Hydrogen Dialogue 2024

Wirtschaft mit Herz, Sinn und Verstand

Ein Plädoyer von Heike Holz für mehr Menschlichkeit in der Arbeitswelt

Immer schneller, immer größer, immer mehr. Was zählt sind Marktanteile, Gewinne, Quartalszahlen, Shareholder Value und Wertschöpfungsketten. Was für ein Irrsinn steckt hinter diesem Denken. Dafür wird vieles geopfert. Der Tanz um das Goldene Kalb hat in der Geschichte der Menschheit schon viele Kulturen ins Verderben geschickt, weil das Wichtigste bis heute eine untergeordnete Rolle spielt, der Mensch und die Menschlichkeit. Bei aller Gier nach immer schneller, größer und mehr darf man nicht vergessen, dass Strategien und Pläne von Mitarbeitern (das sind auch Menschen) umgesetzt und die erwünschten Zahlen von Menschen realisiert werden. Somit sind die Menschen in Unternehmen die wichtigsten Faktoren, denen man viel mehr Beachtung schenken muss.

Ein gutes Arbeitsklima ist die Grundlage der Gesundheit. ©Free Photos, pixabay.comLandauf, landab wird das hohe Lied vom permanenten Wachstum gesungen. Allen voran, die Politiker und jeder bleibt die Antwort auf die Frage, wohin das noch führen soll, schuldig. Die Natur kennt kein grenzenloses Wachstum und wir können es drehen und wenden wie wir wollen, wir sind aus der Natur hervorgegangen und unterliegen deshalb den gleichen Gesetzen. Diese egoistische Gier nach immer größer, mehr, schneller, reicher führt in den Wertschöpfungsketten zu einer Verwahrlosung. Ein WIR, ein MITEINANDER trägt man zwar auf den Lippen, wird aber in den seltensten Fällen wirklich gelebt. Und diese Art der Verwahrlosung ist schon längst Teil der internen Strukturen.

Für den Erfolg und die Resilienz eines Unternehmens sind die harten und weichen Faktoren gleichermaßen ausschlaggebend, aber bewertet werden die Unternehmen nach den harten Faktoren. Im oberen Management wird das Denken geprägt von Marktanteilen, Quartalszahlen, kurzfristigen Gewinnen, Börsenkursen, Shareholder Value und den Bilanzen mit ihren Gegenüberstellungen von Aktiv- und Passivposten bei Kreditvergaben, Unternehmensbewertungen und Unternehmensverkäufen. Das Humankapital, einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, spielt bei diesen Betrachtungen eine untergeordnete beziehungsweise meist keine Rolle. Das Risiko für Fehlinvestitionen oder das Kreditausfallrisiko ist bei Unternehmen, die sich durch ein schlechtes Human Capital Management (HCM) auszeichnen, deutlich höher. Erfolge werden durch Menschen gemacht und wenn man die Mitarbeiter nur als Produktionsfaktor und beliebig veränderbaren Kostenfaktor betrachtet, wird man mittel- bis langfristig Schiffbruch erleiden.

Wie wichtig der Faktor Mensch für den Erfolg eines Unternehmens ist, ist dem Management zumindest auf dem Papier bewusst. An dieser Stellschraube wird meistens zuerst gedreht, wenn die Erträge nicht den Erwartungen entsprechen. Ein Unternehmen steht auf zwei Beinen, dem fachlichen und dem menschlichen. Ist eines der Beine krank, humpelt das komplette System. Umsatz und Ertrag stehen im direkten Zusammenhang mit den Mitarbeitern und ihrem emotionalen Wohlbefinden. Das emotionale Wohlbefinden hat unmittelbaren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Kreativität, aber auch auf die Fluktuation und somit auf die Personal- bzw. Rekrutierungskosten. Der Zustand des Humankapitals wird in keiner Bilanz erfasst. Sieht es mit dem Humankapital schlecht aus, wovon man heute mehrheitlich ausgehen kann, dann verlieren Unternehmen sehr viel Geld und der volkswirtschaftliche Schaden, verursacht durch das schlechte Management des Humankapitals, geht in die Milliarden.

