Lebensmittelkühlung durch Bio-Abfall
Indien als spannender Zielmarkt für die solare Kühlung
Fraunhofer UMSICHT hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Indien als Zielmarkt für die solare Kühlung beschäftigt. Aus Kontakten vor Ort ist schließlich die Idee für ein mit Biogas angetriebenes System entstanden, das aus Abfällen Kälte für die Lebensmittellagerung erzeugt und so dazu beiträgt, dem Problem einer unzureichenden Lebensmittel-Kühlkette entgegenzuwirken. Seit 2015 setzt Fraunhofer UMSICHT mit Partnern aus Deutschland und vor Ort in Indien die Idee einer Bio-Kälte-Anlage um, die nun mit dem angestrebten Bau einer Demonstrationsanlage erfolgreich vermarktet werden soll.
In Entwicklungs- und Schwellenländern verdirbt etwa ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel, da es dort meist an Infrastrukturen für Transport, rechtzeitiger Verarbeitung oder Kühlung mangelt. Gleichzeitig stellt eine unzulängliche Abfallentsorgung in diesen Ländern ein hygienisches Problem dar und führt zu Gesundheitsbeeinträchtigungen der Bevölkerung. Ein Beispiel für diese Situation ist das Hafengebiet der indischen Stadt Mumbai, wo es aufgrund einer unzureichenden Kälteversorgung zu einem erhöhten Ausschuss bei der Fischverarbeitung kommt. Nupur Technomy, ein indischer Kooperationspartner des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheit- und Energietechnik UMSICHT, wurde von Anwohnern und Betreibern der fischverarbeitenden Betriebe in Mumbai gebeten, eine Lösung für diese Situation zu finden.
Fraunhofer UMSICHT hat daraufhin ein technologisches Konzept entwickelt, das sowohl das Problem der Abfallentsorgung als auch das einer zuverlässigen Kälteversorgung von Lebensmitteln adressiert, indem biogene Abfälle wie Überschüsse aus der Fischverarbeitung oder der Landwirtschaft zur direkten Kälteerzeugung für die Lebensmittellagerung genutzt werden. »Die Idee zur Bio-Kälte-Anlage entstand im Rahmen eines Fraunhofer-Ideenwettbewerbs 2015«, erzählt Dr.-Ing. Clemens Pollerberg, der gemeinsam mit seinem Kollegen Dr.-Ing. Michael Joemann das Projekt »BioKälte« bei Fraunhofer UMSICHT federführend betreut. »Mithilfe einer Anschubfinanzierung konnten wir schließlich das technische Konzept für die Anlage ausarbeiten.«
Höhere Lebensmittelqualität durch effiziente Kühlung
Das übergeordnete Ziel des Projekts »BioKälte« ist die Einführung bioabfallbetriebener Lebensmittellager auf dem indischen Subkontinent. Diese sollen die Effizienz der Landwirtschaft verbessern, indem die Qualität der Lebensmittel erhöht, Ausschüsse verringert und die hygienische Belastung durch wilde Deponien von Bioabfällen vermieden werden. Der technische Grundgedanke hinter einer Bio-Kälte-Anlage ist folgender: Durch Fermentation von biogenen Abfällen erzeugtes Biogas wird bereits jetzt in Entwicklungsländern zum Kochen und für die Beleuchtung verwendet. Mit Hilfe einer Absorptionskältemaschine kann dieses Gas auch für Kühlprozesse genutzt werden.
Die von Fraunhofer UMSICHT entwickelte Bio-Kälte-Anlage besteht aus den Hauptkomponenten Fermenter, Gasbrenner, Absorptionskältemaschine und Rückkühlwerk, die zusammen mit dem Lagerraum für die Lebensmittel in zwei mobilen 40 Fuß-Containern untergebracht sind. Dadurch lässt sich das System überall und auch ohne Verbindung zum Stromnetz nutzen , bei Bedarf kann es außerdem mit Solarpanelen und Wärme-Kopplungsanlagen kombiniert werden. Die im Container enthaltene Anlage kann zwischen drei und fünf Tonnen biogene Abfälle pro Tag verarbeiten (abhängig von der Substratzusammensetzung des Abfalls). Die Überreste aus dem Fermentationsprozess lassen sich als Düngemittel weiterverwenden.
Herstellung und Vertrieb in Indien
Um marktübliche Kosten zu gewährleisten und den Marktzugang sicherzustellen, soll das gesamte System zur Biogas-angetriebenen Lebensmittelkühlung im Zielmarkt Indien hergestellt wie auch vertrieben werden. Im Herbst 2016 reisten Michael Joemann und Clemens Pollerberg deshalb nach Indien, um Partner zur Realisierung des Vorhabens zu akquirieren, die vor Ort beispielsweise die wissenschaftliche Betreuung einer Demonstrationsanlage übernehmen. Mit den im Anlagenbau tätigen Firmen Exponential Engineering und Legion Energy, der Forschungseinrichtung TERI und Shalimar Distributiors and Investments, die als Investor die Technologie in seinen Projekten umgesetzt wissen möchte, konnten die UMSICHT-Forscher schließlich nicht nur das Konsortium des Projekts »BioKälte« durch indische Partner erweitern, »wir hatten auch die Möglichkeit, potentielle Endkunden bzw. Anlagenbetreiber kennenzulernen, wie beispielsweise eine Fischergemeinde in Guhagar oder ein Großmarkt in der indischen Stadt Pune«, so Dr. Joemann.
Gemeinsam mit dem deutsch-indischen Projektkonsortium ist im April 2017 nun die Realisation einer Demonstrationsanlage angelaufen, für die mit dem weiterführenden Projekt BIGASTORE zusätzliche Mittel bewilligt wurden. »Derzeit planen wir mit unseren Industriepartnern den Bau der wichtigsten Anlagenkomponenten – also die Entwicklung eines Fermenters in Containerbauweise zur Nutzung verschiedener Biomassen sowie die Entwicklung einer Absorptionskältemaschine für die spezifischen Rahmenbedingungen in Indien«, sagt Dr. Pollerberg. Bau, Installation und Inbetriebnahme der Demonstrationsanlage werden durch die indischen Partner umgesetzt, als Standort wäre zum Beispiel der Großmarkt für Obst, Gemüse und Gewürze in Pune denkbar. Wo genau die Anlage stehen wird, wollen Pollerberg und Joemann gemeinsam mit den Partnern des Projekts »BioKälte« dann im Rahmen einer weiteren Indienreise Ende 2017 abschließend entscheiden.
Finanzielle Förderung
Das Projekt wurde in verschiedenen Entwicklungsphasen/Teilprojekten finanziell unterstützt: 20.000 Euro (Preisgeld beim Ideenwettbewerb des Fraunhofer Netzwert-Symposiums 2015); 50.000 Euro (»Zayed-Programm«, ein internes Förderprogramm, das die Fraunhofer Allianz Energie 2014 gestartet hat, um die Anbahnung von Fraunhofer-Projekten zur nachhaltigen Energieversorgung im Ausland zu unterstützen; 325.000 Euro (für das Projekt BIGASTORE im Rahmen der Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung – Richtlinie zur Förderung der Wissenschaftlich-Technologischen Zusammenarbeit in Indien).
Kontakt:
Stephanie Wehr-Zenz M. A., Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und
Energietechnik UMSICHT
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 04.09.2017
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