Neues Wirtschaftswunder oder altes Strohfeuer? Der Autogipfel dürfe keine Abwrackprämie 2.0 beschließen

Initiative Neues Wirtschaftswunder meint Deutschland müsse sich entscheiden

Die Automobilindustrie fordert von der Bundesregierung eine Kaufprämie für Autos. Diese soll auch für Diesel- und Benzinfahrzeuge gelten. Dividenden an Aktionäre sollen hingegen unberührt bleiben.
 
Die Initiative Neues Wirtschaftswunder meint dazu: Die Politik sollte diesem Anliegen nicht stattgeben. Andernfalls drohten Vorzieh- und Mitnahmeeffekte, ökologische Folgeschäden und die Fehlallokation endlicher Finanzmittel. Auch lehne eine Mehrheit der Bevölkerung eine Abwrackprämie ab und sei inzwischen klar, dass die Absatzprobleme der Automobil-Industrie nicht Corona-bedingt sind, sondern weitgehend selbstverschuldet. Eine Abwrackprämie bremse die dringend notwendige technologische Transformation in der Automobil-Industrie. Dem Gemeinwohl sei damit nicht gedient, so die Initiative Neues Wirtschaftswunder in einer Stellungnahme vom 04.05.2020.
 
Strohfeuereffekt
Nach einhelliger Meinung, so die Initiative Neues Wirtschaftswunder, habe sich die 2009 als Folge der Finanzkrise gewährte Abwrackprämie im Nachgang als "Strohfeuer" mit unklarer ökonomischer Wirkung erwiesen. Stichworte seien: Vorzieheffekte mit entsprechenden Rückgängen im nächsten Jahr und Mitnahmeeffekte, von denen vor allem Besserverdiener profitiert hätten, so Claudine Perlet von der Initiative. Zudem hinge das wirtschaftliche Wohlergehen der deutschen Automobilindustrie nur bedingt vom PKW-Absatz in Deutschland ab.
 
Ökologische Folgeschäden
Hinzu kämen die ökologische Wirkung, so die Initiative Neues Wirtschaftswunder: Die Vernichtung funktionstüchtiger Automobile für die Produktion neuer Fahrzeuge sei aus nachhaltiger Perspektive schlichtweg falsch. Die Produktion neuer Fahrzeuge selbst erzeuge erhebliche Emissionen. Zudem sei der Marktanteil von SUVs seit der ersten Abwrackprämie nach der Finanzkrise stark gestiegen, während emissionsarme Kleinwagen Marktanteile verloren hätten, so Pressesprecher Marc Liebscher von Neues Wirtschaftswunder.
 
Bevölkerung gegen Abwrackprämie
Es überrasche deshalb wenig, so die Initiative Neues Wirtschaftswunder, dass die Forderung nach einer neuen Abwrackprämie von weiten Teilen der Bevölkerung nicht unterstützt werde. Laut einer Umfrage im Handelsblatt lehne eine deutliche Mehrheit der Deutschen eine Neuauflage der Abwrackprämie ab. Noch nicht einmal ein Viertel der Befragten stünden ihr positiv gegenüber. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, offene Briefe und kritische Stimmen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft, hätten dies in den letzten Wochen verdeutlicht. Es sei generell fraglich, ob eine Kaufprämie angesichts gefährdeter und auch komplett ausfallender Einkommen überhaupt einen nennenswerten Kaufanreiz schafft, so Viktoria Esker von der Initiative Neues Wirtschaftswunder.
 
Begünstigung Besserverdienender droht
Es stünde überdies zu befürchten, dass über Mitnahmeeffekte vor allem wieder Besserverdiener begünstigt werden, die sich im Zweifel auch ohne Prämie einen Neuwagen leisten könnten. Hinzu käme, dass es bereits eine ökologische Kaufprämie in Deutschland gäbe, die den Kauf von Elektroautos und Plug-In-Hybriden subventioniere und zum Jahr 2020 erhöht worden sei, weist Marc Liebscher hin.
 
