Was macht nachhaltiges Catering aus?

Auch Catering-Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie ihr Angebot immer klimafreundlicher und umweltschonender gestalten können.

Einen radikalen Ansatz hat Patrick Diehr gemeinsam mit Partnern entwickelt. Wir sprachen mit ihm über Kochen ohne Strom und kreatives Re- und Upcycling.

Herr Diehr, 2019 wurde ihr Unternehmen für sein konse­quentes Nachhaltigkeitskonzept von einer Fachzeitschrift zum Caterer des Jahres in der Kategorie „Green Catering" gekürt. Was macht ihr Konzept so besonders und wie sind Sie bei der Entwicklung vorgegangen? 
Patrick Diehr gründete 2007 die KOCHfabrik, um seinen Traum vom eigenen kreativen Catering-Unternehmen wahr zu machen. © Björn WeinbrandtIch habe mich mit Guido Weber, einem leidenschaftlichen und experimentierfreudigen Küchenchef, und mit Bernd Sautter, einem umtriebiger Food-Scout, zusammenge­tan. Uns drei verbindet die Lust auf verantwortungsvollen Genuss. Wir haben zunächst sämtliche Abläufe auf den Kopf gestellt und hinterfragt: Brauchen wir zwingend Strom auf Veranstaltungen? Können wir zu 100 Prozent regionale und saisonale Zutaten verwenden? Welche alten Gemüse- und Obstsorten kommen saisonal in Frage und welche heimi­schen Kräuter können wir verwenden? Kommen wir ohne Pfeffer und Zucker von Übersee und Zitrusfrüchte aus Italien & Co. aus? Was können wir tun, um der Natur aktiv zurück­zugeben, was wir ihr nehmen? 

Herausgekommen ist das Catering-Konzept ELEMENTUM, das durch den Verzicht auf Strom auf dem Event bis zu 99 Prozent CO2 allein bei der Zubereitung der Speisen einspart! Beim Lebensmitteleinsatz erreichen wir eine Einsparung von bis zu 20 Prozent der CO2-Emissionen, bei der Ausstattung sparen wir bis zu 54 Prozent ein. Aus unserem Grundver­ständnis heraus, die Natur und die Elemente zu ehren, zu schützen und aktiv für ihre Erhaltung zu sorgen, sind sieben ELEMENTUM-Gebote entstanden. 

Wie dürfen wir uns Ihre Arbeit konkret vor Ort vorstellen? 
Unsere Speisen bereiten wir bei 300 Grad auf dem Feuer zu oder servieren sie roh. Bei uns gibt es nur heiß oder kalt. Bei der Zubereitung unserer Speisen verzichten wir auf jegliches technische Gerät, kochen über dem Feuer und backen in unserem mobilen Holzofen. Holz und Holzkohle dafür be­kommen wir direkt von der Kummerfelder Forstwirtschaft aus der Knickpflege. Im Vergleich zu einem konventionellen Event mit beispielsweise 400 Personen sparen wir so den Einsatz von durchschnittlich vier Hotcars, einem Kühlanhän­ger, acht sogenannten K-Pots, dazu Wasserbäder, Wärme­lampen und weiteres Gerät. Alles in allem entspricht das einer Stromeinsparung von über 150 kW. 

Eines der von Ihnen formulierten „Gebote" lautet, „Du sollst nicht in die Ferne schweifen". Was bedeutet das für Sie? 
Zu 80 Prozent besteht unsere Kulinarik aus pflanzlichen Pro­dukten. Aufs Feuer kommen bei uns nur 20 Prozent Fleisch und Fisch. Wir erklären die Beilage zur Hauptsache! Im Fokus steht die Geschmacksvielfalt von saisonalen und alten Ge­müsesorten sowie wilden Kräutern. Daneben landet aus­schließlich Fleisch von unseren eigenen Hochlandrindern und Wild vom Förster aus der Nachbarschaft sowie Fisch und Meeresfrüchte aus Nord-und Ostsee auf unseren Tellern. Dabei geht es uns nicht um Verzicht, sondern um das be­wusste Geschmacks-und Genusserlebnis. Durch den Fokus auf pflanzliche Produkte sparen wir im Vergleich zu einem konventionellen Event 80 Prozent tierische Produkte ein, die bei der Herstellung deutlich mehr CO2 freisetzen. 

