Welche Verantwortung tragen Sie?
Medien als Agenten der Nachhaltigkeit
Medien sind Meinungsmacher. Ihren Einfluss könnten sie nutzen, um Nachhaltigkeit in die Öffentlichkeit zu tragen. Sollten Journalisten ihre Macht stärker einsetzen und "engagierter" berichten?
Der ehemalige Moderator der Tagesthemen, Hanns Joachim Friedrichs, würde wohl vehement widersprechen. Er erkennt einen "guten Journalisten daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer Guten". Gilt das auch in Zeiten, in denen der Klimawandel immer deutlichere Spuren hinterlässt und nationale Interessen wichtige Abkommen blockieren? Können Medien überhaupt völlig unabhängig berichten? Das sagen führende Journalisten:
Wir haben über Umweltprobleme und Klimawandel in der ZEIT sehr viel geschrieben, und wir werden das auch in Zukunft tun. Wir haben dabei allerdings eine erschreckende Erfahrung gemacht: Unsere Titelgeschichten über Klima oder Nachhaltigkeit waren am Kiosk absolute Flops. Ich kann es mir bis heute nicht erklären, zumal wir eine in diesen Fragen besonders sensible Leserschaft haben. Wer Rat weiß, soll sich bitte melden. Grundsätzlich aber wollen wir auch bei diesen lebenswichtigen Fragen unserem Leitsatz treu bleiben: Wir möchten den Leser nicht indoktrinieren, sondern ihm die Mittel an die Hand geben, damit er sich eine eigene Meinung bilden kann.
(Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur DIE ZEIT)
Medien bezeichnen sich gern als unabhängig. Angesichts des großen Einflusses, den sich Lobbyisten und Anzeigenkunden in den personalschwachen Medienhäusern erarbeitet haben, scheint das jedoch kaum mehr glaubhaft. Kein Wunder, dass sich die Menschen nach Leuchttürmen sehnen, die deutlich sichtbar Position beziehen, Lösungen oder Gefahren aufzeigen und dafür gerade stehen. Der Erfolg von Blogs zeigt: Wir brauchen dringend neue Darstellungsformen und Medienformate, die sich für eine Sache stark machen - und sich dazu ehrlich bekennen.
(Marco Eisenack, Geschäftsführer von klimaretter.info)
Journalisten dürfen sich mit einer guten Sache gemein machen, mitunter sind sie sogar in der Pflicht, Partei zu ergreifen. Der Klimawandel ist so ein Beispiel. Es ist in der Wissenschaft Konsens, dass der Mensch für die Erwärmung des Klimas verantwortlich ist. In der Berichterstattung darüber auf Ausgewogenheit zu setzen und diesen Fakt von sogenannten Skeptikern leugnen zu lassen, halte ich für grob fahrlässig. Journalisten, die mit nachhaltigen Ideen sympathisieren, müssen allerdings besonders offen bleiben für alternative Modelle und Widersprüche - und sie müssen das im Zweifel auch thematisieren.(Marc Winkelmann, Chefredakteur enorm)
Wir vertrauen auf unsere Journalisten und den Wettbewerb von Themenideen und ihren Ausarbeitungen in den Redaktionssitzungen. Hierzu gehört, dass wir uns mit allen Themen, die in unserer Gesellschaft von Gewicht sind, engagiert und kritisch auseinandersetzen. Dies schließt die Bereiche Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein. Ausgewogenheit in unseren Programmen entspricht dem gesetzlichen Auftrag. Ebenso ist es unsere journalistische Pflicht, in Kommentaren Entwicklungen pointiert zu hinterfragen. Magazine wie Report München oder Kontrovers legen den Finger in die Wunde, Basis hierfür ist eine vertiefte, journalistische Recherche. Unsere Formate ergänzen sich. Sie dienen dazu, dass die Bevölkerung komplexe Zusammenhänge besser einordnen kann. Unsere Verantwortung zielt klar auf die Unterscheidbarkeit unserer Angebote ab: Was ist Nachricht, Bericht oder Kommentar? Beim BR gelten weiter die klassischen, journalistischen Kriterien für Recherche und Berichterstattung.