Die interne defizitäre Unternehmens- und Führungskultur offenbart sich insbesondere in Krisenzeiten. Die Sorgen um das Unternehmen und den eigenen Arbeitsplatz führt zu einer starken emotionalen Belastung des Managements und der Mitarbeiter, was vor allem auch die zwischenmenschlichen, oft im Verborgenen schlummernden Konflikte zu Tage fördert. In diesen Situationen zeigen sich auch sehr häufig Defizite bezüglich der Resilienz der einzelnen Mitarbeiter, inklusive des oberen Managements. Was immer wichtiger wird, ist die emotionale Intelligenz. Insbesondere in Krisenzeiten ist das Management diesbezüglich gefordert und meistens überfordert. Da zeigt es sich, ob man mit anderen Menschen umgehen und ob man die Dinge vermitteln kann, die ein Unternehmen sicher durch die Krise führen. Persönliche Gefühle sind oftmals der entscheidende Faktor bei der Informations- und Wissensweitergabe. Zu oft werden wichtige Informationen aus egoistischen Eigeninteressen zurückgehalten oder nur gefiltert weitergegeben.

Die subtile Verknüpfung von sachlichen und menschlichen Einflussgrößen drückt sich im Alltag permanent aus. Viele Entscheidungen werden wider den gesunden Menschenverstand getroffen, da die Persönlichkeitsstrukturen der einzelnen Mitarbeiter einen sehr starken Einfluss auf die Handlungen haben. Insbesondere im oberen Management besteht dabei das Risiko, dass falsche Entscheidungen getroffen werden, die für das Unternehmen bedrohlich werden können. Der entscheidende Faktor für den Erfolg eines Unternehmens ist also der Mensch mit all seinen Facetten und die müssen in die strategischen Überlegungen des Managements einbezogen werden.

Erfolg braucht Mitarbeiter. Ideenreichtum, Kreativität und Expertenwissen am einzelnen Arbeitsplatz sind keine Selbstverständlichkeit. Das wichtigste Fundament dafür ist die emotionale und körperliche Gesundheit. Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, wie fragil unser Wirtschaftssystem ist und die Situation hat mehr als deutlich gezeigt, dass sich die Unternehmen auf solche Szenarien deutlich besser vorbereiten müssen. Die Menschen bzw. die Mitarbeiter müssen wesentlich stärker in den Fokus rücken, weil der ständig zunehmende Stress am Arbeitsplatz durch den Druck, der von oben kommt, die Mitarbeiter körperlich und emotional auspresst. Burnout ist inzwischen in aller Munde und dieses Problem wird noch deutlich zunehmen. Eine Unterscheidung zwischen beruflichem und privatem Stress macht keinen Sinn, weil diese Themen ineinandergreifen und in der Regel eine Gesamtdynamik entwickeln. Burnout kann Unternehmen richtig viel Geld kosten Vor diesem Hintergrund muss man auch das viel gelobte Homeoffice einer sehr genauen Betrachtung unterziehen. Es ist eine gute Alternative in Zeiten wie Corona, aber jede Medaille hat zwei Seiten.

Laut einer neuen ILO-Studie kann es für Körper und Psyche Nachteile haben. Heimarbeiter arbeiten häufig sogar länger als die Kollegen in Büro: 2,5 Stunden mehr pro Woche, haben die Forscher der Universität Basel herausgefunden. Freiwillige Verwahrlosung ist eine Begleiterscheinung. Da man nicht in die Öffentlichkeit geht, wendet man immer weniger Zeit für die persönliche Pflege auf. Aggression gegenüber Nachbarn und spielenden Kinder reduziert die Leistungsfähigkeit. Wachsende Gefühle der (sozialen) Isolation reduzieren die Leistungsfähigkeit. Geringere soziale Kontakte zu Kollegen reduzieren das Gemeinschaftsgefühl und das kann zu einer geringeren Identifikation mit dem Unternehmen führen. Partnerschaftsprobleme verstärken sich und diese Konfliktherde rücken sehr nahe an ein Unternehmen heran.

