Design oder Nichtsein

Designer spielen bei der Gestaltung der Zukunft eine tragende Rolle - ein Gespräch mit Prof. Dr. Peter Zec

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit das Image eines Unternehmens als positiver sozialer Wert definiert werden kann?
Ein Unternehmen kann als ein operational geschlossenes System betrachtet werden, welches sich durch die Form der Kommunikation und die Wahrnehmung seiner äußeren Form von anderen Systemen unterscheidet. Das Image des Unternehmens wird dabei entscheidend sowohl durch die Wahrnehmung des Erscheinungsbildes als auch durch das Verstehen der Aussagen des Unternehmens bestimmt. Je glaubwürdiger Erscheinungsbild und Kommunikation sind, desto positiver wird das Image als sozialer Wert des Unternehmens erfahren. Allerdings liegt die Entscheidung und Bewertung darüber immer beim Betrachter.

Können Sie den Satz von Otl Aicher kommentieren: "Design ist neben der nackten Zahlenökonomie die Substanz des Unternehmens."
Hierzu würde ich gerne Otl Aicher noch einmal zitieren, denn er selbst erklärt schön kurz und prägnant die immense Bedeutung, die Design für die Unternehmenskultur hat. Aicher postulierte in seinen Texten die Einheit zwischen dem Unternehmenskonzept, der inneren Haltung und Struktur eines Unternehmens, und seinem Auftreten nach außen in Produkten, Unternehmenskommunikation und Marketing: "design bringt die technische und ökonomische philosophie eines unternehmens ins bild, und das erscheinungsbild des unternehmens wird gleichzeitig zu seinem charakter, bestimmt seine mentalität." Und: "design ist der lebensvorgang eines unternehmens, wenn sich absichten in fakten und erscheinungen konkretisieren sollen. was man will, soll erscheinung werden." (Otl Aicher in: die welt als entwurf, Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften, Berlin 1991). Design verleiht also nicht nur Produkten, sondern auch Ideen, der Unternehmensphilosophie, also dem Unternehmen selbst in seinen vielen Facetten eine Form. Es "übersetzt" auf gewisse Weise die immateriellen Werte, so dass sie überhaupt erst erfahrbar und wahrnehmbar werden. Gutes Design vermag zudem ebensolche Werte auf einer emotionalen Ebene zu transportieren, ohne dass Begriffe wie "Tradition", "Seriosität" oder Ähnliches überhaupt benutzt werden müssten.

Welche Gründe führen Ihrer Meinung nach dazu, dass Design "als ein gestaltender und prägender kultureller Faktor der Gesellschaft " zunehmend an Bedeutung gewinnt? Und weshalb ist Design ein wesentliches Kriterium für den Produkterfolg im globalen Wettbewerb?
Die Gründe für die wachsende Bedeutung von Design haben ihren Ursprung in der Globalisierung der Märkte. Im Prinzip kann jeder überall auf der Welt auf dieselben Wissensressourcen, Dienstleistungen und Produkte zugreifen. Das Angebot ist dementsprechend riesig und der Wettbewerb auf Unternehmensseite um Marktanteile deutlich härter geworden. Die Konsequenz ist, dass Unternehmen nach dem Wettlauf um die besten technischen Neuerungen in den vergangenen Jahren heute zunehmend auf eine ausgefeilte und vor allem zielgruppengerechte Gestaltung setzen, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Die Bedürfnisse des Konsumenten rücken dabei mehr und mehr in den Vordergrund, wenn es darum geht, die ideale Form für ein Produkt zu finden. Selbst in weniger typischen Designdisziplinen wie dem Life Science Design, d. h. bei medizinischen Produkten, Geräten und Hilfen, tut sich sehr viel: Prothesen und Rollstühle werden sportlich, Untersuchungsapparate wärmer und freundlicher, die Gestaltung insgesamt sensibler mit Blick für emotionale Aspekte sowie innovative Antworten auf schwierige technische Herausforderungen. Ohne eine qualitativ sehr hochwertige Gestaltung geht heute fast gar nichts mehr. Das Designniveau ist dadurch stetig gewachsen - nicht nur im Hochpreissegment, sondern endlich auch im breiten Markt. Das führt natürlich zu einem verschärften Wettbewerb und hat zur Folge, dass Unternehmen in Zukunft noch innovativer sein werden und mittels Design eine langfristige Kundenbindung erreichen müssen. Das bedeutet auch, dass es wichtig ist, auf kulturell determinierte Ansprüche, Bedürfnisse, Ängste, Hoffnungen und Wünsche der Menschen einzugehen. Es gilt, die kulturellen Besonderheiten unterschiedlicher Länder und Märkte in der Produktentwicklung zu berücksichtigen, ohne dabei die eigene kulturelle Identität völlig aufzugeben.

