Hydrogen Dialogue 2024

Die dunkle Seite des Bleirecyclings – jetzt auf der UN-Tagesordnung

Europas Industrie sollte ihrer Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette nachkommen.

Foto: The Lead Recycling Africa ProjectWenn am Montag in Nairobi die zweite Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) startet, steht eines der neuen großen Umwelt- und Gesundheitsprobleme vieler afrikanischer Länder auf der Tagesordnung: das Bleirecycling aus Altbatterien. Insbesondere in Ländern südlich der Sahara führt das unsachgemäße Recycling zu schwerwiegenden und zum Teil lebensbedrohlichen Bleivergiftungen der Arbeiter sowie Anwohnerinnen und Anwohner kleiner und großer Bleihütten, darunter auch Kinder. Dies zeigen die Ergebnisse eines breit angelegten Kooperationsprojekts des Öko-Instituts mit afrikanischen Umweltorganisationen aus Äthiopien, Kamerun, Kenia und Tansania.  
 
Die Fachleute wiesen im Verlauf des Projektes darauf hin, dass die Arbeit in den industriellen Recyclingbetrieben häufig mit rudimentärer Technik und ohne Arbeitsschutz vonstattengeht. Das Team stellt länderspezifische Informationen zu Hüttenbetrieben und der Recyclingpraxis zusammen, um politische Entscheider auf das Problem aufmerksam zu machen.

Standards in afrikanischen Staaten etablieren und umsetzen
Zentrale Forderung des internationalen Teams: Regierungs- und Aufsichtsbehörden vor Ort müssen Standards zum umwelt- und gesundheitsgerechten Recycling von Bleibatterien massiv durchsetzen. Diese sollten nicht für jedes Land neu entwickelt werden. „Vielmehr wäre es sinnvoll, wenn solche Standards global Anwendung finden – hier können vor allem auch internationale Organisationen wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) tätig werden", sagt Tadesse Amera, Direktor der Organisation PAN-Äthiopien.

In den meisten Ländern Afrikas sind sich die Arbeiter und Anwohner von Bleihütten ihren extremen Gesundheitsrisiken gar nicht bewusst. Denn die Symptome einer Bleivergiftung werden meist als Anzeichen einer Infektionskrankheit gedeutet. „Die wirklichen Ursachen hoher Krankheitsraten bleiben deshalb oft im Dunkeln", meint Diana Mathai vom kenianischen Zentrum für Umweltgerechtigkeit CJGEA. „Erst als wir anfingen, die betroffenen Bevölkerungsgruppen über die Risiken aufzuklären und Wissen bei den staatlichen und nicht-staatlichen Stellen über Bleivergiftungen aufzubauen, kam Bewegung in die Sache. Seitdem wurden siebzehn Betriebe in Kenia geschlossen. Das ist zwar ein erster wichtiger Schritt, wir haben es aber immer noch mit zahlreichen Altlasten und einer ungeregelten Batterieverwertung zu tun."

Gleichzeitig sehen die Expertinnen und Experten weitere, bislang kaum beachtete Gesundheitsrisiken für noch viel größere Bevölkerungsgruppen. Denn einige verunreinigte Rohstoffe aus dem Batterierecycling werden für die Herstellung von Produkten des täglichen Bedarfs verwendet – so etwa Wassertanks oder Stühle. „In Kamerun wird ein Teil des Bleis mit Aluminium vermischt und für die Produktion von handgemachten Kochtöpfen verwendet",
sagt Dr. Gilbert Kuepouo vom kamerunischen Forschungs- und Bildungszentrum für Entwicklung. „Wir müssen also davon ausgehen, dass große Teile der Bevölkerung täglich eine gewisse Dosis des Schwermetalls zu sich nehmen. Gerade für Kinder kann das lebenslange Beeinträchtigungen zur Folge haben." Auch in Tansania ist die Situation ernst: „Wir haben angefangen, Bevölkerung und Regierungsstellen über die Risiken aufzuklären", sagt Silvani Mng’anya von der Organisation AGENDA für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung in Tansania. „Aber positive Veränderung braucht seine Zeit. Wir hof-fen, dass die Umweltkonferenz der Vereinten Nationen hier ein deutliches Zeichen setzt und eine wirksame Resolution verabschiedet."

Europas Industrie: Sorgfaltspflicht für die Lieferkette
In Afrika fallen jedes Jahr über 800.000 Tonnen Blei aus Altbatterien an. Vor Ort gibt es meist jedoch keine industrielle Verwendung für das Schwermetall. Deshalb wird der Rohstoff zum größten Teil exportiert – vor allem an Bleiraffinerien in Europa und Asien, die wiederum die Hersteller von Autobatterien beliefern. 

