Perspektiven des ethischen Investments

Demographie, Technologie, Politik

Diesen Beitrag von Dr. Bernd Villhauer, Weltethos-Institut an der Universität Tübingen, finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2018 – Nachhaltiges Investieren.
 
Geld regiert die Welt: Deshalb ist es wichtig genau zu prüfen, wem man sein Geld zur Verfügung stellt und was damit geschieht. Der Widerstand gegen gesellschaftsschädigende Projekte oder Unternehmen wächst und Profit darf nicht mehr alleiniger Investitionsgrund sein. © Revolution protesters-at-copGeld ist eine der Grundvoraussetzungen für wirtschaftliche Tätigkeit. Geldströme sind der Blutkreislauf der Finanzwirtschaft. Dabei wird Geld als eine Selbstverständlichkeit wahrgenommen, als etwas, das unbemerkt seine Arbeit tut. Doch nicht zuletzt durch die Finanzkrise 2008 fragen sich aber immer mehr Menschen: Fließt das Geld in die richtige Richtung? Sammelt es sich an den richtigen Orten? Bewirkt es sinnvolle Entwicklungen? Welche Formen kann es annehmen? Wer stellt es eigentlich zur Verfügung – und zu welchen Konditionen?
 
Ethisches Investment bedeutet: Verantwortlich mit Geld umgehen
Der Anteil der Bevölkerung, der verantwortlich und kritisch mit seinen finanziellen Mitteln umgehen will, wächst. Laut dem Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) stieg das Anlagevolumen in ethischen Investments 2016 in Deutschland, Österreich und der Schweiz um 29 Prozent an und erreichte einen Gesamtwert von 420 Mrd. Euro. Bei einer globalen Umfrage des Vermögensverwalters Natixis sprachen sich ca. 75 Prozent der insgesamt 7.100 Befragten dafür aus, dass die Geldanlage mit ihren persönlichen Werten übereinstimmen müsse. Und gerade der Erhalt einer intakten Umwelt spielte hier eine große Rolle. Wir sprechen hier also nicht mehr über einen winzigen Nischenmarkt, sondern über ein Phänomen, das langsam auch die breite Masse betrifft. Und für alle, die sich mit der Transformation der Wirtschaft hin zu nachhaltigen Wertschöpfungskreisläufen beschäftigen, sollte die finanzielle Dimension ohnehin ein Thema sein.
 
Sündenaktien und Mahnwachen
Um den ethischen Finanzmarkt zu verstehen und seine heutige Form einschätzen zu können, sollten wir zwei große Traditionslinien im Auge behalten: die Geldanlage nach christlichen Werten seit dem 18. Jahrhundert sowie die Initiativen aus der Umweltbewegung der 60/70er-Jahre des 20. Jahrhunderts.
 
1758 verabschiedete das „Quaker Philadelphia Yearly Meeting" einen Beschluss, nach dem Sklaverei und Waffenherstellung nicht unterstützt werden durften. Diese Wirtschaftszweige galten als unmoralisch und unchristlich. Deshalb sei es verdammenswert, in solche Bereiche zu investieren und Papiere entsprechender Firmen wurden als „sin stocks", also als „Sündenaktien" bezeichnet. Diese Tradition der christlich-ethischen Geldanlage ist nach wie vor lebendig – in den USA beispielsweise existiert ein großer Markt an „bibelkonformen" Anlageprodukten und auch im deutschsprachigen Raum engagieren sich Banken oder Investmentgesellschaften in dieser Weise.
 
Seit dem Einsetzen der Umwelt-, Friedens- und Frauenbewegung ist zudem die Herausbildung einer alternativen Finanzindustrie zu verzeichnen. Viele Institutionen der heutigen Nachhaltigkeitsszene wurden damals mit dem Ziel gegründet, Strategien der Beeinflussung des Wirtschaftssystems zu entwickeln. Auch die Idee, sich durch den Kauf von Aktien Gehör zu verschaffen und auf Hauptversammlungen zur Meinungsbildung beizutragen, kam damals auf. Aus den Demonstranten und Organisatoren von Mahnwachen wurden kritische Aktionäre und Gründer nachhaltiger Fondsgesellschaften.
 
Die Elemente der ethischen Finanzindustrie
Eine Schlüsselrolle haben natürlich solche Banken, die sich ein ethisches, meist nachhaltiges Profil geben, zum Beispiel die GLS Bank, die Triodos Bank oder die UmweltBank. Ihr Anteil am Geschäft nimmt laufend zu; z.T. wachsen sie so schnell, dass sie die organisatorischen Veränderungen kaum schultern können. Was zeichnet diese Banken aus und warum sind sie so erfolgreich? Zum einen haben sie sich Transparenz auf die Fahnen geschrieben: Sie teilen mit, was sie wo investieren, mit welchen Partnern sie zusammenarbeiten, welche Projekte sie fördern.
 