Warum geht Design immer mit dem "Risiko des Misserfolgs" einher?
Die Schwierigkeit im Umgang mit Design besteht darin, dass eine gemeingültige Entscheidung darüber, was gutes oder schlechtes Design ist, schlicht nicht möglich ist. Und selbst wenn viele Menschen eine bestimmte Form oder einen gewissen Gestaltungsstil für schön erachten, heißt dies noch lange nicht, dass sie das entsprechende Produkt auch für sich haben wollen, so dass insbesondere der Markterfolg nur schwer vorherzusagen ist. Design ist Geschmacksache und damit ist eine Verobjektivierung der Entscheidung über Design von vornherein ausgeschlossen. Dennoch hat es Verobjektivierungsversuche gegeben, wie die auf einer Aussage des Architekten Louis Sullivan beruhenden Formel "form follows function". Doch auch bei diesem so genannten "Funktionalismus" handelt es sich lediglich um einen Stil der Gestaltung und nicht etwa um eine unantastbare Gestaltungswahrheit.

Sofern eine gültige Verobjektivierung überhaupt möglich ist, kann diese nur dadurch hervorgerufen werden, dass eine Vielzahl von Menschen darin übereinstimmen, in einem Designgegenstand den gleichen Sinn zu erkennen. Dieser Entscheidungsprozess basiert in erster Linie nicht auf reiner Anschauung, sondern auf Kommunikation. Außerdem ermöglichen Design-Wettbewerbe eine Form von Verobjektivierung bei Designentscheidungen. Zwar ist auch die Entscheidung eines jeden Jurors ein subjektives Urteil, doch sind es bei Wettbewerben immer mehrere Juroren mit hoher Expertise, die gleichzeitig über ein Produkt entscheiden, worauf es schließlich zur Auszeichnung oder Ablehnung desselben kommt. Man kann sich demnach also auf ein fachkundiges Expertenurteil berufen. Selbstverständlich bleibt es dennoch immer wieder jedem anderen Entscheider freigestellt, sich diesem Urteil anzuschließen oder sich persönlich anders zu entscheiden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht schwer einzusehen, das Design stets dem Risiko der Ablehnung ausgesetzt ist.

Was macht ein Designcenter wie Norintra für eine Finanzholding wie Arcandor Ihrer Meinung nach so wertvoll? Was kann das Unternehmen von kreativen Designern lernen?
Der amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright hat einmal gesagt, dass die Qualität der Architektur eines Gebäudes ganz entscheidend von der Qualität des Auftraggebers abhängt. Diese Erkenntnis kann ohne Einschränkung auch auf das Design übertragen werden. Designer sehen die Welt in der Regel mit anderen Augen als Manager oder Menschen, die es gewohnt sind, in quantitativen Größenordungen zu denken. Beim Design steht die Qualität immer im Vordergrund. Es geht darum, zunächst neue Qualitäten zu schaffen, aus denen sich dann auch ein quantitativer Erfolg ergeben kann. Ganz ohne Risiko ist dies allerdings nicht erreichen. Wenn man aber bereit ist, sich auf dieses Risiko einzulassen, ist es möglich ganz hervorragende Erfolge mit nachhaltiger Wirkung zu erzielen. Denn Nachhaltigkeit ist in erster Linie eine qualitative Größe, die sich mit der Zeit quantitativ auswirkt. Eben genau dieser Aspekt kann für die Entwicklung der Unternehmensausrichtung einer Finanzholding als ein kompensatorischer Effekt zum reinen Zahlenkalkül sehr nützlich sein.