(Bettina Reitz, Fernsehdirektorin Bayerischer Rundfunk)
Wer nach dem Zweiten Weltkrieg eine Tageszeitung in Westdeutschland gründen wollte, brauchte dafür eine Lizenz der Alliierten. Die bekam der Verleger nur, wenn er sich den Grundsätzen von Unabhängigkeit, Demokratie und Pluralismus verschrieb. Das sind heute Allgemeingüter. Warum sollten wir die gesellschaftliche Verantwortung des Journalismus also heute innerhalb dieses Rahmens nicht neu interpretieren? In den USA folgen immer mehr Journalisten dem Paradigma des solution oriented journalism, ganz nach dem Motto: Über die Probleme wie Klimawandel, Ressourcenverschwendung, Bildungsnotstand oder soziale Ungerechtigkeit ist genug geschrieben worden - nun geht es um Lösungen aus den Dilemmata. Vielleicht müssen Journalisten auch hier mehr über ökologische und soziale Innovationen und insgesamt Lösungen schreiben, um Anregungen zu geben für eine nachhaltige Zukunft - nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern streng reportierend. Die Berichterstattung muss ausgewogen, unabhängig und kritisch sein. So macht man sich höchstens "gemein" mit der Mitarbeit am Überleben unserer Zivilisation.
(Thomas Friemel, Verlags-Chefredakteur des Social Publish Verlags)
Die Diskussion um die Energiewende ist hitziger denn je. Journalisten aus konservativen Medienhäusern haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Energiewende zu kritisieren. Andere Kollegen werden nicht müde, ihre positiven Aspekte zu betonen. Machen sich die Vertreter beider Seiten deshalb mit der Sache der Industrie oder mit den Umwelt- und Klimaschützern gemein? Nein, denn Befürworter und Gegner der Energiewende haben meist gute Gründe für ihre Argumentation. Kennen Leserinnen und Leser beide Seiten, können sie sich eine eigene Meinung bilden. Schlimm ist es nicht, wenn Journalisten einen Standpunkt beziehen. Problematisch wird es erst, wenn keiner diesen Standpunkt kritisiert oder kritisieren kann.
(Benjamin Reuter, Redakteur WirtschaftsWoche / WiWo Green)
Menschen sind nicht distanziert. Alle Journalisten sind Aktivisten. Sie vertreten doch alle Interessen und Einschätzungen. Für mich besteht die entscheidende Frage nicht darin, ob ein Journalist eine Meinung vertritt oder nicht, sondern ob er diese Meinung seinen Lesern ehrlich mitteilt oder vor ihnen versteckt. Entscheidend ist, ob die Fakten, die ein Journalist vermittelt, wahr sind.
(Glenn Greenwald, ehem. Kolumnist beim Guardian, der gemeinsam mit Edward Snowden den NSA-Skandal aufdeckte, Quelle: ZEIT ONLINE)
Wie lautet Ihre Meinung?
Sollten Journalisten sich stärker für Nachhaltigkeitsthemen engagieren? Diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/forumNachhaltigWirtschaften oder schreiben Sie uns einen Leserbrief an redaktion@forum-csr.net. Einen Ausschnitt der Diskussion veröffentlichen wir in der kommenden Ausgabe des Magazins (Kürzungen vorbehalten).