Fehlallokation begrenzter Finanzmittel droht
Viktoria Esker von der Initiative Neues Wirtschaftswunder hebt hervor: Da staatliche Hilfen nicht unbegrenzt seien, könne man sich also die Frage stellen, ob das Geld nicht in vom Lockdown direkt betroffenen Bereichen, wie z.B. der Gastronomie, Hotellerie und Kultureinrichtungen besser aufgehoben wäre. Anders als in der Automobilindustrie, beruhe die Schließung der Betriebe dort auf staatlicher Anordnung, ergänzt Claudine Perlet von der Initiative Neues Wirtschaftswunder.
 
Automobil-Industrie steht vor selbstgemachten Risiken
Natürlich erfolge auf solche Gedanken unverzüglich der Hinweis auf die Bedeutung der Automobilindustrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das ließe sich schwerlich bestreiten, gibt di e Initiative zu. Allerdings seien die strukturellen Risiken, denen sich die Industrie heute ausgesetzt sieht, ganz überwiegend hausgemacht. Die Automobilindustrie habe sich den mit Klimawandel und Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen nicht ausreichend gestellt. Das sei der eigentliche Grund, weshalb die Branche in die Defensive geraten sei, hebt Moritz Krämer von der Initiative Neues Wirtschaftswunder hervor. Die Corona-Krise sei dafür nicht ursächlich verantwortlich, so Moritz Krämer.
 
Abwrackprämie bremst technologische Transformation
Außerdem hebt Moritz Krämer von der Initiative Neues Wirtschaftswunder hervor: Eine Abwrackprämie, insbesondere wenn nicht nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten differenziert wird, würde die technologische Transformation der Automobilbranche zusätzlich behindern: Sie schwäche durch ein kurzfristiges Strohfeuer die Anreize, zukunftskompatible Modelle rasch serienfähig zu machen. Die Flotte an Fahrzeugen mit zu hohen Emissionen würde durch die Abwrackprämie weiter aufgebläht und die Erreichung der deutschen Emissionsziele in noch weitere Ferne rücken.
 
Grundsätzliche Fragen sind zu stellen
Die Initiative Neues Wirtschaftswunder fragt daher, ob es nicht an der Zeit sei sich - anstatt über Abwrackprämien zu streiten - viel grundsätzlichere Fragen zu stellen und die Dinge gemeinsam anzupacken? Sei es nicht viel mehr notwendig, die Automobilindustrie in einer Transformation zu begleiten?
 
Die Initiative meint: Der Umbau einer so wichtigen Industrie sei schmerzhaft. Die notwendigen Investitionen seien gewaltig. Viel Mut und Fantasie seien erforderlich.
 
Offener Brief mit Leitideen
Hierzu hat die Initiative Neues Wirtschaftswunder in ihrem Offenen Brief vom 21. April 2020 an Bundesregierung und Bundestag einige Hinweise gegeben: Konjunkturmaßnahmen seien klassischerweise kurzfristig angelegt. Umso wichtiger sei es, auch die langfristige Perspektive mitzudenken. Wenn also Finanzhilfen erwogen werden würden, dann nur in nachhaltige Infrastrukturen, die später weiter ausgebaut werden können.
 
Die Initiative Neues Wirtschaftswunder meint, dass die notwendigen Investitionen gewaltig seien. Falls der Staat Finanzhilfen gewähre, sollten diese ausschließlich einem beschleunigten Umbau hin zu mehr Nachhaltigkeit dienen. Kaufanreize und Abwrackprämien erfüllten dieses Kriterium eindeutig nicht, so Claudine Perlet. In jedem Fall müsse gewährleistet sein, dass gewährte Hilfen aus Steuermitteln nicht in Dividenden, Aktienrückkäufe und überdimensionierte Managerboni umgeleitet werden.
 
Wer Hilfe durch die Gesellschaft benötigt, muss damit in einer Art und Weise umgehen, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist.
 
Kontakt: Neues Wirtschaftswunder | medien@neues-wirtschaftswunder.de


     
        
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