Worin unterscheidet sich ein Designer von einem Künstler?
Um noch einmal Otl Aicher zu Wort kommen zu lassen: "Design verzichtet auf den ästhetischen Absolutismus der Kunst und sucht die Ästhetik des Gebrauchs." (Otl Aicher: Analog und Digital. Berlin 1991, S. 90.) Anders ausgedrückt kann man sagen, dass ein Künstler niemandem gegenüber mit seinem Werk verpflichtet ist. Er ist völlig autonom und unabhängig in seiner Art zu arbeiten. Er kann also im wahrsten Sinne des Wortes machen, was er will, ohne dabei auf andere Rücksicht nehmen zu müssen, sofern er keine Rechte anderer verletzt.

Beim Design verhält es sich ganz anders. Ein Designer braucht in der Regel immer einen Auftraggeber, für den er eine Dienstleistung erbringt. Dabei ist es für den Erfolg der Zusammenarbeit sehr wichtig dass sich Designer und Auftraggeber bezüglich der zu bewältigenden Aufgabe so gut wie möglich verstehen und die Zusammenarbeit von gegenseitigem Respekt und Vertrauen gekennzeichnet ist.

Warum braucht Kreativität Freiheit?
Der Anteil der Designer an der Gestaltung unserer Lebens- und Arbeitswelten kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Design hat die materielle Welt in den vergangenen 85 Jahren in ebenso starkem Maße geformt wie die Technik. Während die Technik neue Konzepte, neue Materialien und neue Systeme hervorgebracht hat, sind es Design und Architektur, die diese Entdeckungen begreifbar und akzeptierbar machen und sie durch Kommunikation vorantreiben.

Designer spielen bei der Gestaltung unserer Zukunft also eine tragende Rolle: Sie werfen einen Blick auf die Welt, wie sie ist, und denken sie weiter. Im Grunde genommen ist heute - technisch gesehen - fast alles möglich. Allein, es fehlt an Ideen für visionäre Anwendungen neuer Techniken. Deswegen ist es so wichtig, dass Gestaltern die Freiheit eingeräumt wird, in alle Richtungen zu denken, auszuprobieren, sich umzusehen. Nur so können wirklich neue Sachen entstehen.

Doch jenseits aller Kreativität ist der Designer bei seiner täglichen Arbeit in der Regel doch sehr stark der Macht des Faktischen unterworfen. Im ständigen Dialog mit seinem Auftraggeber, mit Marketingleuten oder Ingenieuren muss er bei seinem Gestaltungsprozess die unterschiedlichsten Vorgaben, Erwartungen und Ansprüche an ein Produkt oder eine Arbeit auf einen Nenner bringen.

Dieses Dogma des Bestehenden ist jedoch der größte Feind der Kreativität. Auch zu eng und streng gefasste Regeln und Rahmenbedingungen lassen nicht genügend Raum für Kreativität. Immer wieder kommt es vor, dass Unternehmen ihre Produkte nach strengen Richtlinien entwerfen, um möglichen Risiken aus dem Weg zu gehen. Langfristig lässt sich so jedoch Erfolg nicht garantieren. Es gilt, in dem Spannungsfeld zwischen Denkbarem und letztlich innerhalb der vom Auftraggeber oder der Realität gesetzten Grenzen das Bestmögliche zu realisieren und die Grenzen immer wieder ein wenig auszuweiten. Denn nur wer in der Lage ist, selbst etwas Neues zu entwickeln wird sich niemals damit begnügen Entwicklungen anderer zu kopieren. Vielmehr ist er daran interessiert, sich mit den Besten im Markt zu messen und um die Führung zu kämpfen.