„Die Großabnehmer von Blei – etwa die europäische Kfz-Industrie – sollten die Verantwortung für ihre Zulieferkette übernehmen", fordert Andreas Manhart, Wissenschaftler am Öko-Institut. „Zum Teil geschieht dies bereits, häufig jedoch nur über Vorgaben an den ersten Zulieferbetrieb. Der Anfang der Kette wird dabei weitgehend ausgeblendet. Hier sollte die Industrie deutlich strengere Standards setzen."

Zum Lead Recycling Africa Projekt 
Das Öko-Institut hat das „Lead Recycling Africa Projekt" Ende 2014 mit der Unterstützung zahlreicher Spenden gestartet. Ziel der Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen in  Äthiopien, Kamerun, Kenia und Tansania war es, dem Thema vor Ort und international zu mehr Aufmerksamkeit zu verhel-fen und Lösungen für ein nachhaltiges Recycling von Bleibatterien zu be-schreiben. Die Spendengelder wurden dafür direkt an Umweltaktivisten vor Ort weitergegeben, um ihnen nötige Recherchen, Analysen und Öffentlichkeitsar-beit zu ermöglichen. 


Weitere Informationen:
Website mit sämtlichen Ergebnissen und Publikationen aus dem Lead Recycling Africa Projekt von Öko-Institut, PAN-Äthiopien, CREPD-Kamerun, CJGEA-Kenia und AGENDA-Tansania
Broschüre „The deadly business – Findings from the Lead Recycling Africa Project” mit zentralen Projektergebnissen in englischer Sprache


Über das Öko-Institut 
Das Öko-Institut ist eines der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitute für eine nachhaltige Zukunft. Seit der Gründung im Jahr 1977 erarbeitet das Institut Grundlagen und Strategien, wie die Vision einer nachhaltigen Entwicklung global, national und lokal umgesetzt werden kann. Das Institut ist an den Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin vertreten.
www.oeko.de | https://twitter.com/oekoinstitut 


Über die Partnerorganisationen (in Englisch)

About PAN-Ethiopia
Pesticide Action Nexus Association of Ethiopia (PAN-Ethiopia) is a non-governmental organization established to work on environment and develop-ment to contribute to the eradication of poverty in Ethiopia through raising the awareness of the public in order to prevent the public health and environmen-tal impacts of pesticides and other hazardous chemicals. Its main purpose is to enhance and promote a safe and sustainable environment protected from
harm posed by hazardous chemicals by promoting the close collaboration of government, non-governmental organizations; civil society interest groups, urban and rural communities in Ethiopia and beyond.

About Research and Education Centre for Development – Cameroon 
CREPD is a Cameroon based Health and Environmental NGO aiming to bridge the gap between Science and Action in Sub-Sahara Africa and be-yond.  CREPD is a unique NGO within Cameroon since 2004 with a technical scientific background that is well respected as a resource for government min-istries on chemicals management issues. The organization serves on a num-ber of advisory committees and has an excellent working relationship with government, research institutions and other stakeholders.
www.crepdcameroun.org 

About AGENDA for Environment and Responsible Development –Tanzania 
AGENDA is a non-governmental, non-profit sharing organization (NGO) was established in 1994 as a three years project with the aim to contribute to the sustainable development of the business sector by promoting environmentally responsible, transparent and accountable business practices in Tanzania and registered as an autonomous NGO in 1997. AGENDA’s mission is to promote a culture of responsibility to the environment amongst the general public through awareness, advocacy, capacity building and stakeholders’ involve-ment in Tanzania and beyond.
www.agenda-tz.org

About Kenya Center for justice governance and Environmental Action
CJGEA is a registered non-profit and non-governmental organization based in Mombasa, Kenya working for the realization of environmental and human rights of the economically marginalized communities residing around extrac-tive industries in the Kenyan Coastal region. The challenges being faced by these marginalized communities led to the need to address human rights, poli-cy change and environmental governance issues. CJGEA`s operations are guided by its constitution and is overseen by its board of governors drawn from the civil society in Kenya and Internationally. Our mission is mainstream-ing a human rights based approach to environmental protection of marginal-ized and ignored communities around extractive industries.
www.centerforjgea.com 

Kontakt: Öko-Institut | presse@oeko.de | www.oeko.de


Umwelt | Ressourcen, 18.05.2016

     
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