Nicht nur die Inhalte und strategischen Ziele (Förderung von regenerativer Energieerzeugung, ökologischem Landbau, Projekten in Entwicklungsländern, Recyclingverfahren etc.) unterscheiden sie also vom Mainstream, sondern auch ihre internen Prozesse und ihr Kommunikationsverhalten. Transparenz und Mitspracherechte für Kunden und Mitarbeiter sind gelebte Werte. Das wirkt sich auf Lernprozesse, Innovationsfähigkeit, Kundenorientierung und bei den Angeboten im Finanzierungsbereich aus. Die Produktpalette ist mittlerweile sehr vielgestaltig: Versicherungen, Bausparverträge, Fonds, Anleihen – fast jedes Produkt existiert auch in einer „ethischen Variante."
 
Das erfolgreichste ethische Finanzinstrument ist aber wohl der Fonds. In solchen Fonds werden meist Aktien von Firmen gepoolt, die bestimmten Ansprüchen gerecht werden. Traditionell waren Negativmerkmale wichtig: Tabakkonzerne, Waffenproduzenten oder Unternehmen aus der Atomindustrie wurden z.B. ausgeschlossen. Mittlerweile spielen aber positive Gestaltungsmerkmale eine große Rolle: Es wird genau beobachtet und über Rating-Agenturen geprüft, wie die Firmen auf bestimmten Märkten wirken, welche Produktinnovationen sie betreiben, wie die Governance-Strukturen entwickelt werden. Das Morningstar Sustainability Rating ist hier ein Maßstab, aber auch die regelmäßigen Analysen von ECOreporter oder oekom research. Diese Entwicklung – weg von reinen Negativkriterien und hin zu Maßstäben positiver Beeinflussung – ist auch deshalb wichtig, weil die Wirkung von nachhaltigen Fonds immer wieder Gegenstand kritischer Debatten ist: Können sie wirklich die Marktkapitalisierung „guter" Unternehmen fördern? Unterstützen sie die richtige Art von Innovation? Lassen sich komplexe Verflechtungen von Unternehmen oder das Verhalten von Zulieferern und Partnern beeinflussen? Und was ist mit dem „Best in class"-Ansatz, dem manche Fondsgesellschaften folgen, indem sie auch Firmen ins Portfolio aufnehmen, die in ihrer Sparte besser als die Mitbewerber sind – aber absolut gesehen vielleicht immer noch fragwürdig?
 
Zukunft Zielorientierung
Die Schlüsselfrage, die uns zu den aktuellen Entwicklungen führt, bezieht sich also auf die Wirkungsmessung. Was genau bewirken die Anlagen? Und wie können wir ihre Wirkung beschreiben? Verändern sie den bestehenden Markt oder legen sie die Grundlagen für zukünftige Märkte? Solche Überlegungen führen dazu, dass auch andere Finanzinstrumente der Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen, wie die „Green Bonds", deren Gesamtvolumen immerhin 55,8 Mrd. US-Dollar Gesamtvolumen im zweiten Quartal 2017 betrug, eine Rekordsumme. Emittenten solcher speziell nachhaltiger Anleihen sind zum Beispiel der französische Staat, die Europäische Investitionsbank oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
 
Dimensionen ethischen Investments: Demographie, Technologie, Politik.
Die demographische Entwicklung beschert uns eine Erbschaftswelle, die sich im Anlageverhalten deutlich niederschlagen wird. Außerdem ist eine alternde deutsche Gesellschaft auf Anlage-Profite angewiesen, die auch außerhalb Deutschlands erzielt werden. Ethisches Investment muss deshalb global investieren.
 
Technologische Veränderungen betreffen zum Beispiel die „FinTechs", also neue Finanztechnologien wie Anlageplattformen, Roboadvisors oder Crowdfunding, mit denen das klassische Bank- und Investmentgeschäft sich strukturell verändert.
 
Im politischen Bereich werden Regulierungen eine zunehmende Rolle spielen: Sie sollen Exzesse im Bankwesen verhindern und die System-Stabilität erhöhen, können aber auch bürokratische Hindernisse schaffen.
 
Um das Anfangsbild vom fließenden Geld nochmals aufzugreifen: daran dass es in der richtigen Weise und Geschwindigkeit fließt, sind viele Akteure beteiligt – und wir sollten darauf achten, dass alle Interessen im Sinn der Nachhaltigkeit beachtet werden.
 
Dr. Bernd Villhauer ist Geschäftsführer des Weltethos-Instituts an der Universität Tübingen. Der gelernte Industriekaufmann und promovierte Philosoph hat in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, zuletzt als Lektoratsleiter. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Finanzbranche, zum Beispiel in seinem Blog „Finanz & Eleganz", aber auch in Aufsätzen und dem demnächst erscheinenden Buch „Finanzmarkt und Ethik. Eine Einführung".

Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Lifestyle | Geld & Investment, 01.01.2018

     
        
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