Weshalb ist Design für Sie ein ganzheitliches unternehmerisches Handlungskonzept, das über die reine Produktgestaltung hinausgeht?
Im Rahmen meiner nunmehr über zehnjährigen Beobachtung und Analyse von Unternehmen, deren Erfolg wesentlich auf der kontinuierlichen Verfolgung innovativer Designkonzepte basiert, habe ich mit signifikanter Kontinuität sieben Attribute erkennen können, die erfolgreiche, designorientierte Unternehmen auszeichnet und sie zugleich von weniger erfolgreichen Wettbewerbern unterscheidet.

Allerdings hat sich bei den Beobachtungen auch herausgestellt, dass Design nicht als ein universell wirkendes Wundermittel zur Erzielung des gewünschten Unternehmenserfolges eingesetzt werden kann. Auch wenn es vielfach nicht so erscheint, ist doch der Erfolg mit Design nicht einfach nebenbei mit relativ geringem Aufwand zu erzielen, sondern er basiert auf einem sehr konsequent betriebenen und stringent durchdachten Management.

Erfolgreich sein mit Design bedeutet nicht, sich auf ein Produkt oder Sortimentsegment zu konzentrieren. Das jeweils einzelne Produkt, so gut und erfolgreich es im Einzelfall auch sein mag, zählt zunächst nicht, wenn es darum geht, den Erfolg des Unternehmens zu sichern. Design muss im Kontext der gesamtesten Unternehmensführung betrachtet und praktiziert werden. Dabei gilt, dass ein krankes Unternehmen nicht allein durch Design genesen kann. Vielmehr verhält es sich mit Design eher umgekehrt, getreu dem römischen Spruch "mens sana in corporis sana". Erfolgreich geführte Unternehmen können mit Design entweder noch erfolgreicher werden oder aber zumindest langfristig eine Sicherung ihres Erfolges aufrecht erhalten. Die beste Voraussetzung dafür besteht in der Synthese einer sowohl innovationsorientierten als auch designorientierten Unternehmensführung.

Auf einen Nenner gebracht kommt die besondere Leistung bei allen erfolgreichen designorientierten Unternehmen durch die folgenden sieben Erfolgsmerkmale zum Ausdruck: vom Primat der Qualität und dem Willen zur Gestaltung über die Entwicklung eines Wertbewusstseins und kommunikatives Handeln bis hin zum Freiraum für Kreativität sowie dem Mut zum Experiment und ein Verständnis des Kunden geprägt ist. Dabei spielen die Größe oder die Gesellschaftsform eines Unternehmens keine besondere Rolle. Wichtig ist nur, dass neben dem Designmanagement auch die gesamte Unternehmensführung auf einem soliden Fundament steht. Grundlegende betriebswirtschaftliche Mängel oder Versäumnisse können selbst durch ein noch so ernsthaft betriebenes Designmanagement nicht kompensiert werden! Gut geführte Unternehmen können aber mit einem durchdachten Designmanagement noch viel erfolgreicher werden.

Wesentlich für den Erfolg ist Ihrer Meinung nach die frühzeitige und zielgerichtete Einbindung des Designs in die Produktentwicklung - warum?
Das liegt in dem Wesen des Designprozesses begründet. Denn anders, als es sich viele vorstellen, sieht dieser mitnichten so aus, dass dem Designer ein genialer Geistesblitz kommt, wie ein Produkt aussehen könnte, den er zu Papier bringt, gegebenenfalls noch mit ein paar Farbvarianten versieht und dann dem Auftraggeber übergibt. Stattdessen handelt es sich um einen langwierigen Prozess, bei dem es nicht nur um das Streben nach Ästhetik geht, sondern vielmehr auch um die besondere Berücksichtigung von verfahrenstechnischen Möglichkeiten und kostenbewussten Produktionsabläufen. Durch die frühe Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Marketingleuten kann der Designer im Idealfall dazu beitragen, die Herstellungskosten eines Produktes bei gleichbleibendem Gebrauchswert zu verringern oder den Gebrauchswert und die Verkaufschancen bei gleichen Herstellungskosten zu erhöhen. Die Entscheidung hierüber fällt in der Regel im Verlauf des in die Produktentwicklung integrierten Designprozesses.