Die in allen Lebensbereichen zunehmende Digitalisierung entmenschlicht. Die Überdigitalisierung und der permanente Medienkonsum lässt das Gehirn nicht mehr zur Ruhe kommen. Kreativität ist nur möglich, wenn das Gehirn zur Ruhe kommt. Erfolg braucht Menschen, die physisch und psychisch gesund sind, aber wir marschieren in die entgegengesetzte Richtung.

In vielen Betrieben konnte in den vergangenen Jahren bei der Gesundheitsförderung Erfolge und Kosteneinsparungen erzielt werden. Ein noch viel höherer Ertrag liegt allerdings bei Präventionsmaßnahmen im Bereich der psychosozialen Gesundheit. Prävention beginnt mit dem sich eingestehen, dass etwas nicht in Ordnung ist, egal, ob es sich um eine einzelne Person oder das gesamte Unternehmen handelt. Ein Burnout kostet einem Unternehmen sehr viel Geld. Laut WHO beträgt die Dauer der durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit 30 Tage. Multipliziert man den durchschnittlichen Tagessatz der Industrie in Höhe von ca. 290 Euro mit der durchschnittlichen Dauer, dann wird die Tragweite der Kosten durch Burnout bewusst. Sehr teuer wird es dann, wenn ein an Burnout erkrankter Mitarbeiter weiter zur Arbeit geht. Arbeitsmediziner schätzen, dass in Deutschland der Kostenfaktor viermal höher ist als der von Fehltagen kranker Mitarbeiter. Das ist eigentlich logisch. Wenn man immer anwesend ist, aber durch eine Überlastung nur die Hälfte seines Leistungsvermögens über längere Zeit abrufen kann, dann wird es für ein Unternehmen sehr teuer. So eine Situation auf das obere Management übertragen, wo Entscheidungen von großer Tragweite getroffen werden, kann sehr bedrohlich werden. In so einem Fall steht richtig viel Geld auf dem Spiel. Es müssen also Symptome bei einzelnen Personen oder in ganzen Organisationen frühzeitig erkannt werden, damit man präventiv gegensteuern kann.

Wer heute ein Unternehmen steuert, muss sich in der vielschichtigen sehr komplex gewordenen Arbeitswelt mit dem gesamten Menschen hinter dem Mitarbeiter befassen. Der Zustand eines Unternehmens, seine Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Resilienz steht in direkter Beziehung zu der Gesamtheit der Zustände der einzelnen Mitarbeiter. Die Zeiten sind vorbei, wo es dem oberen Management egal war, was nach dem Verlassen des Werksgeländes geschah. Die Welt, in die die Mitarbeiter dann eintauchen, prägen ein Unternehmen in der Innen- und Außenwirkung. Die psychosoziale und körperliche Gesundheit sind in Zeiten eines ausgeprägten Käufermarktes ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, für den wesentlich mehr Zeit und Geld investiert werden muss.
 
Heike Holz ist gelernte Bankerin und war in der Hauptniederlassung in Frankfurt mehrere Jahre für das Investmentbanking zuständig. Außerdem war sie mitverantwortlich für den Aufbau eines Filialnetzes in den neuen Bundesländern. Schon früh erkannte Sie, welchen Belastungen die Mitarbeiter durch die Zielsetzungen des Managements ausgesetzt waren. Die daraus resultierenden gesundheitlichen Probleme körperlicher und seelischer Natur, waren ein Weckruf. Auf der Basis von umfangreichen Weiterbildungsmaßnahmen entwickelte sie sich zu einer Expertin für körperliche und seelische Gesundheit. Bereits in vielen Vorträgen, Seminare, Büchern und Einzelcoachings hat sie ihr Wissen weitergegeben. Die Referenzliste ihrer Firmenkunden spricht eine deutliche Sprache.

Wirtschaft | Führung & Personal, 17.12.2020

     
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