Der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Selbstmorden von ArbeiterInnen

Eine Studie in der Elektronikindustrie Chinas

Gestern veröffentlichten das Economic Rights Institute und Electronics Watch den Bericht „The Link Between Employment Conditions and Suicide: A Study of the Electronics Sector in China". Diese Untersuchung analysiert originale quantitative und qualitative Daten, darunter öffentliche Berichte über Selbstmorde, Umfragen in den Firmen zur Einschätzung von ArbeiterInnen und Interviews mit ausgewählten Zulieferbetrieben im Elektronikbereich. Die Ergebnisse des Berichts zeigen, wie die Arbeitsbedingungen in manchen Elektrofirmen in China die Selbstmordgefährdung von ArbeiterInnen erhöhen.
 
Der Bericht erkennt zwei „Einflusskreise" („cycles of influence"), die zu unterschiedlichen Motiven bei Selbstmorden beitragen. Im Einflusskreis des Zwangs ignorieren ArbeitgeberInnen Anzeichen von Stress bei ArbeiterInnen und nützen verschiedene Strafen zur Disziplinierung, um die Produktivitätsanforderungen einzuhalten. Steigende Spannungen im Arbeitsbereich führen oft zu Faustkämpfen und anderen Formen phyischer Gewalt. Der Druck in diesen Arbeitsumfeldern trägt zur Privilegierung von bevorzugten ArbeiterInnen und schafft den Eindruck, dass die Anstrengung und die Mühe der eigenen Arbeit nicht mit dem tatsächlichen Einkommen korrelieren. Diese Bedingungen fördern Depressionen bei manchen ArbeitnehmerInnen und erhöhen das Risiko für Selbstmorde wegen erzwungener Überstunden, Strafen und Mobbing durch AufseherInnen.

Andere Zulieferbetriebe setzen weniger auf Zwang, aber sie setzen im Anwerben neuer ArbeiterInnen Bedingungen, um ihre Flexibilität sicherzustellen, und Leute auch wieder entlassen zu können, falls diese gerade nicht in der Produktion benötigt werden. „In diesem Einflusskreis leiden die ArbeiterInnen, die kurzfristig für einfache Arbeiten rekrutiert wurden, an den ungesicherten Verhältnissen ihres Arbeitsplatzes, diese Unsicherheit schlägt oft in anderen Lebensbereichen durch. So zeigen erste Untersuchungen, dass Selbstmorde beispielsweise zusammenhängen mit Konflikten mit RekruterInnen oder mit der Frage, LebenspartnerInnen zu finden, was mit einem gesicherten Job einfacher möglich ist", erläutert Konrad Rehling, GF von Südwind und Experte für fair electronics.

Das Economic Rights Institute und Electronics Watch haben einen „call to action" für eine Multistakeholder Arbeitsgruppe gestartet, um effizient Maßnahmen entwickeln, einsetzen und überprüfen zu können. Diese zielen gegen jene Missstände, die die Risken von Selbstmorden von ArbeiterInnen in der Elektroindustrie erhöhen. Mit dem Aktionsaufruf werden u.a. Maßnahmen vorgeschlagen wie „sanfte" Formen von Zwangsarbeit zu beenden (erzwungene Überstunden, Lohnverluste bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen), Strafen zur Disziplinierung von ArbeiterInnen und Gewalt am Arbeitsplatz zu verbieten und die kollektive Beteiligung von ArbeiterInnen an der Gestaltung von Arbeitsbedingungen im Unternehmen zu stärken.  
 
„Selbstmorde von ArbeiterInnen in der chinesischen Elektronikindustrie zeigen die Unterdrückung kollektiver Äußerungen von ArbeiterInnen. Wenn Zwang nicht die Möglichkeiten der ArbeiterInnen einschränken würde, dann müssten die ArbeitgeberInnen einen Konsens mit den ArbeiterInnen eingehen oder ihnen anders entgegenkommen. Das würde sensible Produktionsanforderungen und Respekt im Arbeitsumfeld stärken und auch das Belohnungssystem würde auf die Bedürfnisse der ArbeiterInnen reagieren. Damit würde das Risiko für Selbstmorde abnehmen”, sagt Matthias Haberl, MIF Projektkoordinator in Österreich.
 
Der Bericht hat nicht die Absicht einzelne Firmen hervorzuheben, sondern weist auf den Zusammenhang zwischen dem Phänomen der Selbstmorde von ArbeiterInnen und systemischen Aspekten der Arbeit hin, die nur durch einen kollaborativen Ansatz von Industrie, Regierung, Zivilgesellschaft und anderen ExpertInnen gelöst werden können.
 
„Dieser Bericht ist ein Aufruf zum Handeln”, sagt Björn Claeson, Leiter von Electronics Watch. „Während manche Unternehmen ihre Aufmerksamkeit auf die individuelle mentale Gesundheit der ArbeiterInnen gerichtet haben, zeigt dieser Bericht auf, wie dringend ein neuer Fokus geworden ist. Dieser muss sich viel stärker auf die Verbindung zwischen Arbeitsbedingungen und Selbstmorden richten, um eine Industrie zu schaffen, die das Wohlbefinden und die Würde ihrer ArbeiterInnen im Blick hat.”
 
Das Economic Rights Institute entwirft Methoden und Maßnahmen, um vielschichtige Diskussionen zu fördern: Zwischen ArbeiterInnen und dem Management, NGOs und der Business Community, KäuferInnen und Zulieferbetrieben. Das Economic Rights Institute tut das mit dem Ziel, Lösungen für bessere Arbeitsbedingungen zu finden und zu stärken. 
 
Electronics Watch ist eine unabhängige Monitoringorganisation, die öffentlichen Organisationen dabei hilft zusammen zu arbeiten, und mit zivilgesellschaftlichen Monitoringorganisationen aus Produktionsregionen der Elektronikindustrie zu kooperieren, um die Arbeitsrechte in ihren Lieferketten zu schützen.  
 
Kontakt: Südwind Verein für Entwicklungspolitik und globale Gerechtigkeit
office@suedwind.atwww.suedwind.at

Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 15.11.2018

     
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