Wodurch zeichnen sich Produkte aus, die auf dem Markt besonders erfolgreich sind?
Produkte, die erfolgreich sind, unterscheiden sich von weniger erfolgreichen dadurch, dass sie sich in der Realität behaupten können. Es gab viele verschiedene Ansätze, gutes Design zu definieren, Regeln und Leitlinien aufzustellen, anhand derer Design kategorisiert und bewertet werden kann. Letztlich zeichnet sich gutes Design jedoch dadurch aus, dass es erfolgreich ist. Die Realität, in der dies geschieht, gliedert sich beim Design in vier unterschiedliche Phasen, die sich in temporärer Abfolge auf verschiedenen Ebenen abspielen. Man kann die Entwicklung auch mit dem Lebensweg einer Persönlichkeit vergleichen, die im Laufe der Zeit unterschiedliche Schönheitsphasen, von der Kindheit über die Jugend zur Lebensreife bis zum Alter durchläuft. Analog hierzu kann man auch bei einer Produkt-Persönlichkeit von vier Schönheiten des Designs sprechen, die ein Gegenstand im Verlauf seines Lebenszyklus jeweils als Charakteristikum erlangen muss, um voll und ganz erfolgreich zu sein. Die entsprechende Voraussetzungen müssen hierbei schon in der Entwicklungsphase des Produktes angelegt sein. Bei den vier Schönheiten handelt es sich um:
  • die Schönheit der Funktion,
  • die Schönheit der Verführung,
  • die Schönheit des Gebrauchs,
  • die Schönheit der Verantwortung.

Bei der Schönheit der Funktion kommt es darauf an, Formen nach Zwecken zu entwerfen. Designer und Hersteller gehen während dieser Phase, die noch am Anfang der Produktentwicklung steht, der Frage nach, wie ein bestimmter Zweck zum Ding werden kann; in welchen Formen, Farben und Materialien. Hierbei folgt nicht nur die Form der Funktion, die in der Regel technisch definiert ist, sondern auch und vor allem den Gebrauchserwartungen der Menschen.

Zu diesen formalen Designaspekten muss die Schönheit der Verführung hinzutreten, das heißt, eine Eigenschaft oder ein Element, dass nicht in erster Linie am Nutzen und Gebrauch einer Sache orientiert ist, sondern auf Verführung und Genussempfinden zielt. Dabei ist Verführung hier im besten Sinne zu verstehen, das heißt als Liebe zum Produkt und nicht etwa als oberflächliche Manipulation des Verbrauchers durch Werbung und Marketing-Aktivitäten.

Der Aspekt der Schönheit des Gebrauchs mag auf den ersten Blick eng mit der bereits zuvor beschriebenen Schönheit der Funktion verknüpft sein, meint jedoch etwas anderes: Es gibt Dinge, die für sich genommen hervorragend funktionieren, aber nur schlecht zu gebrauchen sind, denken wir zum Beispiel an die ganzen High-Tech-Geräte, die alles können, die wir aber kaum so zu bedienen in der Lage sind, dass sich uns all ihre Funktionen erschließen. Je leichter sich ein Produkt bedienen - das heißt gebrauchen - lässt, desto größer ist der Nutzen für den Anwender.

Schließlich spielt die Schönheit der Verantwortung für die Produktästhetik und den intendierten Markterfolg eine immer wichtigere Rolle. Mit Verantwortung ist hier vor allem die Umweltverträglichkeit eines Produktes gemeint.

Dies sind nach meiner Ansicht die Prioritäten, die ein Produkt erfüllen muss, um besonders erfolgreich zu sein.

