Biomilch auf den Prüfstand: wie nachhaltig ist sie?

Studie zeigt Fakten zum Biomilchsektor

Laut dem „Ökobarometer 2019" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) kaufen VerbraucherInnen in Deutschland immer häufiger Bioprodukte. Soziale Standards und ein faires Einkommen für die ErzeugerInnen werden dabei unter anderem als Gründe für den Erwerb ökologischer Erzeugnisse genannt. Doch sind diese Produkte auch wirklich wirtschaftlich und sozial nachhaltig?

© Cleo Robertson, pixabayWie aktuelle Kalkulationen zeigen, erhielten ErzeugerInnen in Deutschland für das Wirtschaftsjahr 2019/20 im Schnitt 47,17 Cent pro Kilogramm erzeugter Biomilch. Den Berechnungen zufolge betragen die Kosten unter Voraussetzung einer fairen Vergütung allerdings 64,63 ct/kg. Deshalb fehlten den ErzeugerInnen 17,46 ct/kg zur Kostendeckung.

Im Schnitt der fünf Jahre von 2014/15 bis 2018/19 zahlten die Bio-Milchbauern und -bäuerinnen allein für die Betriebsmittel und den allgemeinen Betriebsaufwand ohne Arbeitskosten durchschnittlich 51,70 Cent. Damit verblieben lediglich 8,41 Cent pro Kilogramm Milch für die eingesetzte Arbeitszeit von BetriebsleiterIn und Familienkräften. Dies entspricht einem Stundensatz von rund 7,62 Euro und reicht nicht einmal an den in Deutschland üblichen Mindestlohn heran. Nach der Kostenprognose für 2019/20 läge der Stundenlohn in diesem Jahr sogar nur bei rund sieben Euro pro Stunde. Als wirklich sozial und wirtschaftlich nachhaltig kann man Biomilch demnach nicht bezeichnen.

Die Ergebnisse zu den Milcherzeugungskosten im deutschen Biomilchsektor stammen vom Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) und werden jährlich aktualisiert.

Die fehlende Kostendeckung ist jedoch nicht nur für die ErzeugerInnen in Deutschland ein Problem, wie Kjartan Poulsen, EMB-Vizevorsitzender und Bio-Milcherzeuger in Outrup, Dänemark, erläutert: "Wie auch im konventionellen Sektor gibt es bei der Biomilch in vielen europäischen Ländern ein steigendes Defizit zwischen den ausgezahlten Preisen und den Produktionskosten. Unter diesen Bedingungen kann das Green Deal Ziel der Europäischen Kommission – 25 % ökologischer Landbau bis 2030 – nicht umgesetzt werden. Ein merklicher Anstieg von nachhaltigen Bioerzeugnissen in der EU kann damit also nur ein unerfüllter Traum bleiben."

Kostenentwicklung und Biomilchpreise
Der Bio-Milch-Marker-Index (Bio-MMI) zeigt die Entwicklung der ökologischen Milcherzeugungskosten auf. Für das Wirtschaftsjahr 2019/20 hat der Bio-MMI einen Wert von 97, d. h. die Produktionskosten für deutsche BiomilcherzeugerInnen sind im Vergleich zum Basisjahr 2015/16 (2015/16 = 100) um drei Prozent zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr (2018/19) sind sie allerdings um zwei Prozent gestiegen.

Sehen Sie hier die Kostenentwicklung, die Biomilchpreise und den Bio-MMI im zeitlichen Verlauf.
 
© European Milk Board (EMB)

Preis-Kosten-Ratio (Unterdeckung)
Die Preis-Kosten-Ratio verdeutlicht, inwieweit die gezahlten Erzeugerpreise die Milchproduktionskosten auf biologischen Milchviehbetrieben decken. Für das Wirtschaftsjahr 2019/20 haben die ErzeugerInnen nur 73 % ihrer Produktionskosten über den Milchpreis erwirtschaftet; die Unterdeckung der Kosten betrug somit 27 % bzw. 17,46 Cent pro Kilogramm erzeugter Biomilch.

Sehen Sie hier die Kostenunterdeckung seit dem Wirtschaftsjahr 2012/13.

© European Milk Board (EMB)  
Studie zu den Produktionskosten sechs wichtiger Milcherzeugungsländer
Nicht nur für die ökologischen, sondern auch für den Durchschnitt aller Milchviehbetriebe werden regelmäßig Kostenberechnungen durchgeführt. Auch dort wird deutlich, dass MilcherzeugerInnen keine kostendeckenden Milchpreise erhalten. Die Berechnungen der Milchproduktionskosten für Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden für das Jahr 2017 finden Sie hier.

Kosten der Milchproduktion chronisch unterdeckt – was schafft Abhilfe?
Das European Milk Board (EMB) schlägt die gesetzliche Verankerung eines Kriseninstruments vor, um der chronischen Unterdeckung entgegenzuwirken. Das Marktverantwortungsprogramm (MVP) beobachtet und reagiert auf Marktsignale beispielsweise durch eine temporäre Anpassung der Produktion in Krisenzeiten.

Sehen Sie hier eine kurze Beschreibung des Marktverantwortungsprogramms des EMB.
 
Hintergrund:
Das European Milk Board (EMB), der Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) und die MEG Milch Board haben das Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) beauftragt, die Erzeugungskosten für Biomilch zu untersuchen und jährlich zu aktualisieren. Diese Analysen stellen eine wichtige Ergänzung zu dem seit 2013 erscheinenden Milch-Marker-Index (MMI) und den vom EMB herausgegebenen Gutachten zu den allgemeinen Milcherzeugungskosten in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten dar.

Kontakt: European Milk Board (EMB) | office@europeanmilkboard.orgwww.europeanmilkboard.org

Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 17.11.2020

     
Cover des aktuellen Hefts

Der Zauber des Wandels

forum 04/2024 ist erschienen

  • Windkraft
  • Zirkuläre Produkte
  • Tax the Rich
  • Green Events
  • Petra Kelly
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
18
SEP
2024
neext Future Summit - Summer Special Rabatt!
Pioneering Tomorrow's Real Estate, Industry and Infrastructure
13088 Berlin
08
OKT
2024
VertiFarm - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
Internationale Fachmesse für Next Level Farming und New Food Systems
44139 Dortmund
Alle Veranstaltungen...
Lassen Sie sich begeistern von einem Buch, das Hoffnung macht

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Politik

Feinde der Demokratie, Feinde des Rechts
Für Christoph Quarch haben BSW und AfD im Bundestag bei der Selenskyi-Rede ihr wahres Gesicht gezeigt.
B.A.U.M. Insights

Jetzt auf forum:

Wie aus Textilabfällen neue Ressourcen für eine nachhaltigere Zukunft der Modeindustrie werden

Protect the Planet unterstützt Zukunftsklage von Greenpeace und Germanwatch

Laserdrucker vs. Tintenstrahldrucker einfach erklärt

Tag der offenen Tür bei Fischer’s EM-Chiemgau, 21. September 2024, Stephanskirchen

Markenstärke aufbauen und sichern – gegen alle Krisen, in allen Kanälen

Gutes Gewissen – guter Schlaf:

Maximierung der Erträge mit Copy Trading

Impact-Driven Business:

  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • circulee GmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Engagement Global gGmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • Kärnten Standortmarketing
  • Global Nature Fund (GNF)