Das ist Ihre Meinung zu geplantem Verschleiß:
Bauen Hersteller selbst Schwachstellen in ihre Produkte ein, damit sie nicht lange halten? Unsere Leser können ein Lied vom frühen Tod ihrer Geräte singen und haben uns geschrieben:
Der ehemalige Moderator der Tagesthemen, Hanns Joachim Friedrichs, würde wohl vehement widersprechen. Er erkennt einen "guten Journalisten daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer Guten". Gilt das auch in Zeiten, in denen der Klimawandel immer deutlichere Spuren hinterlässt und nationale Interessen wichtige Abkommen blockieren? Können Medien überhaupt völlig unabhängig berichten? Das sagen führende Journalisten:
Wir haben über Umweltprobleme und Klimawandel in der ZEIT sehr viel geschrieben, und wir werden das auch in Zukunft tun. Wir haben dabei allerdings eine erschreckende Erfahrung gemacht: Unsere Titelgeschichten über Klima oder Nachhaltigkeit waren am Kiosk absolute Flops. Ich kann es mir bis heute nicht erklären, zumal wir eine in diesen Fragen besonders sensible Leserschaft haben. Wer Rat weiß, soll sich bitte melden. Grundsätzlich aber wollen wir auch bei diesen lebenswichtigen Fragen unserem Leitsatz treu bleiben: Wir möchten den Leser nicht indoktrinieren, sondern ihm die Mittel an die Hand geben, damit er sich eine eigene Meinung bilden kann.
(Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur DIE ZEIT)
Medien bezeichnen sich gern als unabhängig. Angesichts des großen Einflusses, den sich Lobbyisten und Anzeigenkunden in den personalschwachen Medienhäusern erarbeitet haben, scheint das jedoch kaum mehr glaubhaft. Kein Wunder, dass sich die Menschen nach Leuchttürmen sehnen, die deutlich sichtbar Position beziehen, Lösungen oder Gefahren aufzeigen und dafür gerade stehen. Der Erfolg von Blogs zeigt: Wir brauchen dringend neue Darstellungsformen und Medienformate, die sich für eine Sache stark machen - und sich dazu ehrlich bekennen.
(Marco Eisenack, Geschäftsführer von klimaretter.info)
Journalisten dürfen sich mit einer guten Sache gemein machen, mitunter sind sie sogar in der Pflicht, Partei zu ergreifen. Der Klimawandel ist so ein Beispiel. Es ist in der Wissenschaft Konsens, dass der Mensch für die Erwärmung des Klimas verantwortlich ist. In der Berichterstattung darüber auf Ausgewogenheit zu setzen und diesen Fakt von sogenannten Skeptikern leugnen zu lassen, halte ich für grob fahrlässig. Journalisten, die mit nachhaltigen Ideen sympathisieren, müssen allerdings besonders offen bleiben für alternative Modelle und Widersprüche - und sie müssen das im Zweifel auch thematisieren.(Marc Winkelmann, Chefredakteur enorm)
Wir vertrauen auf unsere Journalisten und den Wettbewerb von Themenideen und ihren Ausarbeitungen in den Redaktionssitzungen. Hierzu gehört, dass wir uns mit allen Themen, die in unserer Gesellschaft von Gewicht sind, engagiert und kritisch auseinandersetzen. Dies schließt die Bereiche Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein. Ausgewogenheit in unseren Programmen entspricht dem gesetzlichen Auftrag. Ebenso ist es unsere journalistische Pflicht, in Kommentaren Entwicklungen pointiert zu hinterfragen. Magazine wie Report München oder Kontrovers legen den Finger in die Wunde, Basis hierfür ist eine vertiefte, journalistische Recherche. Unsere Formate ergänzen sich. Sie dienen dazu, dass die Bevölkerung komplexe Zusammenhänge besser einordnen kann. Unsere Verantwortung zielt klar auf die Unterscheidbarkeit unserer Angebote ab: Was ist Nachricht, Bericht oder Kommentar? Beim BR gelten weiter die klassischen, journalistischen Kriterien für Recherche und Berichterstattung.