Weshalb lassen sich mit Qualitätsargumenten auch in der Modebranche nachhaltig bessere Unterscheidungen erzielen als durch Massenangebote zu einem erheblich günstigeren Preis?
Ganz so pauschal würde ich das nicht unterschreiben. Man darf nicht vergessen, dass beide Arten, mit Qualität und Mode umzugehen, verschiedene Zielgruppen und Zielsetzungen im Visier und damit beide ihre Berechtigung haben. Dennoch befürworte ich den meines Erachtens nachhaltigeren Weg der Unterscheidung durch Qualität sowohl aus persönlicher wie auch aus unternehmerische Sicht: Mode ist zwar ein schnelllebiges Geschäft, doch zahlt es sich für den Kunden mittelfristig weit eher aus, den Trends nicht um jeden Preis (im Wortsinne) hinterherzulaufen, sondern auf qualitativ hochwertige Einzelstücke zu setzen, die zeitlos sind und jahrelang halten. So baut man sich über die Jahre eine ordentliche, hochwertige Garderobe auf, die man immer noch je nach Trends um ein paar Stücke ergänzen kann.

Ergänzend zu diesem Kaufverhalten, das einem schon der gesunde Menschenverstand aufdrängt, hat in den letzten Jahren auch das Umweltbewusstsein in der breiten Masse stark zugenommen. Dank Klimakatastrophenszenarien, Lebensmittelskandalen, etc. hat sich eine dem Geiz ist geil-Fieber konträr entgegenläufige Konsumeinstellung entwickelt. Regionale Produkte, Lebensmittel aus biologischem Anbau, Möbel, die den Wunsch nach einem verantwortungsvollen Umgang mit Holz oder anderen Materialien befriedigen - sie sind begehrter denn je, und die Konsumenten bereit, als Gegenleistung für Qualität und fairen Handel auch einen entsprechenden Preis zu zahlen. Hier geht es vor allem um Vertrauen: in Hersteller und Produkte, in deren sozialverträgliches Handeln, selbst wenn in Billiglohnländern gefertigt werden sollte, in einen verantwortungsvollen Umgang mit Menschen und Ressourcen. Es entsteht eine "responsible society", und Sinnstiftung wird damit einhergehend zum Wettbewerbsvorteil für Unternehmen - ganz gleich, ob es hier um die Lebensmittel-, die Möbel-, die Energie- oder eben die Modeindustrie geht.

Worauf wird es bei der Umwelt- und Produktgestaltung zukünftig ankommen?
Eine der wichtigsten Aufgaben hat Design dort zu übernehmen, wo immer es um die Fürsorge, Planung und Gestaltung unserer Umwelt geht. Denn hierdurch wird unsere kulturelle Identität mindestens in gleichem Maße geprägt wie durch den Umgang mit industriell hergestellten Gütern. Die Gestaltung von Straßenzügen, Plätzen und Gebäuden sowie Wohn-, Arbeits- und Geschäftsvierteln üben nämlich einen nicht unbedeutenden Einfluss auf unsere Lebensqualität aus. Denn in keinem anderen Bereich greift der Mensch stärker durch die Schaffung künstlicher Werke in die Natur ein als es im urbanen Raum geschieht. Daher ist es umso wichtiger, dass unser Handeln auf einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein gegenüber Natur und Umwelt basiert. Zugleich gewinnen in diesem Zusammenhang vor allem auch ökologische Konzepte und Handlungsweisen im Design eine immer größere Bedeutung. Sowohl bei der Umwelt- als auch bei der Produktgestaltung kommt es in Zukunft immer mehr darauf an, Ressourcen sparende Maßnahmen zu treffen sowie Abfall und Entsorgungsprobleme soweit es geht zu vermeiden. Design hat sich zu diesem Zweck nach Möglichkeit stets auf der Höhe technischer Innovationen im Bereich neuer Werkstoffe und Fertigungsverfahren zu bewegen.

Indem es gelingt, mittels des Einsatzes neuer Materialien und Techniken der Umwelt und den Dingen eine neue, auf ökologischer Verantwortung basierende Ästhetik zu verleihen, werden zugleich unsere herkömmlichen auf Verschwendung und Überfluss setzende Verhaltens- und Wahrnehmungsweisen zugunsten eines wachsenden Umweltbewusstseins gewandelt. Ganz sicher könnten viele Probleme im Umweltbereich durch die Etablierung einer neuen ökologisch motivierten Ästhetik reduziert werden. Im besten Sinne der Bedeutung kann Design so zu einer besseren Qualität unseres Lebens beitragen.

