Standhaft sein, Brücken bauen und viel erklären
Johannes Ehrnsberger, Geschäftsführer des Bio-Pioniers Neumarkter Lammsbräu, im Interview
Der Bio-Pionier Neumarkter Lammsbräu hat 2009 als Erster Mineralwasser mit dem Claim "Bio" auf den Markt gebracht. Geschäftsführer Johannes Ehrnsperger erzählt von den Auseinandersetzungen damals. Die Green Claims Directive der EU begrüßt er, da sie dem Wildwuchs an grünen Behauptungen und Labels etwas entgegensetzen will.
Herr Ehrnsperger, als Ihr Unternehmen 2009 sein Bio-Mineralwasser auf den Markt brachte, gab es um diese Bezeichnung zahlreiche, auch gerichtliche Auseinandersetzungen. Wie war das damals?
Wer Neues oder Ungewöhnliches macht, hat meist mit Widerständen zu kämpfen. Nicht zuletzt innerhalb der eigenen Branche. So war das damals schon beim Bio-Bier. So war es dann auch bei Bio-Mineralwasser. Und zugegeben: für manche war die Idee, den Bio-Gedanken auf das Wasser zu übertragen, zunächst erklärungsbedürftig. Dabei ist der Kerngedanke von Bio neben dem Streben nach bester Qualität das Denken in natürlichen Kreisläufen bzw. die Arbeit an deren Erhalt. Und Wasser ist das Lebensmittel schlechthin, bei dem schon Kindern erklärt wird, dass es im Kreislauf entsteht. Wenn man sich diesen Zusammenhang einmal vor Augen geführt hat, macht es meist „klick" und es wird den meisten klar, dass man sich um den Wasser-Kreislauf in Zeiten von zunehmender Dürre und Agrarchemie auch aktiv kümmern muss.
Das Bio-Mineralwassersiegel setzt genau hier an und betrachtet Wasser als „Frucht des Bodens". Die Mineralbrunnen werden damit zu „Bio-Wasserbauern", die sich vom Einsickern des Regens in den Boden bis zur Abfüllung in die Flasche um das Wasser kümmern und es vor Schadstoffen etc. bewahren – beispielsweise indem sie mit den Landwirt:innen der Region kooperieren und den Ökolandbau voranbringen. Das ist ein rundes Konzept am Puls der Zeit, weshalb sich die Einstellung der meisten ehemaligen Kritiker:innen zu Bio-Mineralwasser auch geändert hat. Viele dieser ehemaligen Kritiker:innen sind heute selbst Partner:innen der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser, des Verbands, der das Bio-Mineralwassersiegel vergibt. Wir mussten nur standhaft sein, Brücken bauen und viel erklären. Wobei sicher auch geholfen hat, dass der Bundesgerichtshof seinerseits dem Bio-Mineralwasserkonzept schon 2012 klar den Rücken gestärkt hat.
Neumarkter Lammsbräu ist als Brauerei bekannt. Wie kamen Sie zum Mineralwasser?
Wir haben uns dem Thema Bio von Anfang an über die Rohstoffe genähert. Denn wir wollten mit unserer traditionellen Handwerkskunst und den besten Zutaten die besten Getränke herstellen. Bei unseren Bieren ging es dabei um das Braugetreide und den Hopfen, bei den Limonaden um die Fruchtsäfte und die Süße. All das haben wir im Ökolandbau gefunden bzw. diesen in unserer Region auch massiv mit angeschoben und Erzeugergemeinschaften gegründet. Hierbei konnten wir dann auch auf die entstehenden Bio-Siegel der großen Ökolandbauverbände bauen, die uns und den Landwirt:innen Orientierung boten. Allerdings störte uns und andere Bio-Pionier:innen immer mehr, dass es bei der Hauptzutat aller Getränke und vieler anderer Lebensmittel keinen entsprechenden Qualitätsstandard gab. So kam es, dass mein Vater und ein paar Mitstreiter:innen die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser gegründet und die Bio-Prinzipien eins zu eins auf unser wichtigstes Lebensmittel übertragen haben. So ist sichergestellt, dass auch beim Wasser die Ansprüche an Qualität und den Erhalt der natürlichen Kreisläufe immer erfüllt sind. Und weil nicht nur wir das für eine gute Idee hielten, unterstützen heute alle großen deutschen Bio-Verbände wie Bioland, Naturland, demeter und der Biokreis das Bio-Mineralwassersiegel, und die Qualitätsgemeinschaft selbst ist Mitglied in der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AÖL) sowie der IFOAM, dem internationalen Branchenverband.