(Bettina Reitz, Fernsehdirektorin Bayerischer Rundfunk)
Wer nach dem Zweiten Weltkrieg eine Tageszeitung in Westdeutschland gründen wollte, brauchte dafür eine Lizenz der Alliierten. Die bekam der Verleger nur, wenn er sich den Grundsätzen von Unabhängigkeit, Demokratie und Pluralismus verschrieb. Das sind heute Allgemeingüter. Warum sollten wir die gesellschaftliche Verantwortung des Journalismus also heute innerhalb dieses Rahmens nicht neu interpretieren? In den USA folgen immer mehr Journalisten dem Paradigma des solution oriented journalism, ganz nach dem Motto: Über die Probleme wie Klimawandel, Ressourcenverschwendung, Bildungsnotstand oder soziale Ungerechtigkeit ist genug geschrieben worden - nun geht es um Lösungen aus den Dilemmata. Vielleicht müssen Journalisten auch hier mehr über ökologische und soziale Innovationen und insgesamt Lösungen schreiben, um Anregungen zu geben für eine nachhaltige Zukunft - nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern streng reportierend. Die Berichterstattung muss ausgewogen, unabhängig und kritisch sein. So macht man sich höchstens "gemein" mit der Mitarbeit am Überleben unserer Zivilisation.
(Thomas Friemel, Verlags-Chefredakteur des Social Publish Verlags)
Die Diskussion um die Energiewende ist hitziger denn je. Journalisten aus konservativen Medienhäusern haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Energiewende zu kritisieren. Andere Kollegen werden nicht müde, ihre positiven Aspekte zu betonen. Machen sich die Vertreter beider Seiten deshalb mit der Sache der Industrie oder mit den Umwelt- und Klimaschützern gemein? Nein, denn Befürworter und Gegner der Energiewende haben meist gute Gründe für ihre Argumentation. Kennen Leserinnen und Leser beide Seiten, können sie sich eine eigene Meinung bilden. Schlimm ist es nicht, wenn Journalisten einen Standpunkt beziehen. Problematisch wird es erst, wenn keiner diesen Standpunkt kritisiert oder kritisieren kann.
(Benjamin Reuter, Redakteur WirtschaftsWoche / WiWo Green)
Menschen sind nicht distanziert. Alle Journalisten sind Aktivisten. Sie vertreten doch alle Interessen und Einschätzungen. Für mich besteht die entscheidende Frage nicht darin, ob ein Journalist eine Meinung vertritt oder nicht, sondern ob er diese Meinung seinen Lesern ehrlich mitteilt oder vor ihnen versteckt. Entscheidend ist, ob die Fakten, die ein Journalist vermittelt, wahr sind.
(Glenn Greenwald, ehem. Kolumnist beim Guardian, der gemeinsam mit Edward Snowden den NSA-Skandal aufdeckte, Quelle: ZEIT ONLINE)
Wie lautet Ihre Meinung?
Sollten Journalisten sich stärker für Nachhaltigkeitsthemen engagieren? Diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/forumNachhaltigWirtschaften oder schreiben Sie uns einen Leserbrief an redaktion@forum-csr.net. Einen Ausschnitt der Diskussion veröffentlichen wir in der kommenden Ausgabe des Magazins (Kürzungen vorbehalten).
Das ist Ihre Meinung zu geplantem Verschleiß:
Bauen Hersteller selbst Schwachstellen in ihre Produkte ein, damit sie nicht lange halten? Unsere Leser können ein Lied vom frühen Tod ihrer Geräte singen und haben uns geschrieben:
"Mir ist 'Murks' schon zwei Mal mit Sony Digitalkameras passiert. An sich tolle Digitalkameras - schöne Bilder, schneller Auslöser, angemessener Preis. Doch leider ist nun schon die zweite Kamera um den Ablauf der Garantiezeit herum kaputt gegangen. Kulanz gab es bei Sony nicht. Obwohl ich mit den Kameras immer sehr zufrieden war, überlege ich nun, ob ich mir nochmals eine Sony Digicam kaufe. Die Tendenz ist klar, nein!" Leserin , die anonym bleiben will. Einkäuferin aus Berlin.
Von Anna Gauto
Quelle:
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 17.12.2013
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