Wie können Probleme im Umweltbereich durch ökologisch motivierte Ästhetik reduziert werden?
In vielen Bereichen ist dies schon durch den Einsatz von umweltfreundlichen Materialien möglich. Oder durch Gestaltungslösungen, die nicht in vorhandene Ökosysteme eingreifen, sondern stattdessen vorhandene Gegebenheiten für sich nutzen - im Architekturbereich kann man hierzu viele eindrucksvolle Beispiele finden.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit sich Ökonomie und Ökologie im Designbereich fruchtbar miteinander verbinden?
An immer mehr Orten der Welt achten Menschen darauf, dass Produkte nicht allein billig sind, sondern dass sie vor allem gewisse Auflagen erfüllen. Dabei nimmt man immer häufiger auch einen höheren Preis in Kauf. Produkte müssen heute mehr und mehr so gestaltet sein, dass sie einem immer stärker ausgeprägten Umweltbewusstsein entsprechen. Sie müssen darüber hinaus über eine hohe Qualität des Materials und der Verarbeitung verfügen. Und sie müssen
unter sozial vertretbaren Arbeitsverhältnissen hergestellt werden. Jeder dieser Aspekte muss beim Design dieser Produkte sorgfaltig berücksichtigt werden. Nur so ist auf Dauer noch der Erfolg von Unternehmen zu sichern.

Was verbinden Sie mit dem Begriff "nachhaltiges Design"?
"Nachhaltiges Design" hört sich zwar eher dröge an, ist für mich aber durchweg positiv besetzt. Besonders gut gefällt mir, dass schon durch den Begriff selbst der weitreichende Einfluss, den Design auf so wichtige Bereiche unseres Lebens wie Umweltschutz, Energieverbrauch, etc. haben kann, deutlich wird. Design ist eben nicht nur nachträgliches Styling, sondern durch Design können schon sehr früh im Produktentwicklungsprozess wichtige Weichenstellungen vorgenommen werden.

Genau aus dieser Erkenntnis heraus hat die EU denn auch 2005 eine "Öko-Design-Richtlinie" zur umweltgerechten Gestaltung von Energie- und Verbrauchsgütern aufgestellt, die gerade von der Bundesregierung durch das so genannte "Energiebetriebene Produkte Gesetz" konkretisiert wurde.

Bei nachhaltigem Design geht es also darum, Produkte, Dienstleistungen, den öffentlichen Raum, Gebäude, Straßen, etc. - kurz: unsere Umwelt so zu gestalten, dass der Einsatz von nicht erneuerbaren Energien und Rohstoffen reduziert und der schädliche Einflüsse auf die Umwelt minimiert werden.

Weshalb ist Mode ein wichtiger Seismograf der allgemeinen Entwicklung im Designbereich? Und wann ist sie wirklich überzeugend?
Das liegt darin begründet, dass die Modeindustrie so schnelllebig ist, wie kaum ein anderer Designbereich. Mindestens zweimal im Jahr muss eine neue Kollektion vorgestellt werden, vom fertigen Entwurf bis zur Produktion bleiben mitunter nur wenige Wochen Zeit. Die Modebranche muss also schnell reagieren, sie beobachtet ganz genau, was in der Szene, aber auch was in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten geschieht, welche Künstler gerade im Kommen sind, was in Internetforen passiert, nimmt kleinste Stimmungsveränderungen in der Gesellschaft war und antizipiert so früh Trends, auf die andere Gestaltungsbereiche nur sehr viel langsamer reagieren können.

