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Treibstoffe aus Pflanzen - ein gescheitertes Experiment?

Der aktuelle Kommentar von Pascal Derungs

Die Agrarfläche, welche für europäische Kraftstoffe genutzt wird, könnte 120 Millionen Menschen ernähren. Auch dem Klima ist anders besser geholfen.
 
Rapssaat hat sich zu einem erheblichen Bioenergieträger entwickelt. © blickpixel, pixabay.com5,3 Millionen Hektar Land dienen derzeit EU-weit dem ausschließlichen Anbau von Raps, Mais oder Zuckerpflanzen, aus denen Agrar-Kraftstoffe für den motorisierten Verkehr und stationäre Anwendungen gewonnen werden. Die Branche spricht beschönigend von "Bio"-Treibstoffen, obwohl diese mit biologischem Anbau nichts zu tun haben.
 
Auf den 5,4 Millionen Hektaren Fläche könnten Pflanzen angebaut werden, die den Kalorienbedarf von 120 Millionen Menschen decken. Es wäre mehr als genug, um den Bedarf der 50 Millionen Menschen abzudecken, von denen die Vereinten Nationen sagen, dass sie sich "in Notlage oder schlimmerem Ausmaß akuter Ernährungsunsicherheit" befinden. Das zeigt eine neue Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung (IFEU) im Auftrag der NGO Transport&Environment (T&E).
 
Agrar-Treibstoff ist weder effizient noch nachhaltig
Die Studie quantifiziert zum ersten Mal die enormen Opportunitätskosten in ganz Europa, die durch Nutzung von Millionen Hektar fruchtbarer Ackerflächen für die Produktion von Agrar-Kraftstoffen entstehen. Nicht einmal die CO2-Belastung wird reduziert:
  • Würde diese Anbaufläche der Natur unbearbeitet zurückgegeben, würde doppelt so viel CO2 absorbiert, wie angeblich durch den Antrieb von Autos mit Agrar-Kraftstoffen, die fossile Brennstoffe ersetzen, eingespart wird.

  • Für eine CO2-Reduktion noch weitaus effizienter wäre die Nutzung des Landes für Solarparks. Dadurch könnte – im Vergleich mit den Agrar-Kraftstoffen – der 40fache Energieertrag gewonnen werden. 
Die Ergebnisse seien eindeutig, folgert die NGO T&E. Dieses Land könnte viel besser genutzt werden, um den Klimawandel einzudämmen, den Verlust der biologischen Vielfalt einzudämmen oder die globale Ernährungssicherheit zu erhöhen.
 
Die EU-Agrarpolitik sorgt für Fehlanreize
Im Jahr 2009 führte die Europäische Union EU im Rahmen ihres "Ökokraftstoffgesetzes" die "Erneuerbare-Energien-Richtlinie" (RED) ein, um Agrar-Treibstoffe zu fördern. Der damalige Vorschlag war attraktiv: Bauern sollten bei der Produktion von "grünen Kraftstoffen"  unterstützt werden. Doch heute sei klar, bilanziert T&E, dass Agrar-Kraftstoffe sowohl die Ernährungssicherheit beeinträchtigen als auch den Klimaschutz behindert haben.

Maik Marahrens, Biokraftstoffexperte bei T&E, sagt: "Biokraftstoffe sind ein gescheitertes Experiment. Weiterhin Lebensmittel als Brennstoff zu verbrennen, während die Welt mit einer wachsenden globalen Nahrungsmittelkrise konfrontiert ist, ist grenzwertig kriminell. Als Reaktion darauf diskutieren Länder wie Deutschland und Belgien die Begrenzung von Biokraftstoffen für Nahrungsmittelpflanzen. Der Rest Europas muss diesem Beispiel folgen."
 
Verteuerung der Lebensmittel
Pascal Derungs. © privatSein Fazit ist deutlich: "Pflanzen-Biokraftstoffe sind wahrscheinlich das Dümmste, was jemals im Namen des Klimas gefördert wurde". Auch Julie Bos, Beraterin für EU-Klimagerechtigkeit bei der unabhängigen Entwicklungsorganisation Oxfam, übt scharfe Kritik: "Die Biokraftstoffpolitik der EU ist eine Katastrophe für Hunderte Millionen Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre nächste Mahlzeit zu finden. Sie verschwendet nicht nur riesige Teile des Ackerlandes für den Autoverkehr, sondern treibt auch die Lebensmittelpreise noch weiter in die Höhe".
 
T&E bringt auch das Argument der Biodiversität ins Spiel. Die EU habe sich in ihrem Naturschutzgesetz Ziele gesetzt, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und umzukehren. Da Rohstoffe für Agrar-Treibstoffe einen großen Teil der europäischen Anbauflächen einnähmen, könnte zur biologischen Vielfalt wesentlich beitragen, wenn keine fruchtbaren Flächen mehr für Agrar-Treibstoffe verwendet würden.
 
Der Text erschien ursprünglich in der Zeitung "Infosperber". Verwendung mit freundlicher Genehmigung.
 
Pascal Derungs ist studierter Jurist und war 35 Jahre lang TV-Journalist bei SRF-Info und SRF-Kultur. Nun schreibt er freiberuflich über relevante gesellschaftspolitische Themen.
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Leserkommentar:

Das ist für mich zu sehr schwarz - weiß.  Ich bin absolut dafür, einen kleinen Teil Agrarkraftstoffe herzustellen, denn: Wenn heute die Förderländer den Ölhahn zudrehen, dann fährt bei uns KEIN Traktor mehr. Dann sind wir innerhalb von Tagen erpressbar beziehungsweise alles steht still. Nachhaltigkeit bedeutet für mich kluge Resilienz, das heißt: von allem ein bisschen anbauen und NICHT als riesige Monokultur, sondern als Teil eines großen Puzzles.
F.L.

Technik | Energie, 18.03.2023

     
        
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