Unsere Zutaten kaufen wir radikal lokal in einem Umkreis von 100 km ein. Bei 100 km ist Schluss und wo der Pfeffer wächst, interessiert uns nicht. Wir würzen mit Salz aus der Ostsee und süßen lediglich mit Honig, Apfel-oder Birnendicksaft. Gemüse und Obst beziehen wir zu 100 Prozent von Bauern aus der Region. Statt Olivenöl verwenden wir hochwertige pflanz­liche Öle und Nussöle aus Schleswig-Holstein. Produkte, die wir nicht mit einer regionalen Alternative ersetzen können, wie beispielsweise Kaffeebohnen, müssen fair gehandelt, biologisch angebaut und regional verarbeitet werden. Durch den radikal lokalen Einkauf sparen wir Hunderte Kilometer Transportkosten auf Land-, Luft- oder Seewegen. 

Ein wichtiges Thema bei nachhaltigem Catering ist im­mer auch die Abfallvermeidung. Welche Ansätze verfolgen Sie da? 
Wo wir können, re-und upcyceln wir Produkte für die Event­ausstattung. Wir spannen die Muskeln an und lassen unsere Phantasie spielen: Vom Stuhl über das Geschirr, das Besteck und die Gläser bis hin zu den Buffetelementen und -auf­bauten sowie der alten handbetriebenen Kaffeemühle oder den Porzellan-Kaffeefiltern – jedes Stück hat seine eigene Geschichte und wurde gezielt von uns ausgesucht. Unsere Stühle bestehen beispielsweise zu 100 Prozent aus recycel­tem Kunststoff aus der Möbel-und Autoindustrie. Geschirr und Besteck haben wir uns aus Trödelscheunen zusammen­gesucht und für unsere Buffet-Elemente zweckentfremden wir alte Gitterboxen, Gerüstbohlen, Holzkabeltrommeln und Naturstein. Die Wasser-und Weingläser lassen wir aus alten Weinflaschen schneiden und viele unserer Speisen landen gar nicht erst auf Tellern, sondern in Austernschalen, auf Kohlblättern, in Blüten oder auch auf Baumrinde. Durch den gelebten Gedanken des Re-und Upcyclings geben wir gebrauchten und alten Gegenständen ein neues Leben und sparen die Herstellung und den Transport von Neuware. 

"Wir haben zunächst sämtliche Abläufe auf den Kopf gestellt und hinterfragt."
  
Wir verarbeiten unsere Zutaten komplett und für alles, was wir nicht verarbeiten können, bringen wir einen mobilen Recyclinghof mit. Mit Strunk und Stiel und von Kopf bis Fuß – bei uns kommen Möhrengrün und Brokkolistiele mit auf den Teller. Mal als Pesto, mal als Gremolata oder in einer feinen Brühe. Über alle anderen pflanzlichen Reste freuen sich unsere Rinder. 

Unsere Erzeuger beliefern uns größtenteils unverpackt, und auch die Anlieferung auf dem Event erfolgt plastikfrei. Was­ser und unsere hausgemachten Limonaden füllen wir auf jeder Veranstaltung direkt von unserer eigenen Seltersanlage in wiederverwendbare Bügelflaschen ab. Für alle anderen Abfälle haben wir einen mobilen Recyclinghof entwickelt: Hier wird genauestens getrennt und entsprechend entsorgt. 

Besonders wichtig ist uns hierbei, unsere Gäste auf das Thema Müllreduzierung aufmerksam zu machen. In der schnell­lebigen Veranstaltungsbranche werden Unmengen von Müll produziert, die der Gast so gar nicht mitbekommt. Beispiels­weise kilometerweise Wickelfolie in der Logistik. Hier arbei­ten wir bereits seit 2019 mit eigens hergestellten Überzügen aus recycelter LKW-Plane für unsere Rollwägen. 

Was Sie beschreiben, klingt sehr konsequent, aber auch aufwändig. 
Der Schutz der Umwelt ist uns den Aufwand wert. Wir unter­stützen zudem mit 10 Prozent der Einnahmen verschiede­ne Umwelt-Projekte, um die Natur bei uns im Norden zu schützen und zu stärken. Besonders am Herzen liegen uns dabei die Themen Wasser und Meer sowie Wald und Luft in Schleswig-Holstein. 

Herr Diehr, wir bedanken uns für das Gespräch. 
 
Bereits 2007 hat Patrick Diehr die Hamburger KOCHfabrik gegründet, um seinen Traum vom eigenen, kreativen Premium-Catering wahr zu machen. Er ist ein kreativer Visionär, der mutig vorangeht und Ideen umsetzt, statt ewig darüber nachzudenken. 

Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Wirtschaft | Green Events, 01.03.2024
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2024 mit dem Schwerpunkt "Der Weg zum Mehrweg – Transport und Logistik" - Jede Menge gute Nachrichten erschienen.
     
        
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