Was muss ein Designcenter wie Norintra in Hongkong tun, damit es sich von seinen Konkurrenten deutlich abheben kann?
Um sich von Konkurrenten abzuheben muss man anders sein. Dies gilt sowohl für die innere Form als auch für die äußere Form eines Unternehmens. Die dafür erforderliche Differenz gewinnt man einzig und allein dadurch, dass man immer wieder Entscheidungen trifft, die sich von den Entscheidungen der anderen unterscheiden. Dies setzt ein gut ausgeprägtes Selbstbewusstsein voraus. Es kommt also darauf an neue Maßstäbe und Standards zu setzen, die auch als solche deutlich wahrgenommen werden können. Dabei muss man immer wieder den Mut haben, anders zu denken und zu handeln, um Grenzen überschreiten zu können. Allerdings sollte man nicht immer und überall anders sein, nur um anders zu sein. Das Andere muss schon immer auch an eine spezifische neue Qualität geknüpft werden. Man sollte dabei stets so handeln, dass die Anzahl der daraus resultierenden Möglichkeiten wächst. So erhält man sich immer wieder die Chance eingeschlagene Wege zu wechseln und sein eigenes Handeln immer wieder neu zu überdenken und auf neue Gegebenheiten abzustimmen.

"Aussehen schafft Ansehen." Inwiefern gilt diese Volksweisheit, die Sie gern zitieren, auch für den Marktauftritt eines Designcenters wie Norintra?
Das Corporate Design eines Unternehmens ist für die Außenwahrnehmung von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Das gilt auch und vor allem für ein Designcenter, das ja erst noch vor seinem ersten großen Auftritt in der Öffentlichkeit steht. Neben der Kollektion, die dann vorgestellt wird, sollte sich auch Norintra selbst von Anfang an richtig positionieren. Das heißt im Klartext, dass alles - angefangen bei den Räumlichkeiten in denen sich die Arbeitsplätze der Kreativen befinden, über die Wahl der Location für die erste Präsentation, von der Informationsbroschüre für die Dachmarke bis hin zum Logo für jedes einzelne Sub-Label - die Kernwerte kommunizieren, Kreativität, Haltung und Lifestyle sowie soziale Verantwortung transportieren muss. Bei starken Marken ist all dies aus einem Guss - und die Marke selbst nicht umsonst ein Unternehmenswert.

Die Leiterin unseres Designcenters, Annett Koeman, ist der Meinung, dass sich gutes Design und soziales Gewissen sehr gut miteinander verbinden lassen. Deshalb spielt die Mischung von Fair Trade und modischem Stil in ihrem Designcenter eine wichtige Rolle. Können Sie Ihre Sichtweise teilen?
Natürlich. Es gibt nichts Erstrebenswerteres, als Schönheit, Funktionalität, Gebrauchsqualität und soziale Verantwortung in einem Produkt vereint zu finden und es sich dann auch noch leisten zu können.
 
 
Von Dr. Alexandra Hildebrandt 
 

 
 
Prof. Dr. Peter Zec ist geschäftsführender Vorstand des Design Zentrums Nordrhein Westfalen in Essen und Initiator des red dot design award, einem der international führenden Designwettbewerbe für Produkt- und Kommunikationsdesign. 1993 Berufung zum Professor für Wirtschaftskommunikation an die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. 2005 wurde er zum Präsidenten des International Council of Societies of Industrial Design (Icsid) in Montreal, Kanada, gewählt. Als exzellenter Kenner der deutschen und internationalen Designszene ist Peter Zec Herausgeber und Autor zahlreicher Designpublikationen, darunter das red dot design yearbook. Im Oktober 2006 wählte die WirtschaftsWoche Peter Zec zu einem der "20 schöpferischen Querdenker, die das Gesicht ihrer Unternehmen veränderten oder völlig neue Märke schufen."

Kontakt:
Arcandor AG
Kommunikation Gesellschaftspolitik
Dr. Alexandra Hildebrandt
Theodor-Althoff-Str. 2
45133 Essen
Tel. 0201-7279662
E-Mail: alexandra.hildebrandt@arcandor.com

Mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin. Der Text erscheint im Original bei changeX - www.changex.de

Quelle:
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 04.09.2007

     
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