet haben – bewertet mittels einer App auf dem Smartphone. Unsere Idee ist sicher gut, die Ergebnisse werden später insbesondere in die Arbeit unserer Teammitglieder aus Kenia und Uganda mit einfließen. Auch der junge Mann mit Kopfschmuck aus der Eröffnungszeremonie findet das Konzept gut, als ich schließlich mit ihm ins Gespräch komme. Er lebt in Südafrika.
In die finale Runde kommt unser Pitch nicht, was allerding für unser Team absolut in Ordnung ist. Nicht nur, weil es einige Ideen gab, die bereits konkrete Businessmodelle und Zahlen aufweisen konnten. Dabei sein ist alles – fast wie bei Olympia.
SDG-Fiktion trifft auf Realität
Den Abschluss des UNLEASH Innovation Labs bildet eine ganze Reihe von Events. Darunter eine Ideenausstellung auf einer Messe in Singapur zum Thema Nachhaltige Innovationen. Die UNLEASH Talents stellen über 170 Ideen aus. Einige Investoren und Investorinnen picken sich die besten Teams bereits dort heraus. Mehrere „Talents" kündigen daraufhin noch von Singapur aus ihren (sicher nicht schlechten) Job zuhause und verfolgen ihre Idee mit ihrem neuen Team weiter. Zudem gibt es für die besten Teams eigens eine große „Dragons Den" Show, vergleichbar mit der deutschen Serie „Höhle der Löwen". Eine Investor-Jury bewertet die Pitches und sortiert nicht wirtschaftliche Ideen gerne, auch trotz persönlicher Begeisterung, gnadenlos aus. Nutzerzentriert, ökologisch, sozial und innovativ reicht nicht, wenn es sich nicht selbst finanzieren lässt, so die Botschaft.
Das tatsächliche Abschluss-Highlight stellt jedoch die repräsentative Abschluss Zeremonie dar, mit Popstars, Wirtschaftsvertretern, Sponsoren und Hollywood Stars. Die Twitter Accounts glühen insbesondere bei einem Interview mit der Künstlichen Intelligenz „Sophia" und der Rede von Forest Whitaker. Die Besten der besten Teams präsentieren wiederholt. Standing Ovation verdient unter anderem die Präsentation des Teams von „123+", welches sich mit seiner Plattform für die globale Entkriminalisierung von Homosexualität einsetzt. Die Forderung, das Gastgeberland selbst könnte dafür ein gutes Zeichen setzen und mit gutem Beispiel voran gehen, hört die Präsidentin Singapurs nicht mehr – sie musste wenige Minuten vor diesem mutigen Moment leider den Saal verlassen und zu einem anderen Termin.
Unabhängig von politischen Fragen und Umsetzungswahrscheinlichkeit steht mein Fazit fest. Es hat sich gelohnt – es waren acht großartige Tage. Die Vorstellung der CO2-Rechnung der 1.000 Teilnehmenden lässt mich noch immer zittern. Ein UNLEASH Talent beschrieb es mit den Worten: „es war, als hätte ich die ganze Welt in 8 Tagen bereist"- das kann ich bestätigen. Es gab viele und wird noch viele weniger sinnvolle Langstreckenflüge geben, bis die SDGs annähernd erreicht sind.
Ich habe schon einige internationale Konferenzen und interkulturelle Innovationsevents zum Thema Nachhaltigkeit erlebt, diese Erfahrung hat aber ganz neue, positive Dimensionen definiert.
Zu UNLEASH 2019 werden wieder hochmotivierte und fähige junge Menschen aus aller Welt acht Tage lang zusammenkommen. Es werden wieder 1000 Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammentreffen, welche sich jedoch alle gemeinsam der Erreichung der SDGs verschrieben haben.
Nicht nur die dort entwickelten Ideen und Inspirationen, werden ein lohnendes Ergebnis sein. Ebenso lohnend wird das dabei aufgebaute Netzwerk, sowie die Erfahrung einer echten kulturen-übergreifenden Zusammenarbeit sein. Nicht zu vergessen: ein Verständnis für die Herausforderungen, welche wir lokal wie global, aber auf jeden Fall gemeinsam lösen müssen.
Die Bewerbungsfrist für das UNLEASH Innovation Lab 2019 endet am 25 April 2019.
Als eines der 1.000 international ausgewählten UNLEASH Talents war Kilian in Singapur 2018 Teil von UNLEASH, dem weltweit größten Innovation Lab zur Erreichung der SDGs.
Kilian Karg ist Diplompsychologe und nutzt agile Methoden zur Schaffung von Nachhaltigkeitsinnovationen. Er ist international als Speaker, Moderator und Berater für nutzerzentrierte nachhaltige Handlungsalternativen aktiv. Er motiviert und inspiriert Menschen und Organisationen, Nachhaltigkeit nicht als Hindernis, sondern als Inspiration zu sehen und neu zu denken.
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