Den Begriff „Green Claims" gab es noch nicht, als Sie mit dem Bio-Mineralwasser begannen. Wie beurteilen Sie das Vorhaben der EU, Behauptungen über Umweltvorteile von Produkten durch eine Richtlinie zu regeln?
Wir begrüßen das Vorhaben der Kommission, dem fast inflationären Wildwuchs an grünen Behauptungen und Labels etwas entgegenzusetzten. Wer oder was heute alles nachhaltig erscheinen möchte, ohne wirklich etwas dafür zu tun, erscheint oft schon auf den ersten Blick zumindest äußerst fragwürdig. Intensives Hinschauen ist also richtig und wichtig. Allerdings muss man schon darauf achten, dass man bei allem guten Willen das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet. Es ist Augenmaß gefragt: Es muss nach wie vor möglich sein, nicht nur Gutes zu tun, sondern auch darüber zu reden. Es muss beispielsweise erlaubt sein, auf die positiven Effekte des Ökolandbaus für Klima, Wasser, Flora und Fauna aufmerksam zu machen. Denn nur so kann ich die Menschen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit mitnehmen, sie mit praktischen Beispielen für ein ökologisches Engagement begeistern und zu eigenem Handeln inspirieren. Das ist zentral, denn einer allein kann die Welt nicht verändern. Dafür braucht es Gemeinschaft und damit auch das Aufmerksammachen z.B. auf Best Practices und gelungene Projekte.
„Es ist wichtig, dass man den Menschen zeigt, was man tatsächlich macht, dass einen das Thema dauerhaft motiviert und dass man sich dabei nicht im leider üblichen Marketing-Sprech verliert."
Wie lässt sich sog. Greenwashing wirkungsvoll verhindern oder zumindest eindämmen?
Der bereits erwähnte Ansatz der Kommission ist sicher ein zentraler Schritt. Ergänzend geht es aber auch um jede und jeden Einzelnen. Die Menschen sind es, die als mündige Verbraucher:innen auch Greenwashing eindämmen können bzw. zumindest ein großes Risiko für Akteure darstellen, die sich mit falschen Federn schmücken wollen. Denn mit ein wenig Zeit, Engagement, gesundem Menschenverstand und dem Zugriff auf das Netz kann man Werbebotschaften heute so leicht wie noch nie auf ihre Wahrheitsgehalte überprüfen und falsche Versprechungen oder Übertreibungen leicht entlarven. Das muss nicht jeder machen, ein paar kritische Geister reichen schon. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man den Menschen beispielsweise schon in der Schule die dafür nötigen Kompetenzen vermittelt und zudem auch seitens der tatsächlich ökologisch orientierten Wirtschaft konsequent auf die wirklich wichtigen Aspekte nachhaltigen Handelns hinweist.
Was ist Ihrer Erfahrung nach wichtig für die Unternehmenskommunikation zu Nachhaltigkeitsaktivitäten allgemein?
Am Ende geht es immer um Transparenz, Glaubwürdigkeit und nicht zuletzt Permanenz. Ganz im Sinne des schon erwähnten Mottos „Tue Gutes und rede darüber". Es ist wichtig, dass man den Menschen zeigt, was man tatsächlich macht, dass einen das Thema dauerhaft motiviert und dass man sich dabei nicht im leider üblichen Marketing-Sprech verliert. Das können die Leute nicht mehr hören. Statt z.B. in Pressemitteilungen, LinkedIn-Posts oder Insta-Stories möglichst viele „Buzzwords", schöne Bildchen und Hinweise auf anonyme Maßnahmen am anderen Ende des Globus mit kaum abschätzbarem Ausgang unterzubringen, weil das aktuell so Mode ist, sollte man lieber praktische Projekte vor Ort in der Region und real existierende Menschen ins Zentrum stellen, die tatsächlich auf eine bessere Welt hinwirken. So erreicht man die Menschen. Die können so viel eher eine Verbindung zu sich und ihrem Leben herstellen, stellen fest, dass man etwas bewegen kann. Und letzteres ist das, worum es in der Unternehmenskommunikation zu Nachhaltigkeit gehen muss. Denn nochmal: einer allein kann die Welt nicht verändern. Zusammen geht das.
Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 25.05.2024
Dieser Artikel ist in forum 03/2024 mit dem Schwerpunkt „Wirtschaft im Wandel – Lieferkettengesetz, CSRD und regionale Wertschöpfung" - Positiver Wandel der Wirtschaft? – So kann's gehen erschienen.
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