Carl-Ernst Müller
Wirtschaft | Führung & Personal, 01.03.2019
Alexa, geh für mich zur Arbeit
Digitalisierung ist kein Monster
Falls Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zu dem Teil der erwerbstätigen Bevölkerung gehören, der heute noch kein vertrauensvolles Gespräch mit dem Feelgood-Manager im Büro geführt hat, oder falls es diese Funktion in Ihrem Unternehmen vielleicht (noch) gar nicht gibt – bitte verzweifeln Sie nicht. Greifen Sie einfach in den nächsten Obstkorb oder lassen Sie Ihrem Unmut am Fußball-Kicker kurz freien Lauf. Auch diese arbeitnehmerfreundlichen Maßnahmen sind in Ihrem Büro nicht vorhanden? Keine Panik! Es kann dennoch sein, dass sich Ihr Unternehmen auf dem richtigen Kurs in Richtung New Work befindet.
Der Begriff ist aktuell in aller Munde, auch wenn das, was sich dahinter tatsächlich verbirgt, sehr unterschiedlich interpretiert wird. New Work ist ein an Überlegungen des österreichischen Philosophen Frithjof Bergmann zum Ende der 40-Stunden-Woche angelehnter Begriff, der heute synonym für einen fundamentalen Wertewandel unseres Arbeitsmodells steht. Begriffe wie Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe ersetzen klassische hierarchische Strukturen. Warum? Im internationalen Wettbewerb werden die Märkte enger. Unternehmen müssen schneller auf die vielfältigen Veränderungen reagieren können.Das nötige Tempo können nur die Unternehmen halten, die ihren Mitarbeitenden mehr Entscheidungsfreiheiten zusichern. In hierarchischen Strukturen ist dies kaum möglich. Arbeit muss also neu organisiert werden. Statt von oben nach unten zu denken, bietet eine Organisation in Kreisstrukturen deutlich schnellere und innovative Lösungsansätze.
Die Realität sieht heute jedoch häufig anders aus: Führungskräfte sind stark in operative Prozesse eingebunden. Ihnen fehlt die Zeit, sich um die tatsächliche Führung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu kümmern.
Als Allheilmittel gilt häufig die Digitalisierung. Und so wird vieles, was digitalisiert oder automatisiert werden kann, ohne eine nachhaltige Folgenabschätzung auf diesen Weg gebracht. Klar ist: Maschinen und Computer werden künftig einen großen Teil der bisher von Menschen verrichteten Arbeiten übernehmen. Dies bietet sowohl Gefahren als auch Chancen für Nachhaltigkeit. Gleichzeitig müssen wir uns die Gretchen-Frage stellen: Wenn Maschinen künftig so manche Tätigkeit besser ausüben können als wir, braucht Arbeit uns streng genommen nicht mehr. Brauchen wir überhaupt Arbeit?
In diesem Spannungsfeld ist New Work zum zentralen Leitwort für den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft geworden. Technik kann allerdings immer nur unterstützen. Maßgeblich ist eine neue, digitale Unternehmenskultur. Dafür brauchen wir eine neue Gestaltung nicht nur der IT-Infrastrukturen. Es geht konkret um Werte. Nur mit Vision, Vertrauen und Vorsicht kommt die Digitalisierung in die richtige Richtung. Das Konzept der Leistungsgesellschaft greift nicht mehr. Es heißt weder, leben um zu arbeiten, noch arbeiten um zu leben.Carl-Ernst Müller ist Koordinator von nachhaltig.digital, einem 2018 ins Leben gerufenen gemeinsamen Projekt von B.A.U.M. e.V. und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Unter dem Claim „alle antworten" werden auf der Kompetenzplattform für Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Mittelstand Lösungen für technische, ökonomische, ökologische, soziale, ethische und kulturelle Fragen vorgestellt, die das Potenzial haben, Digitalisierung zum besten Instrument für eine lebenswerte Zukunft zu machen.
Der Jahreskongress am 20. März 2019 stand unter den Leitthemen „Künstliche Intelligenz", „Messbarkeit" und „New Work" und der Frage, wie diese in den drei unternehmerischen Dimensionen „Personen", „Produkte" und „Prozesse" für eine nachhaltig.digitale Transformation genutzt werden können.
Ein Kommentar von Carl-Ernst Müller, B.A.U.M. e.V.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
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