Fußball als Kitt der Gesellschaft ist viel systemrelevanter, als Beamten und Behörden glauben.

Christoph Quarch fiebert dem Bundesliga-Start entgegen

Nun geht die Bundesliga-Saison wieder los – trotz Covid und mit Covid; von den einen freudig begrüßt, von den anderen mit Sorge verfolgt. Zunächst bleiben die Stadien leer, allerdings drängen die Vereine darauf, möglichst bald wieder Zuschauer bei den Spielen zuzulassen. So oder so: Es ist in diesem Jahr ein besonderer Saisonstart.
 
© Jim Gade, pixabay.comHerr Quarch, Sie waren selbst viele Jahre lang aktiver Fußballer. Freuen Sie sich auf die Bundesliga?
Ich freue mich sehr. Nicht nur, weil ich früher selbst aktiv gespielt habe und schon immer Fußballfan war, sondern weil ich glaube, dass der Fußball für unsere Gesellschaft von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Wir sollten uns die einfache Tatsache vor Augen führen, dass es heutzutage nichts anderes gibt, was in einem solchen Maße Menschen aus allen sozialen Schichten, Altersklassen und Nationen zusammenbringt wie Fußball. Im Stadion oder in einer Sportsbar treffen sich alle; und in einer Zeit wie dieser ist genau das dringend notwendig – in einer Zeit, in der infolge der Corona-Pandemie die Gesellschaft beschleunigt auseinander zu fallen droht: in Corona-Gewinner und Corona-Verlierer, Betroffene und Nicht-Betroffene, Gläubige und Zweifler. Fußball als Kitt der Gesellschaft ist viel systemrelevanter, als Beamten und Behörden glauben.

Aber es ist doch nur ein Spiel.
Richtig, aber was heißt hier „nur"? Friedrich Schiller sagte mit gutem Grund: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Und seine Begründung gilt noch heute: Weil Spielen befreit. Weil Spielen und Spielen-Beiwohnen eine Erfahrung von Freiheit, Lebendigkeit und Menschlichkeit ist. Der Grund dafür ist nicht schwer zu verstehen. Spiele sind zwecklos und nutzlos. Wer spielt oder einem Spiel zuschaut, taucht für die Dauer der Spielzeit ein in eine Welt, in der die Tyrannei von Funktionalität und Zweckmäßigkeit aufgehoben ist. Wer spielt, spielt um des Spielens willen. Er muss dabei weder Profit erwirtschaften, noch moralisch integer sein. Er oder sie darf einfach nur sein. Und auch das gilt für Spieler und Zuschauer gleichermaßen. Allerdings braucht das Spiel, damit es seinen ganzen Zauber entfalten kann, auch tatsächlich beide: Spieler und Zuschauer.

Genau das aber steht zur Diskussion. Dürfen Zuschauer wieder ins Stadion? Oder ist das Risiko zu hoch?
Es ist ganz wichtig, dass Zuschauer wieder ins Stadion dürfen. Genau genommen sind die Zuschauer im Stadion gar keine Zuschauer, sondern Mitspieler. Sie gehen mit, sie zittern und fiebern mit, sie gewinnen mit und verlieren mit. Ohne Zuschauer ist das Spiel irgendwie gebremst, sein Resonanzraum fehlt. Fernsehzuschauer sind da nur ein schwacher Trost – unter ökonomischen Gesichtspunkten wichtig, aber unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Bindungskraft nur sekundär bedeutsam. Nein, mir scheint wichtig, dass die Spiele möglichst bald wieder vor möglichst viel Zuschauern stattfinden können. Es wird den Menschen und der Gesellschaft gut tun, wenn Spiele auf diese Weise wieder zu befreienden Inseln im Meer der Funktionalität werden. Das gilt übrigens für alle Spiele – auch für die Spiele in Theater, Oper oder Zirkus.

Aber wie wollen Sie das machen. Der kommende Winter wird die Auflagen eher wieder verstärken.
Ich glaube, wir müssen dringend den gegenwärtigen Panikmodus hinter uns lassen und mutiger nach Wegen und Möglichkeiten finden, mit dem Virus zu leben. Dafür müssen wir uns Gedanken machen, was uns wie wichtig ist und welche Risiken wir für den Erhalt von Lebensqualität und kollektiver Resilienz einzugehen bereit sind. Was den Fußball angeht, scheinen mir die Regierenden viel zu ängstlich. Wenn es möglich ist, mit 4000 Zuschauern in der antiken Arena di Verona Konzerte abzuhalten, muss es auch möglich sein in modernen Fußballstadien mit mindestens 30 prozentiger Füllung Fußballspiele durchzuführen. Man könnte ja auch mal großangelegte Test durchführen, um das Infektionsrisiko bei einem halbgefüllten Stadion zu ermitteln. Geld dafür müsste da sein. Und lohnend wäre es allemal, wenn man dadurch auch nur ein wenig dem drohenden Zerfall der Gesellschaft entgegenwirken könnte.
 
Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."

Hören Sie ihn persönlich im SWR-Podcast Frühstücks-QuarchLesen Sie mehr von ihm unter www.christophquarch.de
 
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den SonderteilWIR - Menschen im Wandel".

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