Strom am Strom
Vom Bauer zum Kraftwerksbauer: Innovative Kleinstwasserkraftwerke ermöglichen der Bevölkerung in entlegenen Regionen der Welt den Zugang zu Strom.
Derzeit leben rund 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt
ohne Strom – und das, obwohl sich in vielen Fällen ein gewaltiges
Energiepotenzial direkt in der Nachbarschaft befindet: Flüsse wie der Amazonas
oder der Ganges. Dieses bisher verschenkte Potenzial brachte Karl Reinhard
Kolmsee auf einer Peru-Reise auf die Idee zu seinem Start-up Unternehmen. Heute
entwickelt dieses Unternehmen Kleinstwasserkraftwerke, die mit der kinetischen
Energie des Wassers elektrische Energie produzieren. Die Anlagen sind so
konstruiert, dass sie keiner Wartung bedürfen und auch von Laien betrieben
werden können.
Kolmsee hat mit seinem Start-up einen Sprung ins kalte Wasser gewagt, schließlich hat der gelernte Landwirt mit seinem Jungunternehmen gleich dreimal Neuland betreten: neues Unternehmen, neues Produkt und neuer Markt. Die letzten Jahre zeigen jedoch, dass er mit seinem Konzept der dezentralen Energieversorgung genau auf dem richtigen Weg ist. Nachdem die erste Anlage 2011 in Peru installiert wurde, befinden sich Turbinen von Smart Hydro Power heute auch an anderen Standorten in Südamerika, beispielsweise in Salvajina im Fluss Cauca in Kolumbien, in Brasilien, Indonesien und mittlerweile auch in deutschen Gewässern.
Sauberer Strom für abgelegene Orte
Das von Karl Kolmsees Team entwickelte Kleinstwasserkraftwerk ist besonders attraktiv für Regionen, die weitab von Ballungszentren und ausgebauten Stromnetzen liegen. Um den aufwendigen Ausbau dieser Netze zu umgehen, können sogenannte Inselsysteme für die Stromversorgung abgelegener Gebiete errichtet werden. Heutzutage werden dafür oft Dieselgeneratoren eingesetzt, bei denen jedoch zusätzlich zu den Anschaffungskosten Ausgaben für den Dieseltreibstoff anfallen. Zudem sind die Generatoren weder ressourcenschonend noch umweltfreundlich, denn sie nutzen fossile Brennstoffe, produzieren klimaschädliches Kohlendioxid und sind in erster Linie für den temporären Gebrauch gedacht. Das Kleinstkraftwerk des Start-ups nutzt dagegen nur die Fließkraft natürlicher Wasservorkommen, um Strom zu produzieren und braucht dafür weder Staudämme noch Gefälle. Der Flusslauf wird somit nicht beeinflusst und es fallen keine Investitionen für den Ausbau der Infrastruktur an. Bei dem Mikrowasserkraftwerk von Smart Hydro Power handelt es sich um einen Kubus von 1,8 x 1,8 x 1,8 Metern. Die Turbine wiegt insgesamt 360 Kilogramm und kann von acht Personen getragen werden. Auf diese Weise wurde auch die erste Anlage von Smart Hydro Power in die Flussmitte des Huayabamba in Peru transportiert, die 28 Familien in dem abgelegenen Dörfchen Marisol mit sauberem Strom versorgen soll. Die Turbine besteht aus einem dreiblättrigen Rotor, einem Fünf-Kilowatt-Generator sowie einem Schwimmkörper und einem dreiteiligen Diffusor. Hierfür wurden robuste, aber dennoch erschwingliche Materialien wie Hart-Polyethylen (HDPE), Aluminium und rostfreier Stahl genutzt.
Schnell auf dem Markt
Dank einer Softwareunterstützung durch den Partner Autodesk entstand bereits nach einer Entwicklungsphase von nur eineinhalb Jahren der erste Prototyp. Die 3D Konstruktionssoftware spielte hierbei eine große Rolle, denn mit ihr konnte das junge Unternehmen die Zeit bis zur Produktreife des Kleinstwasserkraftwerks immens verkürzen. Die Erstellung sogenannter digitaler Prototypen hilft bei der Konstruktion und Validierung der Produkte vor der Fertigung. Dadurch können Planungsfehler vermieden werden, die sonst erst beim Zusammenbau des Prototyps ersichtlich werden.
Innovative Software kann somit helfen, die dringend
benötigten Entwicklungen für neue Green Tech-Produkte zu beschleunigen. Wo
früher teure Prototypen Zeit und Geld verschlangen, hilft heute der Computer mit
faszinierenden Simulationen.
Der Einsatz moderner Software ist für Kolmsees Pläne äußerst wichtig. Schließlich möchte das Start-up nach den ersten erfolgreichen Installationen seiner Turbinen auch den deutschen Markt erobern. Dort haben die Kleinstwasserkraftwerke bereits erste Abnehmer gefunden. Ein Burgbesitzer beispielsweise hat sich für eine der Turbinen entschieden, damit er seinen eigenen sauberen Strom erzeugen kann. Der Aufwand, der dabei für den Besitzer anfällt, ist sehr gering: Die Turbine wird im benachbarten Fluss befestigt, die Elektronik des Kleinstwasserkraftwerks ist im Keller installiert und funktioniert ähnlich einfach wie bei einer Photovoltaikanlage. Zudem bietet die Anlage ihrem Nutzer ein interessantes Verwendungsmodell, denn die Menge an Strom, die über dem Eigenverbrauch liegt, wird ins öffentliche Netz eingespeist.
von Fritz Lietsch
Das Autodesk Cleantech Partner Program unterstützt Start-ups durch moderne 3D
CAD Konstruktions- und Simulationssoftware. Die jungen Unternehmen erhalten die
Produkte zu sehr günstigen Konditionen und können damit ihre Innovationen
nachhaltiger, kostengünstiger und schneller zur Marktreife bringen. Inzwischen
nutzen nach Herstellerangaben bereits einige tausend Cleantech Unternehmen
dieses Angebot und leisten durch die von ihnen entwickelten Technologien einen
wichtigen Beitrag für eine bessere Zukunft.
www.autodesk.de/cleantech
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.
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