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Unfairkäuflich

Menschenrechte und Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen

In indischen Steinbrüchen herrschen größtenteils Verhältnisse, die man sich als Europäer kaum vorstellen kann bzw. möchte. Die dort verbreiteten Probleme sind sehr vielfältig und gehen über die in den deutschen Medien angeprangerte Kinderarbeit deutlich hinaus. Doch es gibt faire Alternativen.Es erscheint wie ein Teufelskreis, in dem sich die Probleme gegenseitig bedingen: Die hohe Arbeitslosigkeit in ländlichen Regionen Indiens verstärkt die Machtlosigkeit der Arbeiter. Sie nehmen auch die miserabelsten Arbeitsbedingungen in Kauf und akzeptieren zwangsweise die schlechte Entlohnung. Aufgrund der geringen Entlohnung der Erwachsenen müssen oftmals die Kinder mithelfen, das "täglich Brot" zu verdienen. Diese Kinder bekommen nie die Chance, eine Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu absolvieren oder sich anderweitig weiterzubilden. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch als Erwachsene im Steinbruch arbeiten werden.

Harte Arbeit - keine Absicherung. Arbeiter in indischen Steinbrüchen werden in der Regenzeit in großer Zahl entlassen. Ohne Rücklagen können sie ihre Familien nicht ernähren, müssen Kredite aufnehmen und geraten in Schuldknechtschaft.
Foto: © WIN=WIN
Da die Bezahlung der Arbeiter meist entweder zu Tagessätzen oder im Akkordsystem erfolgt, können weder Urlaubsansprüche noch Krankentage geltend gemacht werden. Regelmäßig zur Regenzeit - wenn die Arbeit in (nordindischen) Steinbrüchen größtenteils unmöglich wird - werden die Steinbrucharbeiter in großer Zahl entlassen. Sie können sich und ihre Familien jedoch nicht immer finanzieren und nehmen beim Steinbruchbesitzer einen Kredit (mit zum Teil horrenden Zinsen) auf. Durch diesen Kredit gehen die Arbeiter eine Schuldknechtschaft ein. Sie müssen so lange für den Kreditgeber arbeiten, bis der Kredit abbezahlt ist. Reicht die alleinige Arbeitskraft des Vaters nicht aus, müssen auch die Kinder (sogar über den Tod des Vaters hinaus) den Kredit abarbeiten.

Bloßes Verbot von Kinderarbeit verschärft Probleme
Diese fest etablierten und menschenunwürdigen Strukturen müssen beseitigt werden, damit Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen generell unterbunden werden kann. Doch ein alleiniges Verbot von Kinderarbeit in der indischen Steinbruchindustrie, wie es von deutschen Importeuren gefordert wird, könnte die Misere zwar in der exportierenden indischen Steinbruchindustrie unterbinden, würde jedoch diejenigen Steinbruchkinder, die für den indischen Markt Steine (bspw. Schotter) schlagen, nicht betreffen. Zudem sollte bei einem Verbot von Kinderarbeit immer berücksichtigt werden, dass das von den Kindern erwirtschaftete Einkommen den Eltern zum Überleben fehlt. Dadurch müssen die Kinder unter Umständen anderweitige gesundheitsgefährdende und schlecht bezahlte Tätigkeiten in anderen Sektoren aufnehmen.

Weder die Anzahl der Beschäftigten in der indischen Steinbruchindustrie insgesamt noch die Zahl der dort arbeitenden Kinder ist genau bekannt - ja nicht einmal die Anzahl der indischen Steinbrüche lässt sich benennen, weil sie im ganzen Land breit gestreut und nicht unbedingt registriert sind. So ist es nicht verwunderlich, dass die Angaben zu den indischen Steinbruchkindern sehr stark divergieren: In Übersichten der indischen Regierung werden die Kinderarbeiter in Steinbrüchen nicht gesondert ausgewiesen. Laut Regierung sei die Rate aber nicht hoch. Auch in einer gemeinsamen Verlautbarung der indischen Werksteinverbände wird Kinderarbeit in indischen Exportsteinbrüchen abgestritten. Dahingegen schätzt "Südwind" die Anzahl der Kinderarbeiter auf mehr als 15 Prozent der Beschäftigten und die Kampagne "Aktiv gegen Kinderarbeit" beziffert die Zahl der indischen Steinbruchkinder auf 150.000. Doch auch ohne abgeschlossene Datenlage ist Kinderarbeit ein schlicht nicht hinnehmbarer Skandal.

"Fair Stone" als Umwelt- und Sozialstandard
Um die Kinder von der unmenschlichen Qual der schweren Steinbrucharbeit zu befreien, sind verschiedene Lösungsansätze denkbar:
Eine Möglichkeit besteht in umfangreichen Befreiungsaktionen durch Hilfsorganisationen und Stiftungen. So hat sich beispielsweise die Stiftung "Chancen für Kinder"(www.stiftung-chancenfuerkinder.de) von Prof. Maximilian Gege zum Ziel gesetzt, die Kinderarbeiter mit Hilfe von Spendengeldern aus den indischen Steinbrüchen zu befreien und ihnen einen Schulbesuch, medizinische Versorgung, Unterkunft und Verpflegung zu ermöglichen. Doch trotz aller positiver Bemühungen wird es so kaum möglich sein, alle Kinder aus den Steinbrüchen herauszuholen.

Umso wichtiger ist es, endlich Strukturen zu schaffen, die ausbeuterische Kinderarbeit schon im Ansatz unterbinden. Denkbar ist hier die Einführung eines Labels. Das Beispiel des Teppich-Siegels "Rugmark" bzw. "Goodweave" zeigt, dass Kinderarbeit am schnellsten dort schwindet, wo ökonomische Sanktionen drohen. Durch das von Dr. Heinecke Werner initiierte "Fair Stone"-Siegel (http://fairstone.win--win.de) kann erstmalig Druck auf Produzenten ausgeübt werden, die Arbeitsbedingungen generell für die Mitarbeiter zu verbessern. "Fair Stone" ist ein vollständiger Umwelt- und Sozialstandard, nach dem die sozialen und ökologischen Bedingungen der Natursteinwirtschaft in Steinbrüchen und Fabriken verbessert werden sollen. Es geht um die Vermeidung von Staublunge, Hörschäden, Unfällen sowie Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, es geht um Menschen- und Arbeitsrechte, um Umwelt- und Ressourcenschutz.
Foto: © WIN=WIN

Als Kunden indischer Natursteine - wie Küchenarbeitsplatten, Pflastersteine oder Grabsteine - tragen wir in der globalisierten Welt auch eine gewisse Mitverantwortung für die Produktionsbedingungen. Das Siegel "Fair Stone" kann uns bei der richtigen Wahl der Importe helfen. Es ist höchste Zeit, dass auch deutsche Natursteinkonsumenten und -einkäufer ihrer Verantwortung gerecht werden und nur noch fair gehandelte Steine nachfragen.

Die umfangreiche B.A.U.M.-Studie "Kinderarbeit in der indischen Natursteinwirtschaft" können Sie bei Elisabeth Michels, Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e.V. anfordern: elisabeth.michels@baumev.de
oder +49 (0)40 / 49 07 11 01


Von Elisabeth Michels



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Quelle:
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 08.12.2010

     
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