Sag mir wo die Jungen sind? Wo sind sie geblieben?
Im Umweltschutz und bei der Nachhaltigkeit steht ein Generationenwechsel bevor. Doch wer sind die Lichtgestalten, die sich beherzt für unsere gemeinsame Zukunft engagieren?
Ein Diskussionsbeitrag von Heike Leitschuh
Seit nunmehr über 20 Jahren arbeite ich zu den Themen der Nachhaltigkeit und stelle fest: Die Umwelt- und Nachhaltigkeits-"Szene" steht vor einem Generationenwechsel. Die Pioniere der ersten Stunde und diejenigen, die die Debatte wie auch die Politik über Jahrzehnte geprägt haben, sind fast alle zwischen 60 und 70 Jahre alt. Ob Unternehmer wie Ulrich Walter (Lebensbaum), Michael Otto, Götz Rehn (Alnatura), Franz Ehrnsperger (Lammsbräu), Graf von Faber-Castell oder die Nachhaltigkeitsmanager wie Ignacio Campino (Telekom) und Lothar Meinzer (BASF), ob die Köpfe der Umweltverbände und NGOs, wie Angelika Zahrnt und Hubert Weiger (BUND), Olaf Tschimpke (NABU) oder Thilo Bode (FoodWatch), Maximilian Gege (BAUM), ob Wissenschaftler wie Lenelis Kruse-Graumann, Udo Simonis, Ute Stoltenberg oder Ernst Ulrich von Weizsäcker, ob Journalisten wie Christiane Grefe und Fritz Vorholz (Die Zeit), Stephan Börnecke und Joachim Wille (Frankfurter Rundschau) – sie alle sind im Rentenalter, oder es trennen sie nicht mehr so viele Jahre davon.
Es wird langsam Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wer eines Tages an ihre Stelle tritt. Wer ist die nächste Generation? Welche Denk- und Verhaltensweisen sind ihr eigen? Welche Akzente setzt sie und wie wird sie das Thema Nachhaltigkeit prägen? Wird das „Vermächtnis" der Pioniere weitergetragen, ohne nötige Erneuerungen zu behindern? Bisher scheint sich darüber kaum jemand Gedanken zu machen.
Alltagstaten statt großer Politik
Die sogenannte Generation Y (zwischen 1977 und 1998 geboren) gilt als gut gebildet, selbstbewusst, technikaffin und optimistisch. Ihre Angehörigen können, so sagen Forscher, mit den Unsicherheiten, die unser Leben prägen, ganz gut leben. Sie bestehen auf persönlichen Freiheiten und suchen einen sinnvollen Job, bei dem es nicht vorrangig ums Geldverdienen geht. Das klingt gut. Manche aber werfen dieser Generation auch vor, sie sei zu wenig engagiert, lege sich nicht gerne fest („Generation Vielleicht", Frankfurter Rundschau 9.3.2015) und lasse es an Substanz fehlen. Sie soll aber auch pragmatischer und weniger materialistisch sein. Viele in dieser Altersgruppe leben einen relativ nachhaltigen Lebensstil, ohne das politisch an die große Glocke zu hängen: Sie haben kein Auto, kaufen Second-Hand-Produkte und verstehen sich bestens auf die Sharing-Ökonomie. Überhaupt haben sie es nicht so mit der großen Politik, ohne aber unpolitisch zu sein. Sie engagieren sich lieber bei kleinen konkreten Projekten wie städtischen Gemeinschaftsgärten und Reparatur-Cafés oder gründen Startups, die sich auch sozialen wie ökologischen Themen widmen. Wohlgemerkt: Ein Teil dieser Generation. Es gibt auch die, die sich um alles das wenig scheren.
Per Mausklick Menschen bewegen
Doch macht das die jungen Nachhaltigen schon zu würdigen Nachfolgern für die Pioniere im Umweltschutz? Wo sind die bekannteren Gesichter, die das Zeug zu charismatischen Führungspersönlichkeiten haben? Oder braucht es die vielleicht gar nicht mehr, nachdem die schlimmsten Schlachten bereits geschlagen sind, weil Nachhaltigkeit nun als gesellschaftlich weithin akzeptiertes Ziel gilt? Müssen die Jüngeren deshalb auch nicht mehr so gut kämpfen können – diese Generation, die sich mit ihren Eltern oft bestens versteht und Konflikte gerne mal umschifft?
Sicher gilt, dass die junge Generation bereits jetzt die Umweltbewegung stark beeinflusst: Es sind die neueren und von den Jungen geprägten Organisationen wie Campact, Lobbycontrol oder Ausgestrahlt, die mit ihrer internetbasierten Mobilisierungsfähigkeit auch die etablierten Verbände dazu brachten, nicht nur zu verhandeln, sondern sich wieder mehr auf der Straße zu zeigen. Es sind auch diese Organisationen, die mit ihren niederschwelligen Angeboten – per Mausklick mischt man sich ins politische Geschehen ein – der Gewohnheit der Jüngeren, sich eher situativ und punktuell als beständig zu engagieren, entgegenkommen.
Zeit für Wandel – aber wie?
Und wie verhält sich die ältere Generation der jetzigen Entscheider? Lässt sie die notwendige Verjüngung überhaupt zu? Kümmert sie sich aktiv um den Nachwuchs? Oder klebt sie – weil „Forever Young, Forever Turnschuh" – an ihren Posten? Wenn Letzteres zuträfe, warum stellen sich die Jüngeren nicht auf die Hinterbeine, um zum Zug zu kommen? Ist es ihnen vielleicht ganz recht, dass die Elterngeneration noch fleißig schafft, weil man solange selbst keine Verantwortung übernehmen muss? Viele hoch spannende und offene Fragen. Ich bin gespannt, was die Leserinnen und Leser von forum dazu denken.
Schreiben Sie dazu Ihre Meinung an redaktion@forum-csr.net- Stichwort: „Was wird geschehn?".
Heike Leitschuh (Jg. 1958) ist Autorin, Moderatorin und Beraterin für Nachhaltige Entwicklung (www.heike-leitschuh.de) und lebt in Frankfurt am Main.
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 29.04.2015
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